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Glückssache Gerechtigkeit Recht hält selten, was es verspricht. Es hängt von Menschen ab, und die können irren. Wie sehr und wie oft, erfuhr Rolf Lamprecht als SPIEGEL-Beobachter bei den obersten Gerichtshöfen. Er erzählt von Will kür, von Unrecht und von beherzten Klägern, die sich, von ihrem Rechtsempfinden getrieben, bis in die höchsten Instanzen kämpfen. Ein alter, aber unverändert gültiger Spruch sagt, jedermann sei vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand. Das Zitat erinnert an die irrationalen Kräfte, die dem Recht innewohnen an die Ähnlichkeit mit einem Glücksspiel. Allein dass es…mehr

Produktbeschreibung
Glückssache Gerechtigkeit Recht hält selten, was es verspricht. Es hängt von Menschen ab, und die können irren. Wie sehr und wie oft, erfuhr Rolf Lamprecht als SPIEGEL-Beobachter bei den obersten Gerichtshöfen. Er erzählt von Will kür, von Unrecht und von beherzten Klägern, die sich, von ihrem Rechtsempfinden getrieben, bis in die höchsten Instanzen kämpfen. Ein alter, aber unverändert gültiger Spruch sagt, jedermann sei vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand. Das Zitat erinnert an die irrationalen Kräfte, die dem Recht innewohnen an die Ähnlichkeit mit einem Glücksspiel. Allein dass es von Instanz zu Instanz oft völlig entgegengesetzte Meinungen gibt, zeugt von der Relativität des Rechts. Auch von Befangenheiten etwa der eines Familienrichters, dessen eigene Ehe mit einer Kampfscheidung endete. Ob es um Konflikte mit dem Staat oder um private Fehden, um Vaterschaftstests oder um Sterbehilfe geht Lamprecht lässt den Leser an der Herstellung von Recht teilhaben. Das ist das Besondere an diesem Buch: Es erklärt, weshalb Recht nur die Summe vieler Teilwahrheiten ist, wie es entsteht und wieder vergeht. Und es verrät, was Richter zu leisten vermögen und wo sie scheitern müssen. Von vermeintlichen oder tatsächlichen Ungerechtigkeiten der Rechtsprechung sind viele betroffen Der Vorgang der Rechtsprechung wird für Laien fassbar Zeigt die Abhängigkeit der Rechtsprechung von subjektiven Einflüssen Beispielhafte Fälle aus allen Lebensbereichen
Autorenporträt
Rolf Lamprecht, geboren 1930, schrieb seine Doktorarbeit über das Bundesverfassungsgericht. Von 1968 bis 1998 war er Korrespondent des SPIEGEL bei den obersten Gerichtshöfen. Er gehörte zu den Mitbegründern der Justizpressekonferenz, deren Vorsitzender er viele Jahre lang war. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu rechtspolitischen Themen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2008

