Produktdetails
  • Verlag: Beltz
  • Seitenzahl: 322
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 510g
  • ISBN-13: 9783407808912
  • ISBN-10: 3407808917
  • Artikelnr.: 10321685
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2002

Spinnenfrau
Mirjam Pressler lernt das
Aktzeichnen bei Modigliani
Eine „Spinnenfrau im Nacken”, so kommt Isabel die Mutter vor, wenn sie sich an die Zeit vor fünf Jahren erinnert. Damals, sie selbst war 17 Jahre alt, erkrankte die Mutter an Krebs und für die Tochter, Ich- Erzählerin in Mirjam Presslers neuem Roman „Für Isabel war es Liebe”, begannen sich die Gefühle für sie in ein unentwirrbares Knäuel aus Angst und Selbstanklage zu verwandeln. „Es war eine Verbindung aus Schmerz und Scham und Wut und Verantwortung und Opfer, aus Hass und Liebe. Ich habe damals gelitten, nicht aus Mitleid mit meiner Mutter, ich war selbst krank.”
All dies erzählt sie in einem langen Monolog ihrer Freundin und Geliebten auf der Autofahrt zum Geburtstagsfest der Mutter. Schicht für Schicht gibt sie sich preis, offenbart sich und versucht doch ihre tiefsten Empfindungen so lange wie möglich zu verbergen. Eine erste heftige Liebe zu einer Klassenkameradin endete traumatisch für die 17jährige und belastet auch ihre neue Liebesbeziehung. Damals, in ihrer Aufgewühltheit konnte sie den symbiotischen Gefühlen zur Mutter nicht entkommen, fühlte sich ihr gegenüber schuldig, weil sie glaubte, dass die Mutter für das Glück in der Beziehung bezahlen müsse und kämpfte doch verzweifelt um eine eigene Identität.
Mit diesem Roman der Schilderung menschlicher Grenzsituationen hat Mirjam Pressler, international bekannte und vielfach preisgekrönte Jugendbuchautorin und Übersetzerin, ihr Debüt in der Belletristik abgelegt. Die Handlung, die sie erzählt, gewinnt Stärke und Überzeugungskraft daraus, dass keinem der Protagonisten ein Schonraum zugestanden wird. Jedes Familienmitglied wird mit seinem Schmerz und seiner Unsicherheit, hervorgerufen durch die lebensbedrohliche Krankheit, allein gelassen. So erinnert sich die Tochter an die Veränderungen der Mutter, die sich völlig in sich zurückzieht und damit auch den Vater in einen Schatten verwandelt, während die dominierende Großmutter die Kranke zum Kind degradiert.
Die Erinnerung verläuft in diesem Roman nicht chronologisch und widersetzt sich linearem Erzählen. Wie in einem „stream of consciousness”, sprunghaft, mühsam und quälend, verbinden sich Gedanken, Gefühle, Erfahrungen, Banales und Wichtiges miteinander. Der Leser wird mit der Tragik dieser schwierigen Mutter – Tochterbeziehung konfrontiert, nimmt Teil an der intensiven Liebesgeschichte der beiden jungen Frauen, deren erotische Szenen manchmal noch ihre Form suchen und einer ästhetischen Gratwanderung gleichen. Um dieser Liebe sinnliche Farben zu geben, lässt die Autorin ihre Heldin Leidenschaft auch als ein künstlerisches Erwachen erleben: beim Aktzeichnen im Kunstunterricht entdeckt sie den Maler Modigliani, erkennt in seinen Frauenfiguren die Geliebte wieder und fühlt sich ihm wesensverwandt. „Schönheit im Angesicht des Todes, Sinnlichkeit ohne Zukunft, ein Versprechen, das vielleicht nie erfüllt wurde, so muss er sich gefühlt haben und so fühlte ich mich auch, damals war ich ihm sehr, sehr nah, jetzt ist die Nähe eher eine Erinnerung geworden.”
ROSWITHA BUDEUS–BUDDE
MIRJAM PRESSLER: Für Isabel war es Liebe. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim 2002. 320 Seiten, 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2002

Gefühlsdicht verpackt
Die Erinnerungsreise: Mirjam Presslers Bild einer Familie

In einen faradayschen Käfig setzt Mirjam Pressler ihre Isabel - gut geschützt vor zu hohen Spannungen, aber auch wie in einem Netz gefangen. Und so schickt sie die junge Kunststudentin auf eine Reise. Diese führt sie in zwei einander entgegengesetzte Richtungen. Die eine geht von Hamburg nach München, wo Isabel aufgewachsen ist und nun ihre Eltern besuchen möchte. Ganz realistisch folgt der Roman der Route des kleinen Autos nach Süden; Städte und Autobahnabfahrten säumen den Wegesrand; die Landschaft zieht in den Seitenfenstern panoramenartig neben der Geschichte entlang. Der Anlaß der Fahrt ist der Wunsch von Isabels Mutter, den fünften Jahrestag ihrer bisher gesund überstandenen Brustkrebsoperation mit der ganzen Familie zu feiern. Und dieses schwer anmutende Jubiläum bestimmt die zweite Route des Romans: Diese führt zurück, in Isabels Vergangenheit.

