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Wem gehört der Holocaust?
Maurice Messer erkennt ein gutes Produkt, wenn es vor ihm steht - und seien wir doch mal ehrlich: Wann schlagen Spenderherzen höher als bei dem Wort "Holocaust"? Doch Maurice ist nicht der Einzige, der in den Geldtöpfen der Gedenkindustrie fischen will ...
Eine intelligente, beißende Satire über die Vermarktung menschlichen Leidens, zum Schreien komisch und zugleich erschreckend realistisch.
Die Christen sind die neuen Juden, findet Nechama, Enkeltochter des großen Maurice Messer, seines Zeichens Direktor des prestigeträchtigen US-amerikanischen Holocaust
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Produktbeschreibung
Wem gehört der Holocaust?

Maurice Messer erkennt ein gutes Produkt, wenn es vor ihm steht - und seien wir doch mal ehrlich: Wann schlagen Spenderherzen höher als bei dem Wort "Holocaust"? Doch Maurice ist nicht der Einzige, der in den Geldtöpfen der Gedenkindustrie fischen will ...

Eine intelligente, beißende Satire über die Vermarktung menschlichen Leidens, zum Schreien komisch und zugleich erschreckend realistisch.

Die Christen sind die neuen Juden, findet Nechama, Enkeltochter des großen Maurice Messer, seines Zeichens Direktor des prestigeträchtigen US-amerikanischen Holocaust Memorial Center. Und weil die Christen genauso wie die Juden ein Anrecht auf ihren eigenen Holocaust haben, beschließt Nechama, die Seiten zu wechseln. Als Schwester Consolatia zum Kreuze tritt sie in einen Karmelitinnen-Orden ein, dessen Kloster direkt neben dem Lager Auschwitz gelegen ist - ein gefundenes Fressen für die Medien: "Holocaust-Prinzessin gibt Juden den Laufpass!" Familie Messer ist ob der Schmach entsetzt ...

Herrlich provokativ und mit tief schwarzem Humor dringt Tova Reich mit ihrem satirischen Roman "Mein Holocaust" in ein Territorium vor, das bisher als unantastbar galt. Eine beeindruckend mutige und originelle Auseinandersetzung mit dem Gedenken an menschliche Gräueltaten, das zu einem Konkurrenzkampf um den Opferstatus zu verkommen droht.

Ein Roman, der provoziert, schockiert und oft auch amüsiert!

'Tova Reichs 'Mein Holocaust' ist ein grimmiges Werk voll satirischer Brillanz. Ich halte dieses Buch für einen der eindringlichsten politischen Romane des frühen 21. Jahrhunderts.' Cynthia Ozick

'Clever und von beißendem Witz, schockierend, geschmacklos und unangenehm... Die Chuzpe muss man erst einmal haben!' New York Times

'Subversiv, schmerzhaft, brillant, und, ja: sowohl aufschlussreich als auch zum Totlachen... Tova Reichs geschickte Provokation bringt einen dazu, sich selbst und unsere Welt in Frage zu stellen.' Los Angeles Times
Autorenporträt
Silvia Morawetz, geb. 1954 in Gera, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und ist die Übersetzerin von u.a. Janice Galloway, James Kelman, Hilary Mantel, Joyce Carol Oates und Anne Sexton. Sie erhielt Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, des Landes Baden-Württemberg und des Landes Niedersachsen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2009

Ein Klischee namens Messer
Skandalös: Tova Reichs Roman "Mein Holocaust"

Halten wir uns bei dem Versuch einer Würdigung des Buchs "Mein Holocaust" von Tova Reich zunächst an zwei unbestreitbare Fakten. Erstens: Es handelt sich um eine Art Roman nach dem satirisch-erzähltechnischen Schema der "grotesken Familiengeschichte". Die deutschsprachige Literatur kennt es aus Doderers "Die Merowinger", die amerikanische Populärkultur aus Comics wie der "Addams Family" und Klamaukfilmen à la "Meet the Fockers". Und zweitens: Tova Reichs Thema sind die Staatlichen Gedenkstätten Auschwitz sowie das United States Holocaust Memorial Museum in Washington.

Die groteske Familie heißt mit Nachnamen Messer. Ihr Oberhaupt Maurice ist ein jüdischer, ursprünglich polnischer Überlebender des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden Europas. Heute lebt er in Amerika und ist "Vorstandsvorsitzender" des Holocaust Memorial Museum. In dieser Position sowie mit Hilfe einer Firma namens "Holocaust Connections Inc." bereichert er sich finanziell, politisch und erotisch an der Erinnerung, öffentlichen Positionierung, museumspädagogischen Ästhetisierung und erinnerungspolitischen Instrumentalisierung des Jahrhundertverbrechens. Er ist ein Tycoon des in Amerika und anderswo angeblich existierenden ökonomisch-moralischen Komplexes, den Norman G. Finkelstein als die "Holocaust-Industrie" bezeichnet hat.

