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Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steht im Mittelpunkt dieses Romans. Johannas Familie gehört das traditionsreiche Modehaus Riemenschneider. Angeblich hat es ihr Großvater gegründet. Doch als Johanna mit einer Schülergruppe nach Israel fährt, trifft sie Frau Levin, deren Familie das Modehaus ursprünglich gehörte. Es stellt sich heraus, dass der Großvater das Geschäft Im Zuge der Arisierung während des Dritten Reichs übernommen hat. Johanna ist verunsichert. Gründet der Wohlstand ihrer Familie auf Unrecht? Johanna will mehr über die Hintergründe der Firmengeschichte erfahren.…mehr

Produktbeschreibung
Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus steht im Mittelpunkt dieses Romans. Johannas Familie gehört das traditionsreiche Modehaus Riemenschneider. Angeblich hat es ihr Großvater gegründet. Doch als Johanna mit einer Schülergruppe nach Israel fährt, trifft sie Frau Levin, deren Familie das Modehaus ursprünglich gehörte. Es stellt sich heraus, dass der Großvater das Geschäft Im Zuge der Arisierung während des Dritten Reichs übernommen hat. Johanna ist verunsichert. Gründet der Wohlstand ihrer Familie auf Unrecht? Johanna will mehr über die Hintergründe der Firmengeschichte erfahren. Aber sie fühlt sich hin und hergerissen zwischen ihrer Wahrheitsliebe und dem Bedürfnis, keine schlafenden Hunde zu wecken ...
Autorenporträt
Mirjam Pressler wurde 1940 in Darmstadt geboren - ein uneheliches Kind jüdischer Abstammung, das bei Pflegeeltern aufwuchs. In Frankfurt besuchte sie die Hochschule für Bildende Künste. Sie hat drei inzwischen erwachsene Töchter und fünf Enkelkinder. Die Liste der Berufe, die sie ausgeübt hat, ist lang. Ihre ersten Bücher schrieb sie nachts, neben Beruf, Familie und Haushalt.
Gleich für ihre ersten Roman bekam sie den Oldenburger Jugendbuchpreis. Seit vielen Jahren schreibt sie hauptberuflich für und über Kinder und ihre Probleme. Für ihre eigenen Bücher und die Übersetzungen aus dem Hebräischen und dem niederländisch-flämischen Sprachraum hat Mirjam Pressler viele Preise und Auszeichnungen erhalten, 1998 wurde sie mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille für Verdienste um die deutsche Sprache und 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis für ihr literarisches Lebenswerk. 2013 erhielt sie die Buber-Rosenzweig-Medaille.
Mirjam Pressler lebt in der Nähe von München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2003

