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Jakob Wassermann (1873-1934), Sohn eines jüdischen Spielwarenfabrikanten aus Fürth, war einer der meistgelesenen Autoren in der Weimarer Republik. Viele seiner Romane wurden zu internationalen Bestsellern, wie 'Caspar Hauser' oder 'Der Fall Maurizius'. Henry Miller schrieb über 'Der Fall Maurizius', er habe es so oft und so erschüttert gelesen wie kein anderes Buch.
Thomas Kraft beschreibt Leben und Werk dieses »Weltstars des Romans« und bezieht dabei den Zeitkontext, die politischen, aber auch die literarischen Umbrüche, genauso mit ein wie prägende persönliche Aspekte, so zum Beispiel
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Produktbeschreibung
Jakob Wassermann (1873-1934), Sohn eines jüdischen Spielwarenfabrikanten aus Fürth, war einer der meistgelesenen Autoren in der Weimarer Republik. Viele seiner Romane wurden zu internationalen Bestsellern, wie 'Caspar Hauser' oder 'Der Fall Maurizius'. Henry Miller schrieb über 'Der Fall Maurizius', er habe es so oft und so erschüttert gelesen wie kein anderes Buch.

Thomas Kraft beschreibt Leben und Werk dieses »Weltstars des Romans« und bezieht dabei den Zeitkontext, die politischen, aber auch die literarischen Umbrüche, genauso mit ein wie prägende persönliche Aspekte, so zum Beispiel Wassermanns Wurzeln im Fränkischen, seine problematische Ehe und den allgegenwärtigen Antisemitismus.

Thomas Kraft legt hier die erste klassische Biografie Wassermanns vor.

Autorenporträt
Kraft, Thomas
Thomas Kraft, geboren 1959 in Bamberg, promovierter Germanist, war Programmleiter des Literaturhauses München. Heute lebt er als Autor, Literaturkritiker und Organisator literarischer Veranstaltungen in Herrsching am Ammersee. Veröffentlichungen zu Robert Musil, Edgar Hilsenrath, Oskar Maria Graf, Michael Ende und zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Er ist u. a. Herausgeber des »Lexikons der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur« (2003) und der »Beat Stories« (2008).

Weitere Informationen auf seiner Website www.thomas-kraft.net
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2009

Apologie des Reißerischen

Seelenspannung und Leistungsdruck: Thomas Kraft nähert sich der komplexen Persönlichkeit des jüdischen Erfolgsautors Jakob Wassermann.

Es klingt ein wenig nach Hans im Glück, dass Ernst von Wolzogen, altadliger Vorleser des Großherzogs von Sachsen-Weimar und Gründer des avantgardistischen "Überbrettl", den jungen Jakob Wassermann, den armen Sohn eines jüdischen Kleinbürgers, zum Sekretär nahm, nachdem dieser vor lauter Begeisterung für die Literatur erst einmal die Lehre abgebrochen hatte. Die Hauptfigur in seinem Musikerroman "Das Gänsemännchen" (1915) lebt mit ähnlich konsequenter Ausschließlichkeit lange auf ihr Künstlerschicksal zu. Bei Wolzogen begegnete der 1873 in Fürth geborene Wassermann dem Verleger Albert Langen, der ihn in die Redaktion des "Simplicissimus" aufnahm, wo er Thomas Mann begegnete.

Thomas Kraft erzählt das Leben Wassermanns, er analysiert nicht dessen literarische Werke. Das erste größere Buch in Wassermanns schriftstellerischer Laufbahn, der 1896 bei Albert Langen erschienene Liebesroman "Melusine", wurde zum verlegerischen Fiasko. Nicht anders erging es allen Erwartungen des Autors zum Trotz zunächst auch dem Roman "Die Juden von Zirndorf" (1897), an dem er mehrere Jahre geschrieben hatte und der wie Blei in den Regalen lag. Er erzählt zunächst von einer Gruppe Fürther Juden, die im Dreißigjährigen Krieg unter wachsendem Verfall der Moral einem falschen Messias auf dem Weg ins Gelobte Land folgen wollen, jedoch entnervt aufgeben und sich in Zirndorf ansiedeln, nachdem ihr Anführer zum Islam übergetreten ist; diesem "Vorspiel" folgt die Geschichte eines Nachfahren dieser Juden, der sich als neuer Messias aus allen überkommenen Bindungen löst, für dessen Vision jedoch die Zeit noch nicht gekommen ist.

Von diesem Buch hatte sich Wassermann die Befreiung aus seinen Geldnöten erhofft. Stattdessen trug es nur dazu bei, dass die Rezensenten Wassermann vor allem als einen "jüdischen Schriftsteller" wahrnahmen, während seine Freunde jüdischen Herkommens wie Arthur Schnitzler oder Hofmannsthal, ja selbst der fest im Glauben seiner Väter verwurzelte Richard Beer-Hofmann von der Kritik selbstverständlich als deutsche Dichter verstanden wurden.

Zeitlebens blieb für Wassermann die Spannung seiner Existenz als "Deutscher und Jude" das bevorzugte Thema seiner Essayistik. Der Jude, so schrieb er in dem Büchlein "Der Literat oder Mythos und Persönlichkeit" (1910) - eine Stelle, um deren Erläuterung ihn später Martin Buber bat -, "leidet darunter, dass er überall unversöhnliche Polaritäten sieht; auch im Judentum". In der Existenz des Juden gebe sich "die schärfste Gegensätzlichkeit geistiger und seelischer Eigenschaften kund". Dem Versuch, das Zersprengende solcher Spannung in die Stabilität umzuformen, galt ein großer Teil von Wassermanns Arbeiten, der in der breiteren Öffentlichkeit über dem erfolgreichen belletristischen Werk freilich weit weniger wahrgenommen wurde.