Maurice Messer manipuliert Politiker und reiche alte Frauen. Er erpresst Geldgeber und identitätspolitisch unzuverlässige Juden. Er münzt den Schrecken, die Schuldgefühle und das Wiedergutmachungsbedürfnis der ganzen Welt in Zahlungen an das Museum um, die indirekt ihm und seiner Familie zugutekommen. Er benachteiligt und diskriminiert einerseits nichtjüdische Opfergruppen, zum Beispiel die Polen. Andererseits betreibt er einen beliebigen und politisch indifferenten Opfer-Rummel, der zu einer Inflation des Begriffs "Holocaust" und letztlich zu einer Verharmlosung der historischen Ereignisse führt.

Wo man Tova Reichs Buch auch aufschlägt, begegnet man einem hochkomplexen Unvermögen: antisemitischen Klischees, trivialliterarischen Versatzstücken, sprachlicher Konfektion (die von der Übersetzung bedeutend verschlimmert worden ist), billigen Wortwitzen. Die kaum zu nennende, end- und hilflos in sich kreisende Handlung ist von Langweiligkeit und Voraussehbarkeit geprägt. Das ermüdend groteske Personal wird lieb- und planlos hin- und hergeschoben. Und vor allem sticht auf jeder Seite die vollkommene Haltlosigkeit der Anwürfe gegen das Washingtoner Holocaust-Museum und die Gedenkstätten von Auschwitz ins Auge.

Wir befinden uns hier am Tiefpunkt des literarischen und politischen Skandals, den dieses Buch darstellt. Man kann darüber diskutieren (und man hat darüber diskutiert), ob eine gewisse Sakralisierung der Opfer und ihres Schicksals, die man in der museumsästhetischen und pädagogischen Bearbeitung des nationalsozialistischen Völkermords beobachten kann, dem Andenken der Toten und der Mahnung der Lebenden wirklich immer gerecht wird. Aber was das Panstwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau in Oswiecim mit denkbar wenig Geld seit vielen Jahrzehnten tut, ist eine politisch-pädagogische Leistung von gesamteuropäischer Bedeutung. Und das Holocaust-Museum an der Mall in Washington ist eines der besten, differenziertesten, gründlichsten, zurückhaltendsten Geschichtsmuseen überhaupt. Übrigens war der Ehemann von Tova Reich eine Zeitlang sein Direktor, bevor er aufgrund von Unstimmigkeiten von seinem Posten zurücktrat.

Vielleicht ist das allseitige, politisch-moralisch-ästhetische Scheitern ihres Buchs das Ergebnis persönlicher Ranküne. Jedenfalls ist nicht viel zu retten für Tova Reich. Cynthia Ozick, die durchaus einen Ruf zu verlieren hat, vergleicht die Autorin von "Mein Holocaust" auf der Website von Harper Collins mit Jonathan Swift und George Orwell. Sie nennt das Buch "einen der eindringlichsten politischen Romane des frühen 21. Jahrhunderts". Man kann ihr beim besten Willen nicht zustimmen.

STEPHAN WACKWITZ

Tova Reich: "Mein Holocaust". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 232 S., geb., 21,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenn es so etwas wie eine Erklärung für das Scheitern dieses Romans auf ganzer Linie gibt, könnte es "persönliche Ranküne" sein, vermutet Stephan Wackwitz. Die aus Tova Reichs Familiengroteske abgefeuerten Breitseiten gegen das Washingtoner Holocaust Memorial Museum (für Wackwitz eines der "besten Geschichtsmuseen überhaupt"), meint er, könnten mit den Unstimmigkeiten und dem Rücktritt von Reichs Ehemann als Direktor des Museums zu tun haben. Das Buch wird dadurch auch nicht besser, wie der Rezensent unmissverständlich mitteilt. Wo immer er es aufschlägt: nichts als antisemitische Klischees, Trivialliterarisches, billiger Wortwitz, "ermüdend groteskes" Personal. Von der langweiligen und vorhersehbaren Handlung ganz abgesehen. Und die Anwürfe gegen das Holocaust-Museum? Ein Witz, meint Wackwitz. Für ihn ist das Buch auf ganzer Linie gescheitert. Politisch, moralisch, ästhetisch.

© Perlentaucher Medien GmbH