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Eine besondere Liebesbeziehung
"Nichts, was tragisch wäre" erzählt die kurze Geschichte einer kleinen Revolte. Eine Autorin steht kurz vor der Fertigstellung ihres Romans, als sie feststellt, dass ihr die Lieblingsfigur abhanden gekommen ist. Diese sträubt sich, beschrieben zu werden; sie fordert eine andere Geschichte, die ihr die Autorin jedoch nicht schreiben möchte. Es entwickelt sich eine spannende Beziehung zwischen den beiden.Wieder hören wir den Ton von Heike Geißlers Roman Rosa, über den Ijoma Mangold in der "Süddeutschen Zeitung" schrieb: "Heike Geißler hat für die Geschichte der…mehr

Produktbeschreibung
Eine besondere Liebesbeziehung

"Nichts, was tragisch wäre" erzählt die kurze Geschichte einer kleinen Revolte. Eine Autorin steht kurz vor der Fertigstellung ihres Romans, als sie feststellt, dass ihr die Lieblingsfigur abhanden gekommen ist. Diese sträubt sich, beschrieben zu werden; sie fordert eine andere Geschichte, die ihr die Autorin jedoch nicht schreiben möchte. Es entwickelt sich eine spannende Beziehung zwischen den beiden.Wieder hören wir den Ton von Heike Geißlers Roman Rosa, über den Ijoma Mangold in der "Süddeutschen Zeitung" schrieb: "Heike Geißler hat für die Geschichte der unglücklichen Rosa einen Ton gefunden, der so beherrscht und so manisch zugleich ist, dass eine atemlose Dramaturgie den Leser im Tempo von Rosas gehetzter Flucht von Seite zu Seite weitereilen lässt."
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2007

Ungelebt
Der Fluch der Schreibschulen: Heike Geißlers neue Prosa

Nach dem Achtungserfolg ihres Debüts mit dem Prosaband "Rose"(2002), dem gleich mehrfach eine "atemlose Dramaturgie" bescheinigt wurde, mag sich der Leser auch vom zweiten Buch eine "atemlose" Lektüre erhofft haben. Aber die 1977 in Riesa geborene Autorin hat sich Zeit für eine Erzählprosa genommen, deren Titel "Nichts, was tragisch wäre" falschen Erwartungen gleich vorbeugt. Hier wird nicht eine in sich zusammenhängende Romanfabel erzählt, hier wird vom Scheitern eines Projekts berichtet. Das Geschöpf der Autorin, ihre "Lieblingsfigur", verweigert schließlich die Annahme ihrer Rolle und revoltiert gegen ihre Schöpferin. Am Ende geht für die finalsüchtigen Leser die Erzählung aus wie das Hornberger Schießen: "Ich, die ich die Dinge in Folge reihte, weiß nicht genau, wann alles anfing. Es lag und liegt ja stets ein Anfang in der Luft."

Der Konflikt zwischen Figur und Autorin, der sich in vielen, manchmal auch banalen Situationen entwickelt, ist eingebettet in poetologische Überlegungen: Wäre eine verworfene Version der Geschichte nicht doch die bessere gewesen? Drängen sich die Figuren dem Autor auf, oder ist jede Figur erdacht? Entfalten Unwägbarkeiten im Erzählverlauf ihr Eigenleben? Verselbständigt sich eine Figur, emanzipiert sie sich vom Gängelband des Autors?

Derlei reiht sich ein in eine würdige Tradition der Selbstreflexion von Kunst: Im Anspruch auf Wahrheit tarnt sich der Hinweis auf die Fiktion des Erzählten; gegen die Berufung auf Inspiration stellt sich das nüchterne Bekenntnis des Handwerklich-Artistischen im "Laboratorium der Worte"; der Autor drängt sich als Figur in sein Werk; das Erdichtete tritt handelnd ins Leben, das seinerseits Fiktion ist. In der Romantik feiert das Spiel der Kunst mit sich selbst seine Triumphe. Wie auf einer tief gestaffelten Kulissenbühne schraubt sich eine Fiktionsebene in die andere. Solche Flickflacks können von großem ästhetischen Reiz sein, aber sie ermüden, wenn Einfälle totgeritten werden. Die Erkenntnis bleibt dem Leser von Heike Geißlers neuer Prosa nicht erspart. Exzentrische dichterische Selbstbespiegelung kann auf eine Störung im Verhältnis zur Lebenspraxis deuten, auf einen Erfahrungsmangel.

"Es ist, als hätte ich noch kein bisschen gelebt": Sollte sich hier ein Dilemma vieler junger Schriftsteller verraten? Kein Ressentiment bitte gegen den Beruf des freien Schriftstellers, obwohl unter den bedeutenden Autoren nicht wenige ihre Lebenserfahrungen und ihre schriftstellerischen Anregungen ihrem Beruf verdanken, etwa dem juristischen oder medizinischen. Wir haben heute ein Netz von Institutionen und Stiftungen, das junge Schreibbegabte auffängt und in Obhut nimmt. Sie werden von Schreibwerkstatt zu Schreibwerkstatt weitergereicht, von Stipendium zu Stipendium; und schon warten auf sie öffentliche Ehrungen. Nie zuvor war das Feld der Literatur so reich übersät mit Schreibschülern, Stipendiaten, Literaturpreisträgern und Stadtschreibern.