Auf der Suche nach einer längst vergangenen Zeit
Wie ein junges Mädchen damit lebt, dass seine Eltern und Großeltern eine unangenehme Wahrheit verdrängen wollen
MIRJAM PRESSLER: Die Zeit der schlafenden Hunde. Beltz & Gelberg, Weinheim 2003. 270 Seiten, 14,90 Euro.
Kann man sich mit Geld von Schuld freikaufen? Und ist Schuld vererbbar? Würde es also Johannas Gewissen erleichtern, wenn sie das Geld, das sie von ihrem verstorbenen Großvater geerbt hat, an ihre jüdischen Bekannten in Israel weitergibt? Denen nämlich hatte der Großvater vor siebzig Jahren für ein paar lumpige Reichsmark ihr Modehaus abgekauft. „Arisierung” nannte man das damals, und der Nazi-Staat verdiente so kräftig mit an den Geschäftsübergaben, dass selbst einst so florierendes Unternehmen wie „Heiman & Compagnie” für einen Bruchteil seines Wertes verscherbelt wurde und die jüdischen Besitzer dankbar sein mussten, wenn sie einige Mark aus dem unfreiwilligen Verkauf mitnehmen konnten auf der Flucht ins Exil.
„Heiman & Compagnie” heißt jetzt „Modehaus Riemschneider”, und Johannas Eltern sind ebenso stolz auf die gut gehende Firma, wie es der Großvater war. Die älteren Bewohner der Kleinstadt, in der die Geschichte „Die Zeit der schlafenden Hunde” von Mirjam Pressler spielt, erinnern sich noch daran, dass die Geschäftsübergabe während des Dritten Reichs nicht ohne Hautgout war, aber dran rühren mag niemand mehr – schließlich sind Opa Riemschneider und seine Familie Stützen der Gesellschaft.
Dann aber fährt Enkelin Johanna eines Tages kurz vor dem Abitur auf Klassenfahrt nach Jerusalem, um dort für ein Gemeinschaftskundeprojekt nach ehemaligen Mitbürgern zu suchen, die vor den Nazis geflohen waren – und erfährt zum ersten Mal, wie ihre Familie wirklich zu Geschäft und Reichtum gekommen ist. Nichts ist danach noch, wie es war, weder Johannas Liebesbeziehung zu ihrem Klassenkameraden Daniel, noch die Beziehung zu ihren Eltern.
Mirjam Pressler, deren Kinder- und Jugendbücher mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden und die sich immer wieder mit dem Thema Juden in Deutschland befasst hat (zum Beispiel in einer glänzenden Anne-Frank-Biografie), hat sich diesmal einem schwierigen Projekt genähert: Sie erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die durch die Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte erwachsen wird. Nazi-Deutschland und die Arisierung der Wirtschaft sind dabei gleichzeitig Hintergrund und Haupt-Thema. Denn vor allem befasst sich Mirjam Pressler mit den Seelenqualen des Mädchens selbst und versucht zu ergründen, wie weit man sich von seiner Familie lossagen kann, ohne seine Identität zu verlieren, und was es bedeutet, Menschen zu verachten, die man doch liebt.
Diese Pubertätsprobleme werden begleitet von einer Debatte über Schuld und Sühne, die sich im Kopf von Johanna abspielt: Durfte der Großvater tun, was er tat, weil es alle taten? Hätte ihr Vater viel früher mit der Aufarbeitung der Familiengeschichte anfangen müssen? Und wie soll sie mit der alten Frau Levin in Israel umgehen, deren Vertreibung sie ihren Wohlstand zu verdanken hat? Kann es Wiedergutmachung geben und muss sie sich bei Frau Levin entschuldigen, obwohl sie doch nur die Enkelin ihres Großvaters ist und mit besten Absichten nach Israel reist?
Obwohl all das klingt wie ein riesiger Berg unlösbarer Probleme, hat Mirjam Pressler es mit ihrem unprätentiösen, leisen und unaufgeregten Jugendbuch vermocht, einen Entwicklungsroman zu schreiben, der auch junge Leser nicht überfordert. In einem Gespräch mit ihrer Lehrerin geht Johanna all den Fragen nach, die sie beschäftigen – und mit Johanna erfährt so auch der jugendliche Leser, wie es denn damals genau war, als ihr Großvater ein junger Mann war. Auch die hochpolitische Diskussion über Täter, Mitläufer und Widerstand, welche die 68er stellvertretend für mehrere Generationen nach dem Krieg geführt haben, wird in diesem Buch auf kleiner, privater Ebene nachvollzogen. Eine Antwort darauf, was richtig und was falsch war, findet Johanna dabei nicht.
Mit ihrem Freund Daniel macht sie eine schwere Zeit durch, denn er versteht nicht, warum sie sich so zurückzieht, und sie vermag ihm nicht zu gestehen, warum sie in Israel mit dem Enkel von Frau Levin, mit dem Medizinstudenten Doron, geschlafen hat. Zumal Doron sie scheinbar hasst und ihr ins Gesicht sagt, er werde das Land der Nazis nie betreten. Ist der Akt nur sein Versuch einer Demütigung der jungen Deutschen? Und lässt sie alles mit sich geschehen, weil das ihre Form der Unterwerfung, der Bitte um Verzeihung ist? Johanna weiß keine Antwort und findet doch, sie habe nichts Falsches getan.
Der Besuch in Israel weckt schlafende Hunde in der Familie Riemschneider und führt zu einer Entfremdung zwischen Kindern und Eltern einerseits, zu einer Annäherung zwischen Johanna und ihrem Bruder andererseits. Beide leiden seit Jahren darunter, dass die Eltern immer nur Zeit für das Geschäft haben. Die große Schwester ist es, die mit zum
Fußballspiel des kleinen Bruders fährt, die mit ihm lernt, und die ihn tröstet, wenn er einsam ist. Vor allem ihr Vater hat das nie gelernt, vielleicht auch, weil sich Großmutter Riemschneider umbrachte, als ihr Sohn noch ein kleiner Junge war. Aus Scham? Johanna recherchiert, und findet wieder keine eindeutige Antwort.
Die Zeit der schlafenden Hunde ist ein vielschichtiges, kompliziertes Buch. Und gleichzeitig ganz einfach, denn soviel ist klar: Es gibt keine eindeutigen Antworten auf die Fragen des Lebens.
CATHRIN KAHLWEIT
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2003