Ihre Freundin und Lebensgefährtin Conny, die sie auf der Autofahrt zu den Eltern begleitet, dient ihr dabei als Zuhörerin. Ihr offenbart sie, worüber sie bisher nicht sprechen konnte; sie erzählt von dem durch die Krebserkrankung veränderten und nun völlig auf die Mutter zentrierten Familienleben, von den heftigen Gefühlen, die diese Zeit begleiteten. Angst vor Verlust, Ohnmacht gegenüber der Krankheit, auch Ekel vor dem vom Krebs gezeichneten Körper. Die Verzweiflung über den als hilflos und gealtert wahrgenommenen Vater, die Wut über die mütterlichen Übergriffe auf die Tochter. - Eine schonungslose Abrechnung. Doch Isabel erzählt noch eine weitere Geschichte. Diese spielte sich wie im verborgenen ab, wenn auch vor aller Augen. Denn während die Familie, auf das Leiden konzentriert, in diesem zu versinken droht, bemerkt niemand, daß sich zur gleichen Zeit etwas völlig Entgegengesetztes ereignet: Isabel erlebt ihre erste große Liebe, verknallt sich mit Haut und Haar in eine Frau. Lustvoll und obsessiv erfährt sie die Beziehung, auch wenn sie letztlich unglücklich endet.

Himmel und Hölle heißt ein Kinderspiel - mit einer kleinen Handbewegung wechselt man die papierenen Welten. Es erinnert an das Wechselbad der heftigen Empfindungen, denen Isabel sich ausgesetzt sieht. Lust und Leid, Liebe und Tod schlossen sich für die Heranwachsende zu monströsen und untrennbar verwobenen Paarungen zusammen. Dieses Konglomerat widersprüchlicher und brisanter Emotionen befand das heranwachsende Mädchen als zu schwer verdaulich; es verstaute es sorgsam in gefühlsdichten Gedächtniskartons und transferierte sich und das Gefahrengut in den weit vom elterlichen Hort entfernten Norden. Schweres Gepäck. Um diese Last schließlich doch loszuwerden, muß sich Isabel erneut auf den Weg machen, zum Tatort und der eigenen Geschichte.

Als Transportmittel für beide Wege dient das Auto; aber besonders der geschlossene Innenraum der Fahrerkabine erlaubt das intime, fast therapeutisch anmutende Gespräch zwischen den jungen Frauen, das in Isabels Erinnerungswelt führt. Dabei vollzieht sich in innerhalb des kapselartigen Raumes eine Reise innerhalb der Reise. Das  stundenlange Nebeneinander erreicht aber auch beklemmende Züge des Sichauslieferns, einige Szenen wirken wie  eine von der Klaustrophobie ausgelöste Beichte.

Der Leser bekommt nicht nur diese zu hören, sondern erfährt weit mehr als die Freundin. Denn Pressler entwirft eine mehrschichtige und komplexe Konstruktion aus Erzähltem und Gedachtem, aus Zur-Sprache-Bringen und Verschweigen. Als Modelle sinnlicher Anschauung dienen ihr dabei auch Bilder von Künstlern wie Modigliani oder Munch, die sie Isabel wie eine Möglichkeit des Ausdruckes zu übergeben scheint. - Bei diesem Verfahren der Gleichzeitigkeit, dem Nebeneinander der gedachten, bildhaften und sprachlichen Ebenen, verschwimmen bei der Lektüre zuweilen die Grenzen; jedoch führt dies keinesfalls zur Konfusion, sondern tief hinein in den dichtgewebten Erinnerungsteppich.

Mit ihrem großangelegten Erinnerungstableau, das zugleich den Abschied von den Eltern und ein Coming-out darstellt, gelingt Mirjam Pressler ein außergewöhnliches Familiengemälde. Unsentimental und kompromißlos wagt die Autorin dabei, die Perspektive der Tochter einzunehmen, deren Blick sich schonungslos auf die familiäre Situation richtet. Sehr vital weiß sie die Liebeserfahrungen der jungen Frau in Bilder umzusetzen und als eigenen Lebensweg zu zeichnen. Und so erreicht der Roman am Ende das Reiseziel in München. Neben der überstandenen Krankheit der Mutter steht jetzt das aufgebrochene Schweigen der Tochter. - Nun gibt es zwei Anlässe zu feiern.

