Miklós Bánffy siedelt sein sehr authentisches Gesellschaftspanorama in seiner Heimat Siebenbürgen an. Es beginnt im Jahr 1904: Luxuriöse Bälle und große Jagden auf prachtvollen Landschlössern, leidenschaftliche Affären in Budapester Palais, Duelle im Morgengrauen und politische Intrigen im Parlament - das ist die Welt der beiden jungen Grafen Bálint Abády und László Gyeröffy. Bálint, ein Großgrundbesitzer mit liberalen Ansichten, ist ein Idealist. Als er sich für die ausgebeutete Land-bevölkerung einsetzt, verspürt er rasch den Druck der politisch-konservativen Klasse. Sein Cousin László hingegen ist ein begnadeter Tänzer und Musiker, ein Charmeur und Entertainer. Bálint liebt die ernste Adrienne, die allerdings mit einem ziemlich teuflischen Gatten verheiratet ist. László wiederum liebt die schöne Klara, die sich für ihn entscheidet, wenn er seine Spielsucht überwinden kann. Das Schicksal hält keine einfachen Lösungen parat ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2014Die mürbe Lust
am Untergang
Es werden Festessen gegeben, bei denen elektrisches Licht die Kerzen der Tisch-Kandelaber verstärkt. Fasanenjagden mit zweifacher Treiberkette werden ausgerichtet, Heiratsschwindler setzen sich auf die Fährte junger Damen, und der davon erzählt, kennt alles im Detail: die Kleidung, die Kutschen, die Träume und die Manieren. Denn Miklós Bánffy (1873–1950) entstammte der Welt, die er beschreibt, dem ungarischen Adel Siebenbürgens. Er war ein politisch denkender Mensch; schon in diesem ersten, 1934 erschienenen Band seiner Trilogie über die Jahre 1904 bis 1914, ist die opulente Schilderung dieser Herkunftswelt seine Art, ihr den Prozess zu machen. In die Kunst, vor allem in die Musik, ist die Erschütterung der Tradition schon eingewandert, und wenn der diplomatisch erfahrene Graf Bálint Abády, eine der beiden männlichen Hauptfiguren, am dritten Tag der Fasanenjagd „wie eine Rodin–Statue, wie der Penseur“ in der Remise sitzt, denkt er nicht an eine der vielen Heirats- und Sehnsuchtsgeschichten des Romans, sondern an die politischen Illusionen über die Zukunft der Habsburgermonarchie, von denen er umgeben ist.
LOTHAR MÜLLER
Miklós Bánffy: Die Schrift in Flammen. Aus dem Ungarischen und mit einem Nachwort von Andreas Oplatka. dtv, München 2014. 800 Seiten, 18,90 Euro.
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am Untergang
Es werden Festessen gegeben, bei denen elektrisches Licht die Kerzen der Tisch-Kandelaber verstärkt. Fasanenjagden mit zweifacher Treiberkette werden ausgerichtet, Heiratsschwindler setzen sich auf die Fährte junger Damen, und der davon erzählt, kennt alles im Detail: die Kleidung, die Kutschen, die Träume und die Manieren. Denn Miklós Bánffy (1873–1950) entstammte der Welt, die er beschreibt, dem ungarischen Adel Siebenbürgens. Er war ein politisch denkender Mensch; schon in diesem ersten, 1934 erschienenen Band seiner Trilogie über die Jahre 1904 bis 1914, ist die opulente Schilderung dieser Herkunftswelt seine Art, ihr den Prozess zu machen. In die Kunst, vor allem in die Musik, ist die Erschütterung der Tradition schon eingewandert, und wenn der diplomatisch erfahrene Graf Bálint Abády, eine der beiden männlichen Hauptfiguren, am dritten Tag der Fasanenjagd „wie eine Rodin–Statue, wie der Penseur“ in der Remise sitzt, denkt er nicht an eine der vielen Heirats- und Sehnsuchtsgeschichten des Romans, sondern an die politischen Illusionen über die Zukunft der Habsburgermonarchie, von denen er umgeben ist.
LOTHAR MÜLLER
Miklós Bánffy: Die Schrift in Flammen. Aus dem Ungarischen und mit einem Nachwort von Andreas Oplatka. dtv, München 2014. 800 Seiten, 18,90 Euro.
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