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Die Beschimpfung ist und bleibt ein unverzichtbares "Kampfmittel" in der Politik. Jutta Falke und Ulrich Kaspar haben aus 50 Jahren bundesdeutscher Parlamentsgeschichte die allerschönsten Verbalattacken ausgewählt. Die Betroffenen dürften durch die Frotzeleien der Kollegen kaum in Hochstimmung geraten sein; dafür öffnet sich dem Leser eine prächtige Welt der Schadenfreude.

Produktbeschreibung
Die Beschimpfung ist und bleibt ein unverzichtbares "Kampfmittel" in der Politik. Jutta Falke und Ulrich Kaspar haben aus 50 Jahren bundesdeutscher Parlamentsgeschichte die allerschönsten Verbalattacken ausgewählt. Die Betroffenen dürften durch die Frotzeleien der Kollegen kaum in Hochstimmung geraten sein; dafür öffnet sich dem Leser eine prächtige Welt der Schadenfreude.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2001

Stinktiere und Politiker
Was sich Bundestagsabgeordnete so alles an den Kopf werfen
JUTTA FALKE, ULRICH KASPAR (Hrsg.): Politiker beschimpfen Politiker, aktualisierte und erweiterte Auflage, Reclam-Taschenbuch, Leipzig 2001. 266 Seiten, 19,80 Mark.
Der Abgeordnete Reinhold Robbe von der SPD hatte in der Bundestagssitzung vom 16. Februar 2001 – es ging um den Nato-Luftkrieg gegen Serbien – gerade bekundet, dass es für ihn „persönlich” eine Zumutung sei, „mit solchen Leuten wie Gregor Gysi in einem Parlament sitzen zu müssen”, und dass die PDS im Bundestag „überhaupt nichts zu suchen” habe – da hatte er sich auch schon einen Zwischenruf eingefangen, schallend wie eine Ohrfeige: „Bombardieren Sie doch unsere Parteizentrale und erschießen Sie uns alle!” Die Zwischenruferin heißt Angela Marquardt, ist keine 30 und von daher, egal, was man sonst von ihr halten mag, eine der wenigen Hoffnungen eines Parlaments, in dem die Mehrheit eher wenig schlagfertig ist.
Politiker beschimpfen Politiker. Ein schönes Thema, eine lobenswerte Idee, eine kleine Blütenlese herauszubringen (alphabetisch geordnet, merkwürdigerweise nach den Opfern der verbalen Attacken, nicht nach den Tätern). Solange sie nur immer aufeinander losgehen, ist alles in bester Ordnung. Denn dass die Vorstellung von der politischen Harmonie und einer Versöhnung zwischen den Parteien demokratietheoretisch ohnehin gar nicht wünschenswert ist, das merkt auch Heiner Geißler in seinem Nachwort an. Er muss sich auskennen, schließlich gilt er, um mit Peter Glotz zu sprechen, als ein ehedem großer „Schimpfer und Spucker”.
„Fieser Möpp!”, „Unverschämtes Weib!”, „Sie Dösbaddel!”, „Terrorist!”, „Gangster!”, „Sie Strolch!”, „Arroganter Schnösel!”, „Erzverleumder!”, „Stinktier!”, „Lümmel!”, „Wild gewordener Gartenzwerg!” – Das versammelte Arsenal ist beeindruckend. Und doch sucht man die klassischen bad words in diesem Bändchen vergebens. Hatte da nicht dereinst ein Joschka Fischer den Bundestagsvizepräsidenten „mit Verlaub”, als „Arschloch” tituliert? Fehlanzeige. Hat da ein SPD-Fraktionsvorsitzender namens Herbert Wehner dem Abgeordneten Zebisch, der sich beschwerte, dass die Sitzplätze im Plenum nach dem Alphabet vergeben werden, nicht geraten, sich in „Genosse Arschloch” umbenennen zu lassen? Man wird weder unter A noch unter Z fündig. Auch das „weißblaue Arschloch” (Wehner über Hans-Jochen Vogel) findet sich nur in Geißlers Nachwort versteckt. Und so wird man den Eindruck nicht los, dass es sich hier um die sorgfältig lektorierte und für die Jugend bearbeitete Volksausgabe der gesammelten Volksvertreterausfälle handelt.
Ein weiteres Manko sind die oft fehlenden Erläuterungen. Da steht dann als erratische Schimpferscheinung etwa „Der Auschwitz-Spezialist”, mit welcher Verbalinjurie ein Abgeordneter namens August-Martin Euler 1950 aus den Reihen der KPD belegt wurde. Um sich den Hintergrund dieser Schmähung auch nur annähernd zusammenreimen zu können, müsste man erstens wissen, dass es 1950 im Bundestag heftige Debatten über die NS-Verbrechen gab, wobei KPD-Abgeordnete der einsetzenden Schwamm-drüber-Mentalität erbitterten Widerstand entgegensetzten. Und zweitens müsste man diesen August-Martin Euler wenigstens grob einordnen können. Denn wer weiß heute noch, dass der Mann zum patriotischen Stahlhelm-Stoßtrupp innerhalb der FDP-Fraktion gehörte?
Glücksfälle und Problemfälle
Ebenfalls befremdlich sind die immer wieder eingestreuten gegenseitigen Nettigkeiten und Lobgesänge, die den Titel des Büchleins Lügen strafen. Da findet sich bei Theodor Heuss als einziger Eintrag die Äußerung von Willy Brandt: „Er war ein nachkriegsdeutscher Glücksfall.” Offensichtlich ist Heuss von keinem anderen Politiker jemals beschimpft worden. Andererseits heißt es hier auch aufpassen. Gerade hinter den dicksten Weihrauchschwaden lauert oft die Hinterfotzigkeit. So gerät Kohls Würdigung des soeben verblichenen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein („Uwe Barschel hat dem Land in einer sehr besonderen Weise gedient”) im Nachhinein schon fast in den Verdacht der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.
Vermutlich aufrichtig und auf jeden Fall artig ist dagegen, wie sich Geißler in seinem Nachwort bei Helmut Schmidt für die Schmähung „Rentenbetrüger” von anno dazumal entschuldigt. Aber bevor noch dem Leser die Tränen kommen, erteilen wir das Schlusswort dem Unionsabgeordneten Broll: „Wenn ich jemanden geärgert habe, dann war es bestimmt verdient und beabsichtigt. Das wiederum ist kein Grund, sich zu entschuldigen.”
FLORIAN SENDTNER
Der Rezensent ist Journalist in Regensburg.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.1998