Was tun mit Opas Beute?
Mirjam Pressler lüftet die Decke

So also sieht es in achtzehnjährigen Köpfen aus: "Ich muß einen Schlußstrich ziehen", grübelt es da, "ich muß wieder das unbekümmerte Mädchen werden, das ich bis zu jenen Tagen Ende April gewesen bin." Und weil die Abiturientin Johanna offenbar nur in gestelzten Formeln denken kann, will sie auch versuchen, "die Freude wiederzufinden, das Vergnügen an der Bewegung, an der Leichtigkeit, an selbstverständlichen Dingen". Während man sich noch fragt, ob man wirklich ein Jugendbuch aufgeschlagen hat oder den Lebensratgeberteil einer Illustrierten, weiß Johanna weiter, daß all dies Verlorene, das sie so klar benennt, immer noch "ein Teil von mir" ist, "das verliert man nicht einfach, es ist nur überlagert von dem, was eine alte Frau gesagt hat".

Die nämlich hat Johanna damit konfrontiert, daß Johannas Großvater in der Nazizeit an geraubtem jüdischen Besitz profitierte. Jetzt ist er gestorben, Johanna erbt eine Menge Geld und versucht, mehr über die Schuld ihres Großvaters herauszufinden und zu entscheiden, was sie mit dem Erbe anfangen soll.

Natürlich ist das ein guter Stoff für einen Roman, und Mirjam Pressler, die einen Roman daraus gemacht hat, gibt sich auch redlich Mühe, dem Thema gerecht zu werden. Sie zeigt die Kraft, die es Johanna kostet, an das begangene Unrecht zu erinnern, auch auf Kosten des Familienfriedens, sie läßt das Mädchen zweifeln, ob die Aufdeckung der Wahrheit diesen Preis wert ist, und umgibt es mit einer Reihe von Figuren, die Johanna sanft in Richtung dieser Enthüllung stupsen oder sich dagegen wehren. Doch weil von Anfang an klar ist, was Johanna zu tun hat und was sie schließlich auch tut, weil die Autorin eine ganze Reihe von Hinweisschildern aufstellt, um zu verdeutlichen, daß man eben nicht alles unter der Decke halten kann, weil sich drittens keine der Figuren von der ihr erkennbar zugedachten Rolle zu lösen vermag, wirkt dieses Buch auf quälende Weise wie geradewegs für den gymnasialen Lehrplan geschrieben.

Beim Aufwachen, im ersten Kapitel, hatte sich Johanna noch vorgenommen, "ein eigenständiger Mensch" zu sein, "nicht nur die Enkelin". Schwerer wiegt, daß sie in ihrem Reden und Denken so ganz und gar die Kopfgeburt ihrer Autorin ist und dies auch erkennen läßt, daß ihr also jenes Stückchen Eigenständigkeit versagt bleibt, das literarischen Gestalten Wahrscheinlichkeit in den Augen des Lesers verschafft. Das Anliegen, an einer beispielhaften Geschichte die Frage des Umgangs mit "arisiertem" jüdischen Eigentum zu diskutieren, steht dem Roman so offensichtlich auf der Stirn geschrieben, daß er genau deshalb als Roman scheitern muß. Ihm bliebe, gäbe es das schon, nur das Prüfstellen-Prädikat "bemüht wertvoll".

TILMAN SPRECKELSEN

Mirjam Pressler: "Die Zeit der schlafenden Hunde". Beltz & Gelberg, Weinheim 2003. 272 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Überzeugt ist die Rezensentin Cathrin Kahlweit von Mirjam Presslers Jugendroman über eine junge Frau, die mit ihrer Familie in Konflikt gerät, nachdem sie während einer Israelreise mit dem dubiosen Verhalten ihres Großvaters während der Arisierungsphase im NS-Staat konfrontiert wird.. Ein "vielschichtiges, kompliziertes Buch" habe die Autorin da vorgelegt, welches aber "gleichzeitig ganz einfach" sei, meint die Rezensentin. "Unprätentiös, leise und unaufgeregt" käme dieser "Entwicklungsroman" daher, der trotz des schweren Themas eine durchaus verdauliche Kost für ein jugendliches Publikum darstelle.

© Perlentaucher Medien GmbH