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"Die besten Geschichten sind wie Raumschiffe, sagt Mathilda. Sie bringen dich irgendwo hin, setzen dich in weiter Ferne ab, und du denkst, oh, ganz schön unheimlich hier. Aber dann denkst du, warte, vielleicht kenne ich das doch. Vielleicht bin ich sogar hier geboren."
Mathilda Savitch ist nicht gerade ängstlich. Sie zieht es vor, sich direkt den Dingen zu stellen, die andere nicht einmal zur Sprache bringen können. Etwa der Tatsache, dass ihre geliebte ältere Schwester tot ist, vor einen Zug gestoßen wurde von einem Mann, der nie gefasst wurde. Dennoch ist sie trotz aller Bemühungen auch…mehr

Produktbeschreibung
"Die besten Geschichten sind wie Raumschiffe, sagt Mathilda. Sie bringen dich irgendwo hin, setzen dich in weiter Ferne ab, und du denkst, oh, ganz schön unheimlich hier. Aber dann denkst du, warte, vielleicht kenne ich das doch. Vielleicht bin ich sogar hier geboren."

Mathilda Savitch ist nicht gerade ängstlich. Sie zieht es vor, sich direkt den Dingen zu stellen, die andere nicht einmal zur Sprache bringen können. Etwa der Tatsache, dass ihre geliebte ältere Schwester tot ist, vor einen Zug gestoßen wurde von einem Mann, der nie gefasst wurde. Dennoch ist sie trotz aller Bemühungen auch ein Jahr später keinen Schritt weiter gekommen, kennt die Wahrheit über den Tod Helenes noch immer nicht. Dann aber gelingt es ihr, das E-Mail-Passwort der Schwester zu knacken, und vor ihr öffnet sich deren geheimes Leben. Seltsame Gefühle, zahllose Liebesaffären, merkwürdige Motive enthüllen sich ihr da, und um die Dinge voranzutreiben, verschickt Mathilda Mails im Namen ihrer toten Schwester. Denn irgendwo in diesem Gewirr der Beziehungen und Gefühle muss auch der Schlüssel dafür liegen, um ihre Familie aus ihrer Schockstarre zu erwecken. Schließlich macht sich Mathilda auf den Weg zu Helenes letztem Geliebtem, der noch gar nichts von ihrem Schicksal weiß. Sie muss sehen, was ihre Schwester gesehen hat, wissen, was Helene wusste, auch wenn sie dabei sehr viel riskiert.

Die 13-jährige Mathilda Savitch ist eine hinreißende Figur, klug, anrührend, zartfühlend und bissig, frühreif und komisch, und Victor Lodatos erster Roman furios und spannend, ein außergewöhnliches Debüt.

Interview mit Victor Lodato
Die 13-jährige Mathilda Savitch ist eine faszinierende Person: sie ist außerordentlich intelligent und gewitzt, aber sie hat auch mit den üblichen Problemen ihres Alters zu kämpfen. Wie sind Sie auf sie gestoßen?

Die Stimme von Mathilda Savitch erreichte mich eines Morgens mit einer eigentümlichen Energie. Ich weiß noch, wie ich aus dem Schlafzimmerfenster heraus sah, noch nicht richtig wach, und mir plötzlich die ersten Worte des Romans über die Lippen geflüstert kamen. Als Theaterautor bin ich es gewöhnt, Stimmen zu hören, aber Mathildas Stimme war besonders beharrlich – und sagenhaft verführerisch. Die folgenden Jahre habe ich dann damit verbracht, alles aufzuschreiben, was dieses Kind mir gesagt hat. Ich fühlte mich wirklich mehr wie ein Sekretär als ein Schriftsteller.

Die leichthändige und gleichzeitig eindringliche Sprache, mit der Mathilda über ihr Leben und den Tod ihrer älteren Schwester spricht, hält den Leser besonders in Bann. Wie haben Sie diesen "Sound" entwickelt?