Lümmel, Drecksack, Minister
Schimpfende Politiker: Zitatenschätze

Günter Pursch (Herausgeber): "Das neue parlamentarische Schimpfbuch". Stilblüten und Geistesblitze unserer Volksvertreter. Aktualisierte Ausgabe. Langen Müller Verlag, München 1997. 207 Seiten, 29,90 Mark.

Jutta Falke, Ulrich Kaspar (Herausgeber): "Politiker beschimpfen Politiker". Mit einem Nachwort von Heiner Geißler. Reclam Verlag Leipzig, Leipzig 1998. 243 Seiten, 18,- Mark.

Der Parade-Schimpfer des Bundestags war Herbert Wehner. Seine Aussprüche, Beleidigungen und Bonmots finden sich fast auf jeder Seite des Buchs "Politiker beschimpfen Politiker". Für die CSU stieg einst Franz Josef Strauß in den Ring der verbalen Schlägereien. Und Joschka Fischer teilt immer noch für die Grünen aus. In dem Buch finden sich Politikersprüche von Manfred Abelein bis Friedrich Zimmermann: ein seltsamer Zitatenschatz.

Die Vertreter der grünen Partei liefern dem Buch manch kecken Ausspruch. So Hubert Kleinert: "Herr Blüm, dann sind Sie die Rache des Mainzer Karnevals am Deutschen Bundestag." Oder Klaus-Dieter Feige: "Dem ,Spiegel' dieser Woche entnehme ich, daß der Absturz des Kollegen Geißler samt Fallschirm von der Krone zweier Kiefern von ihm selbst auf den schlechten Zustand der Wälder zurückgeführt wird."

Ansonsten muß man sich als Leser doch sehr über den mangelnden sprachlichen Zunder der Volksvertreter wundern, der seinen biederen Höhepunkt in "Pfeffersack" und "Lümmel" erreicht. Nicht wenigen Stammtischgängern ist da mehr rhetorisches Feuer zuzutrauen. Die Parlamentarier indes folgen brav ihren bewährten Steigerungsformen: Lümmel, Drecksack, Propagandaminister. Als Superlativ der Verachtung wird Goebbels des öfteren bemüht.

