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June ist schwanger und weiß, dass sie bald mit ihren Kindern allein dastehen wird. Addison, der von seinem Vater nie anerkannt worden ist, stellt bei dessen Begräbnis fest, dass er es letztlich ohne den Vater besser hatte. Die praktische Amerikanerin Meredith muss erfahren, dass es für den Umgang mit dem Altern kein Patentrezept gibt. Kate Atkinsons Figuren widerfährt nichts Ungewöhnliches, sie erleben das, was das Leben für jeden bereithält: Altern, Einsamkeit, Liebe, Tod. Doch die Geschichten, die sie erzählt, enden nie in Hoffnungslosigkeit. Kate Atkinsons scharfer und illusionsloser Blick…mehr

Produktbeschreibung
June ist schwanger und weiß, dass sie bald mit ihren Kindern allein dastehen wird. Addison, der von seinem Vater nie anerkannt worden ist, stellt bei dessen Begräbnis fest, dass er es letztlich ohne den Vater besser hatte. Die praktische Amerikanerin Meredith muss erfahren, dass es für den Umgang mit dem Altern kein Patentrezept gibt.
Kate Atkinsons Figuren widerfährt nichts Ungewöhnliches, sie erleben das, was das Leben für jeden bereithält: Altern, Einsamkeit, Liebe, Tod. Doch die Geschichten, die sie erzählt, enden nie in Hoffnungslosigkeit. Kate Atkinsons scharfer und illusionsloser Blick richtet sich stets auch auf den Ausweg aus dem scheinbar unveränderbaren Dasein.
Mit ihrem neuen Buch blättert sie ein weiteres Familienalbum auf.
Autorenporträt
Kate Atkinson, geb. 1951 in York, studierte in Dundee und kehrte nach ihrem Universitätsabschluss in ihre Heimatstadt zurück. Bereits ihre ersten Kurzgeschichten werden mit Preisen ausgezeichnet.
1996 erhält sie für ihren ersten Roman (Behind the Scenes at the Museum, deutsch: Familienalbum) den angesehenen Whitbread Award.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2003

Buffy-Fan im Blackout
Schmerzerprobt: Kate Atkinsons hintergründiger Erzählungsband

Kate Atkinsons "Nicht das Ende der Welt" ist ein ausgezeichnetes Buch, dessen Einband jedoch so irreführend schlecht ist, daß man fast davon abgehalten wird, es zu lesen. Abgesehen von dem werbekalenderblattartigen Coverfoto, das einen Blumentopf neben einem mit alten Familienfotos beklebten alten Gartenzaun (wer klebt Familienfotos auf Gartenzäune?) zeigt, behauptet der Umschlagtext, in ihrem neuen Buch blättere die Autorin "ein weiteres Familienalbum auf": Die Story-Sammlung "Nicht das Ende der Welt" ist aber alles andere als das.

Manche der Erzählungen sind Familiengeschichten, viele sind es nicht. Sie handeln von Menschen in unterschiedlichen sozialen Konstellationen; einige von ihnen haben überhaupt keine Familie und sind seit ihrer Geburt Vollwaisen. Der Werbetext auf der Rückseite leitet ebenfalls fehl: Ein "heiterer Ausflug in stets überraschende Lebensläufe, pointiert und humorvoll erzählt von der preisgekrönten Autorin des Romans ,Familienalbum'", wird dort angekündigt. Auch mit dieser Beschreibung, die den Band als schiere Unterhaltungsliteratur nur unzureichend charakterisiert, tut der Verlag Kate Atkinson keinen Gefallen.

Zwar sind ihre Geschichten ausgesprochen unterhaltsam, aber so heiter, wie der Klappentext es will, wirken sie keineswegs, im Gegenteil. Wahr ist allerdings, daß auch die deprimierendsten dieser "stets überraschenden Lebensläufe" (in Wirklichkeit sind es nur Lebensabschnitte) sehr unsentimental, mit heruntergespieltem Pathos erzählt werden, ein Ton, der entfernt an Nick Hornby erinnert. Dabei legt die Erzählerin einen erstaunlichen Gusto für die Komik tragischer Momente an den Tag.

"Phantastische Übung" beispielsweise ist ausgesprochen makaber. Darin geht es um Vincent, der als Kind beide Eltern und später seine Frau durch eine fast groteske Anhäufung von tragischen Umständen verliert: Die Mutter wird von einem Liebhaber stranguliert, der Vater erleidet beim Fensterputzen einen tödlichen Sturz, und die junge Ehefrau reagiert allergisch auf ein Narkosemittel und stirbt während einer Zahnbehandlung in einer kieferchirurgischen Praxis. In keinem der Todesfälle wird Vincents unmittelbare Reaktion darauf geschildert. Selbst die Folgen für ihn, eine Kindheit im emotionalen Vakuum bei den ungeliebten Großeltern, der Schmerz nach dem Tod der Frau, werden eher durch Auslassung als durch Beschreibung angedeutet. Nur Vincents Idee, etwas von seiner Frau vor der Überführung ihrer Leiche nach Amerika behalten zu wollen, läßt Rückschlüsse auf seinen Geistes- und Seelenzustand zu: Im Leichenschauhaus schneidet er ihren kleinen Finger ab und trägt ihn nach seiner Verwesung im skelettartigen Zustand bei sich, bis er selbst - nach nochmaliger Heirat - stirbt.