Immer wieder empfand sich Wassermann als arm, auch wenn er es im strengen Sinn um 1906 kaum noch gewesen ist, nachdem er unter die Fittiche des fürsorglich um seine Autoren bemühten Verlegers Samuel Fischer gekommen war. Damals wohnte er schon im besseren Teil des Wiener Bezirks Hietzing, wo er den Finanzbehörden irgendwie aufgefallen sein muss. Man fragte bei Hermann Bahr an, der offensichtlich nicht nur das Vertrauen seiner Kollegen, sondern auch das des Finanzamtes besaß: "Worin besteht die schriftstellerische Tätigkeit des Herrn Jakob Wassermann in Wien, XIII. St. Veiter Allee und welches durchschnittliche Jahreseinkommen dürfte er aus dieser Tätigkeit beziehen?" Bahr erteilte natürlich eine Abfuhr: Darüber wisse er nichts, da er "nicht die Gewohnheit" habe, "die Verhältnisse seiner Bekannten auszuschnüffeln".

Wassermanns Angst vor materieller Not und - in deren Konsequenz - die Hektik seiner Produktion rührten aus dem zeitlebens bewahrten Habitus des Aufsteigers her, der meinte, nur durch Leistung die Anerkennung der anderen erlangen zu können. Als er mit den Jung-Wiener Autoren zusammenkam, stieß er auf lauter gutsituierte Herren, die für den Tag nicht zu sorgen brauchten und stattdessen jede Regung des eigenen Herzens sorgsam prüfen konnten, ob sich daraus nicht eine neue Metapher machen ließ. Die Freundschaft dieser jungen Literaten war geprägt von großer Distanz, die Felix Salten einmal als "Kälte" bezeichnete.

Wie ein Parvenü dürfte sich Wassermann aller Anerkennung seines literarischen Könnens zum Trotz in der Gesellschaft dieser Wiener Schriftsteller-Dandys vorgekommen sein, und allzu oft muss er vom Geld gesprochen haben, bis so viel Egomanie selbst der wohlgesinnte Schnitzler degoutierte. Dieser meinte sogar, dass Wassermann auch im "Fall Maurizius" (1928), seinem wohl bekanntesten Buch, den Ruf nach Gerechtigkeit mit allzu viel Geschäftssinn verbunden habe: "... als Arbeit außerordentlich, meisterhafte Partien, - aber er sagt Gerechtigkeit und meint 100 Auflagen". Reduziert man Schnitzlers Bosheit auf ihren sachlichen Kern, so trifft der mürrische Beobachter allerdings durchaus etwas Richtiges: dass nämlich Wassermann nicht nur die Langeweile mied, sondern oft allzu "reißerisch" schrieb. Man konnte das freundlicher ausdrücken: einen "geborenen Fabulisten" etwa nannte ihn Stefan Zweig. Der Makel des Reißerischen wird freilich umso erträglicher, je mehr Wassermann der Aktion die auslösende Psychologie hinzugesellt, was ihm besonders im Spätwerk gelingt.

Die langwierige Lösung von Wassermanns erster Ehe mit Julie Speyer spiegelt der erst postum veröffentlichte Roman "Joseph Kerkhovens dritte Existenz", in dem ein Psychiater selber psychisch daran zugrunde geht, dass seine Frau ein Verhältnis mit seinem Vorzugsschüler unterhält. Durch die Scheidung und infolge der Unterdrückung seiner Schriften entnervt und erneut verarmt, starb Wassermann bereits am 1. Januar 1934 in Altaussee, wo er 1914 durch die Gunst des Diplomaten Edgar von Spiegl-Thurnsee das Haus des Schriftsteller-Kollegen Leopold von Andrian hatte erwerben können.

Kraft verliert nirgendwo die Distanz zu seinem Gegenstand, enthält sich aller unbegründeten Spekulationen und jedes biographischen Voyeurismus und bietet das eingängig geschriebene Lebensbild eines Autors, der nach dem Zweiten Weltkrieg gerade in Deutschland, Österreich und Italien, wo sein Werk während des Faschismus bekämpft wurde, noch immer viel gelesen wird.

HANS-ALBRECHT KOCH

Thomas Kraft: "Jakob Wassermann". Biografie. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2008. 259 S., br., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein schönes Beispiel für die allzu gut gemeinte Verinnerlichung eines zu besprechenden Textes bietet uns Hans-Albrecht Koch mit seiner Rezension von Thomas Krafts Biografie. Das Kraft sich dem Leben Jakob Wassermanns widmet und nicht der Werkanalyse, wie es bei Koch zu Beginn heißt, ist schon der aussagekräftigste Passus hier. Was folgt, ist ein Referat von Krafts Darstellung. Der Rezensent resümiert Wassermanns von der Spannung zwischen Judentum und Deutschsein geprägte Schriftstellerexistenz, seine materielle Not und seinen Kampf um literarische Anerkennung, so wie er es bei Koch gelesen hat. Letzterem gelingt mit diesem Buch laut Rezensent übrigens eine distanzierte, weder von Spekulation noch von Voyeurismus getragene Biografie.

© Perlentaucher Medien GmbH