Auch wenn ihre ersten Worte etwas bedrohlich wirken ("Ich will gemein sein. Schreckliche Gemeinheiten machen".), wusste ich sofort, dass ihre Stimme diejenige eines Kindes war. Die Worte trugen nichts Böses in sich, sondern schienen von einem sehr eigenwilligen, starken Charakter zu kommen, aus einer glühenden Seele, die sich nicht weiter zurückhalten wollte. Das klingt jetzt fürchterlich ernst, dabei erinnere ich mich am lebhaftesten an die Momente beim Schreiben, in denen Mathilda mich zum Lachen brachte. Anscheinend spürt mein Geist und Körper instinktiv alle komischen Aspekte auf, wenn ich mich mit eigentlich düsteren Themen beschäftige. Ohne dieses befreiende Lachen hätte ich die 6 Jahre, in denen ich an dem Roman gearbeitet habe, wahrscheinlich nicht durchgehalten.

Mathilda erwähnt manchmal umwälzende Ereignisse der Weltgeschichte, etwa die Attentate in New York: Welche Intention verfolgen Sie damit?

Ich begann meine Arbeit an dem Roman fast genau ein Jahr nach 9/11, und auch in Mathildas Welt schwebt die Gefahr des Terrorismus im Hintergrund. Ich glaube, dass ich mit der geliehenen Stimme dieses Mädchens auch meine eigene Angst, Verwirrung und Wut in einer offenen und unschuldigen Weise ausdrücken konnte. Es war befreiend, mit der kindlichen Stimme von jemandem zu schreiben, der die Welt noch erlernt und ihre Komplexitäten zum ersten Mal interpretiert. Während der Roman für mich ein Jahr nach 9/11 begann, beginnt Mathildas Geschichte interessanterweise ein Jahr nach dem Tod ihre geliebten älteren Schwester. Ihre Eltern sind in Schmerz erstarrt, und unfähig, dem Mädchen echte Trauerarbeit beizubringen. Durch diese dunkle Landschaft muss Mathilda ihren eigenen Weg finden.

Das Interview mit Victor Lodato wurde im Juni 2009 geführt von Tanja Warter und Jonathan Beck.
Mathilda Savitch ist nicht gerade ängstlich. Sie zieht es vor, sich direkt den Dingen zu stellen, die andere nicht einmal zur Sprache bringen können. Etwa der Tatsache, dass ihre geliebte ältere Schwester tot ist, vor einen Zug gestoßen wurde von einem Mann, der nie gefasst wurde. Dennoch ist sie trotz aller Bemühungen auch ein Jahr später keinen Schritt weiter gekommen, kennt die Wahrheit über den Tod Helenes noch immer nicht. Dann aber gelingt es ihr, das E-Mail-Passwort der Schwester zu knacken, und vor ihr öffnet sich deren geheimes Leben.
Seltsame Gefühle, zahllose Liebesaffären, merkwürdige Motive enthüllen sich ihr da, und um die Dinge voranzutreiben, verschickt Mathilda Mails im Namen ihrer toten Schwester. Denn irgendwo in diesem Gewirr der Beziehungen und Gefühle muss auch der Schlüssel dafür liegen, um ihre Familie aus ihrer Schockstarre zu erwecken. Schließlich macht sich Mathilda auf den Weg zu Helenes letztem Geliebtem, der noch gar nichts von ihrem Schicksal weiß. Sie muss sehen, was ihre Schwester gesehen hat, wissen, was Helene wusste, auch wenn sie dabei sehr viel riskiert. Die 13-jährige Mathilda Savitch ist eine hinreißende Figur, klug, anrührend, zartfühlend und bissig, frühreif und komisch, und Victor Lodatos erster Roman furios und spannend, ein außergewöhnliches Debüt.
Autorenporträt
Victor Lodato, in Hoboken, New Jersey geboren, studierte an der Rutgers University und ist Mitglied der Dramatist Guild of America.

Grete Osterwald wurde 1947 in Bielefeld geboren und lebt als freie Übersetzerin aus dem Englischen und dem Französischen in Frankfurt am Main. Sie erhielt u. a. 2001 den Übersetzerpreis des Verlages C.H.Beck und 2007 den Wilhelm-Merton-Preis für ihr umfangreiches Gesamtwerk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2010

Andenken an einen Engel

Schon immer fiel es der Jugend schwer, erwachsen zu werden. Aber nur selten wird davon so lebensnah erzählt wie in Victor Lodatos Romandebüt "Mathilda Savitch".