CAROLINE ROEDER

Mirjam Pressler: "Für Isabel war es Liebe". Verlag Beltz & Gelberg, Weinheim 2002. 323 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eine authentische Mutter-Tochter-Geschichte, die unter die Haut geht ... Eindringlich, sinnlich und erotisch schildert Mirjam Pressler das 'erste Mal', und es gehört zu den besonderen Stärken dieses bewegenden Romans, mit welcher Selbstverständlichkeit sie von der Liebe zwischen den beiden Mädchen erzählt ... Pressler ist ein hochkonzentriertes, poetisches und kluges Buch gelungen, das bei aller Schwere eines vermittelt: die Lust am Leben und an der Liebe. Ein Buch, mit dem man noch lange nicht fertig ist, wenn man es ausgelesen hat." Margit Lesemann, Der Tagesspiegel

"Mirjam Pressler legt hier erneut einen großen, literarisch vollendeten Roman vor ... Offen, aber psychologisch wie sprachlich dicht erzählt die Autorin von seelischen Brüchen und Verletzungen." Darmstädter Echo

" Ein ergreifender Roman über frühes Leid, erste Liebe und die Suche nach Heil in der Kunst." Focus

"Dieser Roman ist autentisch im Detail und mitreißend geschrieben, voller Wärme und Verständnis für die Ängste und Nöte einer 17-Jährigen. Er handelt über die erste Liebe und frühes Leid und über die Ablösung vom Elternhaus." nrz am Sonntag (Essen)

" Ein starkes, vielleicht sogar das persönlichste Buch der bekannten Kinder- und Jugenbuchautorin." Berner Zeitung

"Mit diesem Roman der Schilderung menschlicher Grenzsituationen hat Mirjam Pressler ihr Debüt in der Bellestritik abgelegt." Süddeutsche Zeitung

" Durch die Rückblende gelingt Mirjam Pressler für ihre Leser eine erträgliche Distanz zu den ebenso traumatischen wie dramatischen Ereignissen. Eine großartige Geschichte, die Mut macht." Nürnberger Nachrichten

" Einer der schönsten, klügsten und leidenschaftlichsten Adoleszenzromane der letzten Jahre." Eselsohr

"Mirjam Pressler schildert einfühlsam das Gefühlschaos der jungen Frau, die in ihrer Not kaum weiß, was sie denken und fühlen soll." Kölner Stadt-Anzeiger

" Dieser Roman macht dem (jungen) Leser Lust aufs (eigenständige) Leben, Mut zur ernsthaften Liebe und dazu, zu ihr zu stehen - so offen, wie es das eigene Ich erlaubt." Die Glocke Oelde

" Mirjam Pressler ist eine eindringliche, überzeugende Auseinandersetzung mit Tabuthemen gelungen, die unter die Haut geht. Sie findet die richtigen Worte." LIBRI.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit diesem Roman hat die vielfach preisgekrönte Jugendbuchautorin und Übersetzerin Mirjam Pressler nun ihren Erstling im belletristischen Fach vorgelegt. Für Rezensentin Roswitha Budeus-Budde ein durchaus gelungenes Debüt. Presslers Roman, eine "Schilderung menschlicher Grenzsituationen", bezieht seine Stärke und Überzeugungskraft nach Einschätzung der Rezensentin vor allem daraus, "dass keinem der Protagonisten ein Schonraum zugestanden wird". Jedes Familienmitglied werde mit seinem Schmerz und seiner Unsicherheit, hervorgerufen durch die Krebserkrankung der Mutter, allein gelassen. Die Rezensentin hebt hervor, dass die Erinnerungen der Tochter Isabel an diese Zeit nicht chronologisch verlaufen und sich einer linearen Erzählweise widersetzen: "Sprunghaft, mühsam und quälend, verbinden sich Gedanken, Gefühle, Erfahrungen, Banales und Wichtiges miteinander." Neben der schwierigen Mutter-Tochterbeziehung nimmt der Leser auch Anteil an einer "intensiven Liebesgeschichte" zwischen Isabel und ihrer Freundin, "deren erotische Szenen", so die Rezensentin kritisch, "manchmal noch ihre Form suchen und einer ästhetischen Gratwanderung gleichen".

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