Auf Gedeih und Verderb
Die falschen Idealvorstellungen von Gerechtigkeit
Was gestern Recht war, kann heute nicht Unrecht sein”, rechtfertigte sich der furchtbare Jurist Hans Filbinger, als man ihm die von ihm in den letzten Wochen der Nazidiktatur unterzeichneten Todesurteile gegen Deserteure vorwarf. Aber da lag er falsch, wie jeder weiß. Was gestern Recht war, kann ganz leicht heute Unrecht sein. Es kann auch sein, dass in Niedersachsen Recht ist, was in Bayern Unrecht ist. Es kann am Landgericht Heilbronn Recht sein, was am Landgericht Stuttgart Unrecht ist, oder es kann am Landgericht Kassel Recht sein, was am Bundesgerichtshof in Karlsruhe Unrecht ist, und manchmal wird, was am Bundesgerichtshof Unrecht war, vom Bundesverfassungsgericht wieder für Recht erklärt.
Trotzdem bilden sich die Juristen, sie seien allzeit in der Lage, nach rationalen, objektiven Kriterien, nur dem Gesetz verpflichtet, „Recht zu sprechen”. Aber: „Recht ist eine relative Angelegenheit, mehr von subjektiven als von objektiven Impulsen gesteuert, nicht nur gefühls- und personenabhängig, sondern auch zeit- und situationsgebunden.” Der das schreibt, ist kein Verschwörungstheoretiker, sondern einer der kenntnisreichsten Beobachter der bundesdeutschen Justiz.
Rolf Lamprecht, Jahrgang 1930, hat 30 Jahre lang für den Spiegel in Karlsruhe die Tätigkeit der höchsten deutschen Gerichte beobachtet. Sein Fazit: Was wir Recht nennen, ist kein in lichten Höhen über den Niederungen menschlicher Unzulänglichkeit schwebendes, quasi göttliches Konstrukt, das jedermann ohne Ansehen der Person Gerechtigkeit verspricht, sondern ein geschmeidiges, anpassungsfähiges Instrument der jeweils herrschenden Ideologie, mit dem sich alles und von allem das Gegenteil begründen lässt. „Richter gehorchen dem Zeitgeist”, stellt Lamprecht knapp fest, und er belegt das mit einer solchen Fülle von Fallbeispielen, dass einem Angst werden kann bei der Vorstellung, man wäre selbst einmal auf Gedeih und Verderb solcher Beliebigkeit (mit Sorgfalt vermeidet er das Wort Willkür) ausgeliefert.
Da ist der Fall der Irene H., die nach einer Scheidung Anspruch auf die Hälfte des gemeinsam erworbenen Hauses hat. Bei der Zwangsversteigerung bekommt der Ex-Ehemann den Zuschlag – für lächerliche 2000 Mark. Statt der erhofften 62 000 bekommt die schockierte Frau nach Abzug aller Unkosten ganze 150 Mark. Und alles ist nach dem Buchstaben des Gesetzes korrekt gelaufen. Drei Gerichte wiesen die Klage der betrogenen Frau ab; erst das Bundesverfassungsgericht rückte die aberwitzige Entscheidung zurecht. Oder die Geschichte vom Kampf der Witwe Irina Z. um ihre Reputation: Ein Passbeamter hatte zehn Jahre nach dem Tod des Ehemannes entdeckt, dass auf der Eheurkunde ein Stempel fehle. 25 Jahre war Irina Z. verheiratet – nun sollte sie als ledig, ihre Kinder als unehelich gelten. Diesen Fall, vermerkt Lamprecht mit Wohlwollen, löste ein Gericht mit einem Urteil, das bewies, „dass die Zunft, wenn sie will, auch liebenswerte Phantasie entwickeln kann”.
Sein schönstes Exempel für die Beliebigkeit des Rechts fand der Autor in zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1981, in denen die Richter darüber zu befinden hatten, was „Gewalt” sei und was nicht: Ein Handwerksmeister war mit einem weiblichen Lehrling in den Wald gefahren und hatte so dicht neben einem Baum geparkt, dass sich die Beifahrertür nicht öffnen ließ. Dann hatte er das Mädchen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Die Richter sahen den Tatbestand der Vergewaltigung nicht erfüllt: „Nicht in jeglichem Einschließen (. . .) einer Frau in der Absicht, mit ihr geschlechtlich zu verkehren, liegt bereits Anwendung von Gewalt” – auch nicht im „Fahren zu einer abgelegenen Stelle, an der die mitgeführte Frau Hilfe nicht erwarten kann”. Drei Monate später befanden dieselben Richter, Studenten machten sich strafbar, wenn sie durch Geschrei oder „Absingen von Liedern” den Abbruch einer Lehrveranstaltung erzwängen. Auch „Entfaltung von Lärm oder verbale Einwirkungen” könnten den Straftatbestand der gewaltsamen Nötigung erfüllen. „Der entsetzte Zeitgenosse”, warnt Lamprecht gleichwohl, „muss aufpassen, dass er nicht zum Opfer irriger Idealvorstellungen wird. Abwegige Urteile können ihn eigentlich nur dann schockieren, wenn er glaubt, dass Richter weiser und klüger sind als der Rest der Welt.” Wer Lamprechts Buch gelesen hat, glaubt das bestimmt nicht mehr. HANS HOLZHAIDER
ROLF LAMPRECHT: Die Lebenslüge der Juristen. Warum Recht nicht gerecht ist. Deutsche Verlagsanstalt, München 2008. 271 Seiten, 19,95 Euro.
Die Juristen hat der Karikaturist Honoré Daumier bloßgestellt. Hier sagt der Anwalt zu seiner Klientin: „Sie haben Ihren Prozess verloren . . . aber es muss Ihnen doch Freude gemacht haben, mein Plädoyer zu hören.”
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Erhellend scheint Rezensent Hans Holzhaider dieses Buch über die "Lebenslüge der Juristen" von Rolf Lamprecht, der 30 Jahre lang für den "Spiegel" die Tätigkeit der höchsten deutschen Gerichte beobachtet hat. Er attestiert dem Autor, recht deutlich vor Augen zu führen, wie wenig die Rechtsprechung mit den Idealvorstellungen, die darüber kursieren, gemein hat. Holzhaider zeigt für ihn an einer Reihe von konkreten Fällen, dass Juristen keineswegs nur nach rationalen, objektiven Kriterien, dem Gesetz verpflichtet urteilten. Vielmehr seien sie abhängig von subjektiven, emotionalen Impulsen, von der jeweiligen Situation und vom Zeitgeist. Eines ist für Holzhaider jedenfalls klar: Wer das Buch gelesen hat, wird nicht mehr glauben, dass Richter "weiser" und "klüger" sind als der Rest der Welt.

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