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Mit ihrem Sohn Cameron will die junge Catherine alles soviel besser machen, als sie selbst es erleben musste. Verständnis, Zuwendung - er soll vorbereitet in sein Leben hineinwachsen. Was macht es da schon, dass es materiell nicht zum Besten bestellt ist? Ihre Liebe zu ihrem Sohn ist wichtiger als alles andere. Mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes jedoch muss Catherine erfahren, dass sich so leicht nicht der Vergangenheit entfliehen lässt. Allein mit Cameron und vor dem finanziellen Nichts, entdeckt sie eben die Züge tief in sich, deretwegen sie vor ihrem Vater geflohen ist. Wiederholt sich…mehr

Produktbeschreibung
Mit ihrem Sohn Cameron will die junge Catherine alles soviel besser machen, als sie selbst es erleben musste. Verständnis, Zuwendung - er soll vorbereitet in sein Leben hineinwachsen. Was macht es da schon, dass es materiell nicht zum Besten bestellt ist? Ihre Liebe zu ihrem Sohn ist wichtiger als alles andere. Mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes jedoch muss Catherine erfahren, dass sich so leicht nicht der Vergangenheit entfliehen lässt. Allein mit Cameron und vor dem finanziellen Nichts, entdeckt sie eben die Züge tief in sich, deretwegen sie vor ihrem Vater geflohen ist. Wiederholt sich denn immer alles? Catherine begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Nach und nach scheint es ihr zu gelingen, eigene, neue Kräfte in sich zu entdecken, die stärker sind als die Mächte der Vergangenheit. Und möglicherweise einen Ausweg eröffnen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2000

Sünde schmeckt nach Pfefferminz
Im schrägen Winkel: Alex Benzies Roman "Das verbrannte Kleid"

Das hatten wir doch schon alles. Die unglückliche irische Kindheit, aus der Catherine O'Hara übers Wasser zu entkommen versucht. Die trostlose Anonymität grauer Reihenhaussiedlungen, endloser Kieselrauhputzfassaden, hinter denen die junge Frau im Glasgow der sechziger Jahre ein neues Leben beginnen will. Lange Schatten familiärer Gewalt und sexuellen Mißbrauchs, die Flucht Halbwüchsiger in den Trost einer inzestuösen Beziehung. Bigotterie und die versuchte Ablösung von einem Gott, der sich nicht so leicht aus den Kleidern schütteln läßt wie der aus dem katholischen Dunstkreis mitgebrachte Geruch von Weihrauch und den Pfefferminzbonbons des Beichtvaters.

Der 1961 in Glasgow geborene Alex Benzie erzählt das vermeintlich Bekannte neu. Mit seinem zweiten Buch löst er ein, was sein noch nicht ins Deutsche übertragener Debütroman "The Year's Midnight" vor fünf Jahren versprach: Die feste Stimme eines Erzählers ist hier zu hören, der in der gegenwärtigen englischsprachigen Literatur nicht seinesgleichen hat. Mit atemberaubender Präzision bildet Benzie Orte und Menschen ab, Gesichter, Gesten und Gerüche. Eine literarische Realität, in der dunkles poliertes Holz glänzt wie frischgebrühter Kaffee, in der ein Teller Lasagne so genau gezeichnet wird wie Catherines ständig wechselnde Gesichter aus Schminke und Puder. Von der zuweilen spröden Schönheit solcher Details geht in Irmela Erckenbrechts sorgfältiger Übersetzung nichts verloren.

In immer neuen Bildern erzählt Alex Benzie die Geschichte einer Frau, die sich dem Blick des Lesers mehr und mehr entzieht, je länger sie ihm ausgesetzt bleibt. Eben noch meinen wir seine Protagonistin ganz scharf zu sehen. Vor den Augen der verblüfften schottischen Verwandtschaft ihres Mannes verbrennt eine geradlinige, entschiedene Catherine O'Hara das geblümte Kleid, das sie bei ihrer Fahrt über die Irische See getragen hatte. Und das Korsett, das der ausgeglichene Francis in ihrer Hochzeitsnacht so vorsichtig aufhakte, ein zweiter Kokon der Verwandlung, des Übergangs in ein Leben ohne Angst vor Mißbrauch und der Gewalt des bigotten Vaters. Doch die Vergangenheit sitzt tief, läßt sich nicht einfach in dunkle Rauchschwaden auflösen. Als Francis an Krebs stirbt, rutscht Catherines selbstsichere Fassade in sich zusammen. Voller Angst, ihre eigene Familientragödie könne sich wiederholen, gibt sie die Verantwortung für ihren Sohn Cameron ab, getrieben von der "Angst, eines Tages gänzlich die Beherrschung zu verlieren und ihm wirklich weh zu tun".

