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Henner Löfflers Doderer-ABC führt den Leser mit 100 Stichworten von "Ab ovo" bis "Zihalismus" durch Heimito von Doderers Werke. Es enthält neben kuriosen Stichworten ein komplettes kommentiertes Personenverzeichnis sowie eine innere Chronologie der Hauptwerke und stellt die vielfältigen Zusammenhänge im Gesamtwerk heraus. Damit hilft es dem Leser, diesen umfassenden Kosmos besser zu verstehen und ein größeres Vergnügen an einem Werk zu haben, das sich nicht nur durch brilliante Sprache sondern auch durch ungeheure Komik und deftige Erotik auszeichnet.

Produktbeschreibung
Henner Löfflers Doderer-ABC führt den Leser mit 100 Stichworten von "Ab ovo" bis "Zihalismus" durch Heimito von Doderers Werke. Es enthält neben kuriosen Stichworten ein komplettes kommentiertes Personenverzeichnis sowie eine innere Chronologie der Hauptwerke und stellt die vielfältigen Zusammenhänge im Gesamtwerk heraus. Damit hilft es dem Leser, diesen umfassenden Kosmos besser zu verstehen und ein größeres Vergnügen an einem Werk zu haben, das sich nicht nur durch brilliante Sprache sondern auch durch ungeheure Komik und deftige Erotik auszeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2000

Nichts Höheres als ein Leser
Alles fatal fatologisch: Ein Lexikon beziffert Heimito von Doderer

Das Werk des österreichischen Schriftstellers Heimito von Doderer (1896 bis 1966) ist ein mehrtausendseitiger Kosmos, der mit seinen schwarzen Löchern schon manche Leserfahrt zur Zeilenodyssee gemacht hat. Alles hängt mit allem zusammen in diesem "fatologischen Gewebe": Auf der Wiener Ringstraße streifen unbekannte Passanten einander, die sich hunderte Seiten später zu Lebensbünden paaren; biografische Paralleluniversen kreiseln so lange getrennt, bis der Tischtennis-Tee sie verschmilzt; Zwischenkriegszeiten nehmen ihren gleichmütigen Geschichtslauf, ohne sich von Hausmeisterschicksalen verwirren zu lassen. Die Welt ist auf das Herrlichste verworren, und der fadenziehende Autor unternimmt alle nur bedenklichen Anstrengungen, um den Einblick in seine strenge Konstruktion zu vereiteln.

Auf diese Melange von Genauigkeit und Irrsinn ist nur mit einem Doderer-Lexikon zu antworten. Henner Löffler hat die Mühe lustvoll auf sich genommen, dieses Prosagebirge auf der Suche nach Hohem und Niederem, Poetik und Bärten, Politik und Beutelstich zu durchwandern. Seine Landvermessung in hundert Stichworten entdeckt Kontinente, über die manches Auge bisher achtlos hinwegblickte: Ist es Zufall oder letzte Offenbarung, dass in den "Dämonen" 16-mal Whiskey, jedoch 18-mal Cognac getrunken wird? Was gibt uns der exakt durchgezählte Befund zu denken, dass in der Erzählung "Das letzte Abenteuer" 2,2 Farbnennungen je Seite aufscheinen, die "Strudlhofstiege" aber mit 0,49 Kolorierungen auskommen muss, darunter 151 Weiß-Varianten? Und welche Frühlingsgefühle setzt der Beweis frei, dass der Sommer in der Wiener Trilogie mehr Nennungen als alle anderen Jahreszeiten zusammen erfährt, nämlich 52 Prozent? Das sind Abgründe, in die noch kein Leserfuß gestiefelt ist. Und so staunt der Laie, wo der Fachmann zu bewundern ist.

Löfflers "Begreifbuch" darf sich auf solchen Seitenpfaden des gesunden Menschenverstands mit Recht tummeln, weil Doderer seriösere Stichwörter vereitelt hat. In Fellinis "La Dolce Vita" erkannte der Hochkulturbanause nur ein "blödes Pimperltheater", und auch an der zeitgenössischen Musik fiel ihm vor allem ihre Lautstärke auf. Wichtiger sind deshalb Doderers Zugriffe auf den Alltag, etwa die so genannte "Timurisation", worunter die radikale und schnelle Entleerung einer Wohnung "nach dem Prinzip der verbrannten Erde" zu verstehen ist. Hier konnte der Erzähler seiner vielfältig gestaffelten und erfindungsreich variierten Wut freien Lauf lassen, auch wenn sie ihn von der wirklichkeitsgenauen "Apperzeption" (siehe dort) abhielt: Bei Doderer wird mitunter heftig geprügelt, aber immer auf höchstem Sprachniveau.

Endlich wird auch das Geheimnis um die träge Masse der "Dicke-Damen-Doktrinär-Sexualität" gelüftet. Sie beginnt bei 72 weiblichen Kilogramm mit ihrer Reizausstrahlung und gipfelt hymnisch gefeiert im Monumentalstil der weit vorkragenden Bel Etage. Dicke Damen brauchen muntere Männer, und auch dazu ist Doderer manches eingefallen. 337 namentlich genannte Personen treten in den beiden verkletteten Hauptromanen "Die Dämonen" und "Die Strudlhofstiege" auf - und Löffler vergisst keine. Auch dass der Buchstabe G mit 37 Nennungen überproportional vertreten ist, ist dem Dicke-Zahlen-Doktrinär-Lexikographen ebenso eine Erwähnung wert wie die 500 Erwähnungen der Strudlhofstiege, auf denen mehr treppab als treppauf die Personen zur Erkenntnis schreiten. Wem Doderer etwas bedeutet, dem macht auch die dralle Zahl allein schon guten Sinn - alle anderen sind ohnehin für die Literatur verloren.

Löfflers vielseitig abseitiges Kompendium ist für jeden weiteren Aufenthalt im Dodererland unverzichtbar und so unumgänglich wie des Autors Erstaunen, dass Hausmeister das Gleiche essen wie Menschen. "Es gibt kaum etwas Höheres, als ein guter Leser zu sein", sprach der Autor. Wir aber wissen: Besser als ein lediglich guter Leser ist allemal der beste, etwa der Lexikograph.

THOMAS WIRTZ

Henner Löffler: "Doderer-ABC. Ein Lexikon für Heimitisten". Verlag C. H. Beck, München 2000. 478 S., geb., 68,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ähnlichen "würdigen" Inventarisierungen zu den Werken von James Joyce oder Marcel Proust stehe dieser Band nicht nach, befindet Paul Jandl und lobt zugleich die kritische Distanz des Autors, der aus seinem "Kompendium eben keine Apologie gemacht hat". Ein Buch für Fans, die sich durch Löfflers Buch noch einmal die Topografien, die Chronologie, das Romanpersonal, den philosophischen Hintergrund, ja selbst die Farben von Doderers Romanen erschließen können. Ob die Satzergebnisse von Dodereres Tennisspielen oder die Trinkgewohnheiten der Romangestalten - sie erfahren bei Löffler Würdigung und Analyse, so Jandl. Das Schöne an dem Buch sei, dass man nebenbei lebenspraktische Tipps erhalte, die dem Autor Doderer stets am Herzen gelegen hätten. "'Eine Watschen ist personumfassend und erledigend'", zitiert Jandl aus dem Lexikon und verweist darauf, dass Doderer Adorno mal eine Glatzenwatschen verpassen wollte - "zur Dämpfung akademischer Würdenträger".

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