Wenn man Theaterstücke schreibt (und das hat Victor Lodato bis jetzt hauptsächlich getan), muss man sich zwangsläufig darauf einlassen, dass das Skript von den jeweiligen Schauspielern in individueller Weise mit Leben gefüllt wird. Ein gewisser Kontrollverlust zwar, aber wenn das Casting stimmt, auch ein Vorteil, denn nur so entsteht charakterliche Vielfalt. Wie gut einem männlichen Stückeschreiber seine großen Frauenrollen auch gelingen mögen - er identifiziert sich doch nur selten über alle Akte hinweg mit ihnen, geschweige denn, dass er diese Parts selbst spielen könnte.

Umso erstaunlicher ist die Perspektive, die Victor Lodato für seinen ersten Roman gewählt hat: Ich-Erzählerin und Titelheldin Mathilda Savitch, auch charakterlich eine Mischung aus ungezähmtem Tier (savage) und kleiner Hexe (witch), ist etwa dreizehn Jahre alt. Pubertätsgeschüttelt hat sie schwer damit zu tun, das Verhältnis zu ihren Eltern und ihrer verstorbenen Schwester zu klären und nebenbei eine sexuelle Identität zu entwickeln. Nicht selten wird ein Schriftsteller für ein derart gewagtes Unterfangen des literarischen Bauchredens angeklagt - aber wie zum Beispiel Jonathan Coes Frauenroman "Der Regen bevor er fällt" erst kürzlich gezeigt hat: Es kann funktionieren.

Mathilda Savitch ist klug. Manchmal ist sie zwar etwas theatralisch, zum Beispiel, wenn sie "wegen dieser Geschichte über den Sänger, der alles verdirbt bei seinem Aufstieg aus der Unterwelt", ihren Vater stehenlässt, ohne sich noch einmal umzudrehen. Vor allem aber ist sie seltsam weise - ob sie sich nun fragt, wie es ihrem "Pa" wohl all die Jahre gegangen sein muss, "in einem Haus voller Mädchen", oder auch, "ob die Terroristen nicht vielleicht doch traurig sind, weil wir ihnen etwas angetan haben".

Obwohl Mathilda ihre eigene Cleverness höher einschätzt als die blonde Blauäugigkeit ihrer Freundin Anna, weiß sie sehr wohl um deren Anziehungskraft: Als sie Anna und Kevin zum heimlichen Übernachten in ihren Keller einlädt und die beiden sich küssen, weiß sie gar nicht recht, auf wen sie eigentlich eifersüchtig ist. Und anders als ihre Altersgenossen, aber auch ihre Eltern ist Mathilda intelligent genug, ihren Emotionshaushalt ernst zu nehmen.

Mathilda erkennt, dass die Mütter der gefallenen Iraker im Fernsehen ganz anders trauern als ihre Eltern. Kaum ein Jahr ist es her, dass Helene, Mathildas schöne und ein bisschen geheimnisvolle ältere Schwester, von einem Zug überfahren wurde - und was planen Ma und Pa für den Vorabend ihres Todestags? Sie wollen ins Theater, und zwar ohne Mathilda. Schließlich darf sie doch mit, und diesmal äußert sich ihr verzweifeltes Einfordern der Trauerarbeit darin, dass sie sich mehrfach quer über die Theatersitze erbricht. Außerdem zwingt sie ihrer Mutter das Andenken an Helene auf, indem sie deren Kleider trägt, ihre Stimme vom Tonband abspielt oder gar in ihrem Namen E-Mails und Postkarten verschickt. Als ihre Mutter endlich weint, sind ihre Tränen für Mathilda nichts weniger als "ein paar Diamanten": "Jemand sollte sie einpacken. Sie in ein kleines blaues Kästchen tun, wie das, in dem ihr Verlobungsring lag."