Der morbide Witz der Story liegt darin, daß sie so erzählt wird, als ob das Tragische, das dem Helden zustößt, von leichtzunehmender Alltäglichkeit wäre. Die Unglücksfälle nimmt er mit großer Selbstverständlichkeit hin, über Glücksfälle, wie seine Heirat mit Nanci, wundert er sich. Auch als er schließlich an Krebs stirbt und trotz Morphiumgaben noch in der Lage ist, seine Söhne zu erkennen, behält er diese Haltung bei: "Er wollte ihnen sagen, daß alles in Ordnung sei, aber er konnte nicht sprechen, und außerdem hatte er keine logischen Beweise für diesen Glaubenssatz."

Nicht alle Charaktere in Kate Atkinsons Geschichten sind von so schmerzerprobter, sich selbst negierender Geistesart. Die Erzählerin gewährt Einblick in Einsamkeitshöllen verlassener Frauen jenseits der Midlife-crisis, in den Universaltrotz pampiger Teenager, ins Leben der äußerlich Makellosen, Reichen und Ehrgeizigen und in die Welt eines Fernsehkritikers mit Gedächtnis-Blackouts und einer Vorliebe für die Serie "Buffy, the Vampire Slayer".

Eine Geschichte ist einem Jungen gewidmet, der "die evolutionäre Leiter herunterklettern" will und lieber ein Fisch wäre und ein Kindermädchen mit "einem Ruf wie ein Ordnung schaffender Jesuit, eine Marine-Corps-Mary-Poppins". Der Sympathiefaktor spielt bei Kate Atkinsons Figurendarstellungen keine Rolle. Sie erscheinen mit ihren Schwächen und in ihrer Verletzlichkeit nicht oft im Licht ihrer besten Eigenschaften - diese werden manchmal nur angedeutet. Aber trotzdem - oder gerade deshalb - wirken sie besonders lebendig. Sie bleiben im Gedächtnis, wie jemand, dem man schon einmal begegnet ist.

Ein effektvoller Trick der Autorin besteht darin, Namen, die in einer Geschichte beiläufig am Rande erwähnt wurden, in einer anderen Erzählung mit völlig anderem Personal zu Hauptakteuren zu machen. So belichten sich die Stories, von denen jede in sich abgeschlossen ist, im ganzen gelesen, noch einmal gegenseitig. Manche Figuren erhalten, auf diese Weise in einen anderen Kontext gestellt, zugleich Konturen und eine unterschiedliche "Lesart". Andere bleiben in mehreren Geschichten immer nur Erwähnungen am Rande, ewige Nebendarsteller, die aber trotzdem durch mehrfache Erwähnung in unterschiedlichen Konstellationen Gestalt annehmen.

Zu den Besonderheiten dieser Geschichten gehört ihre mühelose Bewegung zwischen den Welten. Mit derselben Zwanglosigkeit, mit der Gegenstände der Pop- und Alltagskultur erwähnt werden, öffnen sich immer wieder Türen zu Paralleluniversen. Phantasy-Versatzstücke, Träume und Visionen ragen in einige dieser Stories wie Überraschungsmomente; gelegentlich dominieren sie ganze Geschichten, manchmal fehlen sie auch vollständig. Vielleicht nicht ganz von ungefähr setzte Kate Atkinson in einer Umfrage des "Guardian" "Alice im Wunderland", "Der große Gatsby" und "Lolita" auf die Liste ihrer Lieblingsbücher, in denen Träume, Wünsche, Obsessionen und Vorstellungskraft einen ebenso großen - oder sogar größeren - Raum einnehmen wie die materielle Welt.

MARION LÖHNDORF

Kate Atkinson: "Nicht das Ende der Welt". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Anette Grube. Droemer Verlag, München 2003. 300 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marion Löhndorf nimmt Kate Atkinsons Geschichten gegen ihren deutschen Verlag in Schutz, der ihnen nicht nur einen "irreführend schlechten" Einband verpasst habe, sondern auch noch ängstlich-falsche Klappentexte. Familiengeschichten? Klar haben ein paar der Protagonisten Familien, aber einige sind auch Vollwaisen. Heiter? Natürlich beherrsche Atkinson die wunderbare Kunst, die Schicksale ihrer Helden in unsentimentale Schwerelosigkeit zu überführen, trotzdem seien diese oft eher deprimierend oder makaber als "heiter". Ganz und gar nicht einverstanden ist Löhndorf damit, dass Atkinson als gut zu konsumierendes Leichtgewicht verkauft werde. Denn ihre Geschichten, so unterhaltsam sie seien, künden mit ihrem morbiden Witz, mit ihren Nebeneinander realistischer und phantastischer Welten von beträchtlichem literarischen Können.

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