Zum inneren Chaos kommt das äußere. Catherines Wohnung wird von einer Gang krimineller Jugendlicher verwüstet. Sie findet Zuflucht in einer skurrilen marxistischen Künstler-WG, verliebt sich in den Maler Peter, der in Pubs und an Werkstoren Motive für seine Spielart eines sozialistischen Realismus sucht. Als Catherines Leben sich endlich zu stabilisieren beginnt, kommt die Vergangenheit zurück. Peter mißbraucht sie für seine Kunst, malt sie nackt und verstümmelt nach heimlich gefertigten Skizzen. "Nicht nur, daß er sie geschändet hatte wie ihr Dad, obgleich sie ihm gesagt hatte, daß sie es nicht wollte, noch schlimmer war, was er aus ihr gemacht, wie er sie verstümmelt hatte, mit leeren, schwarzen Augenhöhlen, wie er ihr die Augen ausgestochen, sie blind zurückgelassen hatte, allein mit einem kleinen Rinnsal aus Blut, das an die roten Male unter der Dornenkrone erinnerte."

Zur Märtyrerin aber taugt Catherine nicht. Längst hat sie begonnen, sich ihre eigenen Bilder von der Welt zu machen. Dazu braucht es nicht viel: einen Schuhkarton, eine Schere, Klebeband und ein paar Bögen Fotopapier. Auch wer im Physikunterricht nur selten aufgepaßt hat, kann daraus eine einfache Lochbildkamera bauen. Catherines Camera obscura wird bei Benzie nicht nur zum Instrument rettender Reflexion der Realität und zum Medium der spielerischen Wiederannäherung an den kleinen Cameron. In einer unvermittelt surrealen Wendung des Romans wird die Lochbildkamera zur Mordwaffe, mit der Catherine Peter und ihren Vater auslöscht. Dieser harsche Bruch Benzies mit seinem zuvor stringent durchgeführten Realismus überrascht den Leser mit der Erkenntnis, daß auch der Autor die Camera obscura für sich entdeckt hat. Die präzisen Bilder, die er entwirft, sind nichts als Projektionen. Vom zunächst irritierenden Finale her entdecken wir, daß wir selbst über fast 500 wohlüberlegt konstruierte Seiten Zeugen einer zeitintensiven Direktbelichtung in Alex Benzies literarischer Camera obscura geworden sind.

Kein Wunder also, daß die Figur der Catherine O'Hara sich trotz ständiger Präsenz zunehmend verflüchtigte. In jedem Lexikon (und bei Benzie) läßt sich nachlesen, daß die Lochbildkamera für Aufnahmen von Menschen nicht geeignet sei, weil sie nicht lange genug still sitzen könnten - sie wären für den Karton nichts als flüchtige Geistererscheinungen. Die inneren Bewegungen der Personen verschwimmen, während Statisches durch die intensive Belichtung an Schärfe gewinnt.

Der fehlende Fokus, den man zunächst monieren mag, ist das ästhetische Prinzip des Romans. Und beileibe kein nur theoretisch reizvolles. Gewiß, Catherine O'Hara ist keine Paula Spencer, sie macht uns die Identifikation mit einem Opfer von Gewalt und Alkoholismus nicht so leicht wie Roddy Doyles "Frau, die durch Türen ging". Aber gerade dies, die Unvereinnahmbarkeit auch durch den Leser, prägt die Besonderheit dieser Figur, dieses Buches. Wie die Arbeit in der Dunkelkammer verlangt die Lektüre des "verbrannten Kleides", dessen Originaltitel "The Angle of Incidence" (Der Einfallswinkel) so viel treffender ist, Geduld und ungeteilte Aufmerksamkeit. Dann aber kommen unvergeßliche Bilder ans Licht.

ALEXANDRA KEMMERER

Alex Benzie: "Das verbrannte Kleid". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Irmela Erckenbrecht. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und München 2000. 479 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Thematisch gibt es nicht viel Neues in diesem Buch, merkt die Rezensentin Alexandra Kemmerer zunächst an. Was dann aber die Ausführung der Geschichte um die Protagonistin Catherine angeht, gerät sie ins Schwärmen. Die Prosa des Autors sei von "atemberaubender Präzision", er finde "immer neue Bilder" - und doch entziehe sich die Heldin letztlich dem festlegenden Blick des Lesers. Ihre Entdeckung der "Camera Obscura" als Möglichkeit, zur Welt auf reflektierende Distanz zu gehen, reflektiert, so Kemmerer, selbst noch einmal die Methode des Autors. Der ganze Roman sei eine einzige "zeitintensive Direktbelichtung", bei der die Kamera die viel zu flüchtigen Bewegungen der Menschen zu literarischen "Geistererscheinungen" werden lässt. Darin aber sieht die Rezensentin ein kluges ästhetisches Prinzip der "Unvereinnahmbarkeit" der Figuren durch den Leser. Wer die Geduld zur Lektüre aufbringt, könne "unvergessliche Bilder" genießen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine ganz eigene Stimme - ein Meister", (The Independent). "Ein brillanter neuer Star", (Mail on Sunday).