Trotz seiner jugendlichen Protagonistin ist "Mathilda Savitch" kein Kinderbuch - wiewohl Klappentext und Umschlaggestaltung einige Anleihen bei Grusel- und Abenteuerromanen versuchen. Denn Mathilda selbst blickt auf ihre Kindheit zurück wie auf einen durch den Tod Helenes allzu früh verlorengegangenen Schatz - und sogar der Leser denkt während der Geschichte immer wieder mit Wehmut an manches zu schnell verblasste Jugenderlebnis und ist dann dankbar dafür, die damit zusammenhängenden Ängste inzwischen überwunden zu haben: nächtliches Zugfahren, im Dunkeln in einer fremden Stadt unterwegs zu sein, die Sorge, Vater oder Mutter könnten nicht mehr zu einem zurückkehren.

Vor allem aber geht es in Victor Lodatos Erstlingsroman um den Tod. Sterben macht den Lebenden ziemlich viel Arbeit. Es kostet auch Geld, weshalb viele alte Menschen für ihre Bestattung eine Versicherung abschließen und gern vorab ein Testament aufsetzen, um den Hinterbliebenen die Arbeit zu erleichtern. Was aber, wenn ein junger Mensch wie die sechzehnjährige Helene stirbt, die gerade damit angefangen hat, unter anderem auch per E-Mail, Freundschaften und Beziehungen zu pflegen, von denen ihre Eltern gar nichts mehr wissen? Diese passwortgeschützten Kontakte werden von keiner Traueranzeige erreicht, und so lebt die tote Helene weiter, auch wenn sich ihre E-Mail-Korrespondenten inzwischen vielleicht über ihre Schreibfaulheit ärgern. Irgendwann gelingt es Mathilda, die anders als alle anderen immer noch einen Mord vermutet, im Zuge ihrer Nachforschungen Helenes Passwort zu knacken. Doch auch das bringt sie nicht weiter. Sosehr sie sich über ihre Eltern ärgert, die immer nur vergessen wollen - irgendwann versteht sie plötzlich, warum man ein sehr verletzliches dreizehnjähriges Mädchen wie sie vor allzu großem Kummer bewahren möchte.

Die Themen, deren Lodato sich in seinem Debütroman in einfühlsamer Weise annimmt, sind universal. Es ist fraglich, ob Mathildas Situation, wie sie auf den letzten Seiten mutmaßt, wirklich eine andere ist als die von Generationen Kinder und Pubertierender vor ihr - nur weil sie so viele Terrorattentate im Fernsehen gesehen hat. Amerikaner betrachten den 11. September gern als Zeitenwende, doch zum Glück darf man bezweifeln, dass die Irrungen und Wirrungen amerikanischer Kindheit und Jugend, wie auch die Trauer um den nicht terroristisch bedingten Tod einer Angehörigen, davon maßgeblich beeinflusst werden. Schon immer sind Menschen mühsam erwachsen geworden und dabei manchmal viel zu früh gestorben - doch nur selten wurde davon so lebensnah erzählt wie in und von "Mathilda Savitch".

MARGRET FETZER

Victor Lodato: "Mathilda Savitch". Roman. Aus dem Amerikanischen von Grete Osterwald. Verlag C. H. Beck, München 2009. 299 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Mühen des Erwachsenwerdens, die Erfahrung des frühen Todes - Themen, die Margret Fetzer für universal hält. So lebensnah wie in Victor Lodatos Erstlingsroman allerdings hat sie sie nie zuvor erzählt bekommen. Schon das Gelingen der Perspektive (die "pubertätsgeschüttelte" Ich-Erzählerin ist die 13-jährige Mathilda) grenzt für Fetzer an ein Wunder. Dass der Autor auch das Thema Tod in den Griff kriegt, bei der Rezensentin Jugenderlebnisse in Erinnerung ruft und damit sowohl Wehmut als auch Ängste und dies alles höchst einfühlsam, veranlasst Fetzer zu dem Urteil, "Mathilda Savitch" sei kein Kinderbuch.

© Perlentaucher Medien GmbH
"In den Kopf der kleinen großen Mathilda zu schauen, mit ihr auf so wunderbar morbide Weise die Welt zu betrachten, ist ein außergewöhnliches Erlebnis, das einen bis zum Ende nicht mehr loslässt. Ein feines Buch mit großer Nachwirkung." -- Karoline Herfurth

"Ein herausragendes Debüt!" -- Deutschlandradio Kultur