Doch die Schreibschule kann nicht die Lebensschule ersetzen. Wer sich zu früh an seinen Schreibtisch klammert, versäumt Erfahrungen. Man hat schon Ingeborg-Bachmann-Preisträger wieder in der Versenkung verschwinden sehen, und wie viele junge Talente stranden noch vor oder gleich nach dem ersten Buch. Auf die Schreibeuphorie folgen die -hemmungen, das Werk will sich nicht runden, der Autor hadert mit der eigenen Phantasie. Doch auch darüber noch lässt sich schreiben. Insofern trifft Heike Geißlers zweiter Prosaband einen neuralgischen Punkt so mancher zu Talenten ausgerufener junger Schriftsteller.

WALTER HINCK

Heike Geißler: "Nichts, was tragisch wäre". Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 128 S., br., 16,- [Euro]

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.09.2007

Verschwör’ Dich gegen Dich selbst
Heike Geißlers „Nichts, was tragisch wäre” überspringt die Zweitbuch-Falle mit einer beschriebenen Schreibblockade
Etikettenschwindel ist in der Literatur so gängig wie in anderen Branchen auch, und der Roman ist dabei so etwas wie das Gucci des Verlagswesens: das beliebteste und damit meistkopierte Label, das Qualität und eine runde, propere Geschichte verspricht. Bei Heike Geißlers „Nichts, was tragisch wäre” hat der Verlag aber klugerweise auf das Etikett verzichtet. Es steht einfach keine Gattungsbezeichnung unterm Titel, denn man hätte sich eine neue ausdenken müssen: Nichtroman? Antigeschichte? Metablockade? Eine junge Schriftstellerin quält sich mit dem Ende einer Geschichte, die sie schon lange mit sich herumträgt. Sie verlässt die Stadt, mietet sich einen Bungalow im Grünen, um dort in Ruhe herauszufinden, welchen Verlauf die – eher unglückliche – Liebe im Text nehmen soll. Dann aber wird ihre Heldin lebendig, steht mit einem Pferd im Garten und wehrt sich gegen das, was die Autorin ihr andichten will. Sie sei ein Cowgirl, und mit Beziehungskram habe sie nichts zu schaffen. Nach wenigen Tagen reist die Autorin ab, wirft ihre Papierstapel in die Tonne und scheint langsam zu einem neuen Anfang zu kommen, bei dem die Stadt Halle eine Schlüsselrolle spielt. Gleichzeitig wird aber noch ein anderes Geschichtsfragment erzählt: Eine junge Schriftstellerin steht auf dem Dach eines Hochhauses in Halle und trägt ein pompöses Kleid, das sie sich nach dem Vorbild der Schauspielerin Dorothy Hale hat schneidern lassen. Die wiederum wurde durch ein Bild von Frieda Kahlo bekannt, auf dem sie in ihrem divenhaften Abendkleid vom Dach eines Hochhauses springt. Mehr Stoff gibt es nicht, und nicht nur deshalb muss man Geduld haben mit diesem Buch: Die Leiden der jungen Schriftstellerin sind anfangs auch für den Leser schwer zu ertragen, und nach einigem Papierhinundhergeräume und Rumgedruckse dieser Blockadekünstlerin möchte man die Geschichte am liebsten aus ihr herausschütteln. Sobald man aber eingesehen hat, dass da nichts mehr kommt, kann man sich ganz auf die Loops konzentrieren, die der Text mit dem Nicht-Schreiben-Können vollführt.
Mindestens drei Figuren sind es, die sich in poetologisch und philosophisch ergiebigen Verweigerungshaltungen üben: Da ist zum einen die „Lieblingsfigur”, die Dame, die so forciert märchenhaft auf ihrem Schimmel daherprescht, dass man zuerst einen leichten Pferdeposter-Grusel verspürt. Der Kitsch ist aber ebenso einkalkuliert wie die Ironie. Das Pferd, sagt die Schriftstellerin zur Lieblingsfigur, habe sie schon längst aus der Geschichte gestrichen. Diese Schriftstellerin heißt „Die, um die es geht” und wird wiederum – dritte Figur – von einem „Ich, die ich die Dinge in Folge reihe” beobachtet. Das Problem besteht darin, wie sich Leben und Literatur zueinander verhalten – und wie die Subjekt-Eigentumsverhältnisse zwischen den unterschiedlichen Ichs geregelt sind: „Eventuell, sagte sie und stieg aus der Wanne, habe ich recht unentschieden gelebt, weil ich mein Leben der Figur übergab. Ich müsste also herausfinden, was mein Leben ist”, berichtet die Chronistin von derjenigen, um die es geht.
Die schärfste Geißel ist Talent