Natürlich gibt es auch Klassiker. Helmut Schmidts Ausspruch "Wie der Bulle pißt", gemünzt auf Franz Josef Strauß, wird ebenso unvergessen wie unverstanden bleiben. Und auch die Peinlichkeit vom Glas, das zu drei Viertel voll und zu drei Viertel leer ist, wird Matthias Wissmann weiterhin verfolgen. Auf den meisten Seiten des Buches aber halten die Zitate nicht, was der Titel verspricht. Beschimpfungen sind nur ein Teil der Auslese von Jutta Falke und Ulrich Kaspar. Dazu mengen die beiden Herausgeber jede Belanglosigkeit, die Politiker von sich gaben, es sei über sich selbst oder andere.

Da erfährt der Leser etwa, daß Renate Schmidt einmal von sich gesagt hat: "Ich bin ein Familientier." Anderes wird gleich zweimal abgedruckt. "Wenn ich so werde, wie Scharping mich haben will, läßt meine Frau sich scheiden", behauptete Schröder 1995 vorschnell. Im Buch ist das unnötigerweise sowohl unter dem Stichwort Scharping als auch unter Schröder nachzulesen. Wie überhaupt vieles seltsam hingehudelt wirkt. Da erscheint in der Quellenangabe der "SED-Politiker" Thierse, oder Aussprüche sind offensichtlich falsch zugeordnet.

Zudem ist die Idee nicht neu: Günter Pursch hat schon vor Jahren mit seinem "großen Parlamentarischen Schimpfbuch" den Bundestag als Plenum der Beleidigung entdeckt. Seine gesammelten Sprüche sind in überarbeiteter Neuauflage erschienen. Im Gegensatz zu seinen Nachahmern erweist sich dieser Zitatenschatz als sorgfältiger zusammengestellt und lesenswerter. Mit den Beleidigungen gibt es dort nämlich auch die dazugehörigen Repliken zu lesen. Wer austeilt, muß bekanntlich auch einstecken können. Das ist im Parlament nicht anders. Mit Anekdoten angereichert, nach Sinnzusammenhängen geordnet, wirken die Politiker bei Pursch erfrischend schlagfertig. So Kurt Schumacher auf den Hinweis, daß seine Zeit um sei: "Meine Zeit zwar nicht, aber meine Redezeit!" Oder auch der Ratschlag von Vizepräsident Klein, im Protokoll eine zweite Spalte anzulegen: "in der linken den Redebeitrag, in der rechten der Fischersche Kommentar".

Außerdem erfährt der Leser so einiges über die im Parlament herrschenden Sitten: Bei Zwischenfragen haben die Politiker die Hände aus den Taschen zu nehmen. Peter Sellin, Abgeordneter der Grünen, verzichtete einst, nachdem er darüber belehrt wurde, kurzerhand auf seine Frage. Wer sich durch die protokollarischen Stilblüten liest, erfährt auch (vom jeweiligen Präsidenten), was es im Bundestag nicht gibt: weder Heuchler oder Lügner noch Deppen.

SHIRIN SOJITRAWALLA

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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In diesem Nachschlagewerk der Beleidigungen sind die Verballhornungen politischer Streitkultur gesammelt. Das Buch erklärt nicht nur Schimpfen zum stilistischen Mittel, es ist auch ein Exempel für die Eigendynamik von Wort-Duellen, die im Plenum für polemische Atmosphäre sorgt. Westdeutsche Zeitung

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Schönes Thema, lobenswerte Idee, findet Florian Sendtner und spricht von einem beeindruckenden Arsenal verbaler Attacken. Zwischen "Sie Dösbaddel!" und "Terrorist!" vermisst er dann allerdings doch die "klassischen bad words", wie das von Joschka Fischer und mit besonderer Vorliebe auch von Herbert Wehner gebrauchte "Arschloch". Sollte es sich bei dem Band also tatsächlich um eine "sorgfältig lektorierte und für die Jugend bearbeitete Volksausgabe der gesammelten Volksvertreterausfälle" handeln, wie der Rezensent mutmaßt? Wohl kaum. Das weitere Manko des Buches, das dem Rezensenten auffällt, widerspricht solch didaktischem Ansinnen nämlich entschieden: Allzu häufig fehlen Erläuterungen, schreibt Sendtner, dem manche "Schimpferscheinung" schlicht rätselhaft blieb, weil der Schmähung der historische Hintergrund fehlte.

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