Man kann sich als Fortsetzung dieser dreifachen Ich-Spiegelung auch noch eine Autorin namens Heike Geißler denken, die vor einigen Jahren einen Debütroman mit dem Titel „Rosa” veröffentlicht hat, der ebenfalls von einem radikalen Rückzug handelte. Möglicherweise, ließe sich spekulieren, trägt eine junge Schriftstellerin, geboren 1977 in Riesa und Gewinnerin des Alfred-Döblin-Förderpreises, durchaus schwer an der Bürde, irgendwann einen zweiten Roman veröffentlichen zu müssen – den Kritiker und Publikum in der Regel weniger fulminant als den ersten finden. Letztlich sucht das Buch im doppelten Sinne nach einer Art Schreibökonomie: Von irgendwas müssen Autoren leben, wenn das letzte Stipendium aufgebraucht ist – „mit der unfertigen Geschichte war kein Einkommen zu gestalten”, sorgt sich die Schriftstellerin –, so dass man also haushalten muss mit den Ideen. Neu ist der Gedanke, den eigenen Writer’s Block zum Thema des Schreibens zu machen, natürlich nicht. Dass Figuren lebendig werden, dass dem Autor der Text über den Kopf wächst, steht in einer langen künstlerischen Tradition: von Thomas Manns „Schwere Stunde”, in dem Schiller sich das Ende des „Wallenstein” abquält – „den Größten, den Ungenügsamsten ist ihr Talent die schärfste Geißel”, heißt es dort –, bis zu den lustigeren Film-Varianten wie „Barton Fink” und „Deconstructing Harry”.
Mit Tragödien und divenhafter Leidens-Gestik kann „Nichts, was tragisch wäre” erklärtermaßen nichts anfangen, denn Verklärungen und Hysterie seien die Utensilien anderer Jahrhunderte, meinen die selbstreflexiven Schriftstellerinnen. Aber auch die komischen Meta-Ebenen sind diesem Ich-Trio nicht vergönnt, denn immerhin steht mindestens eine von ihnen auf einem Hochhausdach und bringt dabei suizidale Künstler ins Spiel: neben Dorothy Hale den Singer-Songwriter Eliott Smith (dessen bestes Plattencover zwei von einem Hochhaus segelnde Gestalten ziert). Dieses Kreisen um eine angemessene, nicht-tragische Haltung wird vor allem in der Sprache vollzogen: Heike Geißler schlägt einen verträumten, manchmal altertümelnden Ton voller „Potzblitz” und „Du meine Güte” an, was wohl an den ebenfalls durch den Text geisternden Karl Philipp Moritz erinnern soll. Doch die vermeintliche Naivität und Einfältigkeit dieser Redeweise ist Teil eines Programms, an dessen Ende die Figuren umso härter wieder auf dem Boden der Tatsachen in Halle landen.
Bei all den kunstvollen Meta-Schleifen bleibt trotzdem der Eindruck, um die eigentliche Geschichte geprellt worden zu sein. Heike Geißlers erster Roman „Rosa” über eine junge Frau, die ihr Kind verlässt, war fulminanter als diese selbstreflexive Nichtgeschichte. Sie passt zur musikalischen Kapitulationserklärung dieses Sommers: Nicht nur die Band Tocotronic hat mit ihrem Album „Kapitulation” den Rausch des Negativen entdeckt. Man kann das Prinzip Verneinung auch literarisch ökonomisieren, das beweist Heike Geißlers zweites Buch auf ebenso verspielte wie verstiegene Weise. Und wer sich so hartnäckig gegen sich selbst verschwört, wird als nächstes vielleicht eine Trumpfgeschichte aus dem Ärmel schütteln. JUTTA PERSON
HEIKE GEISSLER: Nichts, was tragisch wäre. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007. 127 Seiten, 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Walter Hinck betont, dass von Heike Geißlers jüngstem Prosaband weder die gleiche "atemlose Dramaturgie", die ihrem Debüt bescheinigt worden ist, noch ein geschlossenes Romangefüge erwartet werden darf. Vielmehr ist darin die Rede von einem missglückenden Romanprojekt, Auseinandersetzungen zwischen Figur und Autorin, es werden poetologische Überlegungen angestellt und verschiedene Versionen des Erzählten gegeneinander gestellt, erklärt der Rezensent. Die selbstreflexiven Spiele der Autorin gehören nicht nur seit der Romantik zum Repertoire der Schriftsteller, sie können auch trotz durchaus reizvoller ästhetischer Effekte auf Dauer anstrengen und im schlimmsten Fall sich als schlichter "Erfahrungsmangel" entpuppen, gibt der Rezensent zu bedenken. Diese Gefahr sieht er gerade bei der durch Stipendien und Stattschreiberposten über Wasser gehaltenen jungen Autorengeneration gegeben, weshalb er dem Band von Geißler dann doch attestieren will, einen "neuralgischen Punkt" zu treffen.

© Perlentaucher Medien GmbH