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Was ihre Figuren eint, ist die Suche nach dem Glück. Denn: Nur allzu oft erweisen sich in den Erzählungen Kathrin Groß-Strifflers dem Anschein nach sichere Lebensfundamente als brüchig, tauchen über Jahre verdrängte Fragen nach Schuld und Verantwortung wieder auf, mutet das Leben plötzlich an wie eine Reihe verpasster Chancen. Hoffnung als Sakrileg? Glück als ein ständig auf morgen vertagter Zustand? Texte über die Unabdingbarkeit der Hoffnung, die manchmal sehr tief im Verborgenen sitzt.

Produktbeschreibung
Was ihre Figuren eint, ist die Suche nach dem Glück. Denn: Nur allzu oft erweisen sich in den Erzählungen Kathrin Groß-Strifflers dem Anschein nach sichere Lebensfundamente als brüchig, tauchen über Jahre verdrängte Fragen nach Schuld und Verantwortung wieder auf, mutet das Leben plötzlich an wie eine Reihe verpasster Chancen. Hoffnung als Sakrileg? Glück als ein ständig auf morgen vertagter Zustand?
Texte über die Unabdingbarkeit der Hoffnung, die manchmal sehr tief im Verborgenen sitzt.
Autorenporträt
Kathrin Groß-Striffler, geboren 1955, Studium der Philologie in Deutschland, Frankreich und den USA. Veröffentlichung von Kurzgeschichten, ausgezeichnet 2000 mit dem Marburger Literaturpreis. 2003 erste Romanveröffentlichung, ausgezeichnet mit dem Alfred-Döblin-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2005

Die Rettungsringe der Pfarrersfrau
Träume von Ketten: Kathrin Groß-Strifflers Erzählungen

Die Last des Vergangenen drückt den Menschen nieder, "beschwert seinen Gang als eine unsichtbare und dunkle Bürde", wie Nietzsche wußte. Wer leben will, muß auf die Vergangenheit pfeifen können. Dies gelingt Kathrin Groß-Strifflers Figuren, unauffälligen Frauen und Männern, still leidend und alle nicht mehr ganz jung, nicht immer: Sie verlieren sich in einer archivarischen Betrachtung ihres Lebens oder flüchten sich vor der lähmenden Enge ihres Daseins in Alltagsrituale.

Obsessiv kreisen in der Erzählung "Die Marionetten" die Gedanken eines Mannes um die längst verstorbene Schwiegermutter. Die Marionetten, die er von ihr geerbt hat, bewahrt er auf, denn die Schwiegermutter ist "nicht totzukriegen", die Toten verlassen die Lebenden nicht. Die selbstgenügsame Passivität, von der sich die Helden dieser zehn Erzählungen narkotisieren lassen, und die Totenstille ihres Daseins verdichten sich in dem Bild der Gliederpuppen, die verloren von der Decke herabhängen, ohne Boden unter den Füßen, aber nicht schwerelos schwebend wie Kleists anmutige Marionetten. Der Puppenspieler, der sie vor der Erdanziehung retten könnte, scheint sie vergessen zu haben.

Die heimliche Sehnsucht nach dem demiurgischen Marionettenspieler teilen viele dieser Figuren. Gerne überlassen sie sich dem geheimnisvollen Unbekannten, der dann und wann in ihrem Leben auftaucht und die Fäden in die Hand nimmt. Die abergläubische Frau aus "Der Fremde" wird eines Tages von einem alten, merkwürdig mit den Augen rollenden Mann abgefangen. Sie folgt ihm nach, führt seine bizarren Befehle aus, glücklich, "jeglicher Verantwortung enthoben" zu sein.

Die Figuren aus Kathrin Groß-Strifflers Erzählband "Herr M. und der Glaube ans Glück" leben, als könnten sie sich nicht mehr bewegen, weil jemand die Fäden, an denen sie hingen, durchschnitten hat. Sie leiden an dem Riß in der Welt, den schon die Romantiker beklagten, an dem Verlust der Einheit, der Bürde der Selbstbestimmung und der Unüberschaubarkeit des Lebens. Höhenflüge wagen sie nicht, sie haben sich mit ihrem Leben abgefunden, mit dem Komfort der Reihenhaussiedlung, mit den sorgsam gepflegten Vorgärten und der bedrückenden Vergangenheit im Keller. Obwohl sie am Boden bleiben, steht ihr Glück auf wackeligen Füßen. Sie blicken neidisch zwischen gestutzten Hecken, Rosenrabatten und ihrem Geschirr mit Goldrand hervor, nach der Freiheit des anderen schielend, der Gefahr, Entgleisung, Selbstverlust und Ekstase nicht scheut. Ihre unsichtbaren, durchtrennten Fäden ziehen sie hinter sich her, oder sie wünschen sich, an die Leine gelegt zu werden, an die Kette, deren Glieder sich ins Fleisch bohren, wie die Frau in der Erzählung "Die Kette", die sich in einem großen Akt der Regression in einen Hund verwandelt.

Durch Überspitzungen ins Surreale unterstreicht Kathrin Groß-Striffler die Brüchigkeit der Lebensentwürfe. Ihre Figuren sind oft namenlos, entindividualisiert wie Puppen, manchmal jedoch auch aufs Klischee reduziert, wie die vielen verbitterten Frauen mit zusammengekniffenen Mündern.

Selbstsuche und Selbstpreisgabe, Entfremdung und Sehnsucht sind die Kraftfelder, aus denen diese Erzählungen hervorgehen. Manchmal trägt Kathrin Groß-Striffler, die im Herbst 2003 gleich mit zwei Romanen debütierte, ihre Kulturkritik zu laut vor, ist der Horizont ihres Erzähluniversums verfärbt von dem nie verdämmernden Mißtrauen gegen die Moderne. Der Traum vom ganz anderen erfüllt sich jedoch nicht, Türen öffnen sich nur, um unversehens wieder zuzufallen. Zu neuem Leben erwacht die korpulente Pfarrersgattin aus "Der Brief", die sich hinter ihren Speckringen verschanzt wie hinter einem Burggraben, nachdem sie im Briefkasten ein Foto der "dicksten Frau der Welt" gefunden hat, Absender unbekannt. Ratlos gibt sie auf, als der Unbekannte ihr symbolträchtig leere Briefumschläge zukommen läßt. Ein tröstendes Wort hat er für sie nicht übrig. Über dieser Welt voller Verlassenheit bleibt der Himmel versiegelt.

Wenige Seiten genügen dieser scharf beobachtenden Autorin, um das Leben ihrer Figuren mit sezierendem Blick zu durchmessen. Wie ein Kontrastmittel macht ihre unaufgeregte, getragene und dennoch suggestive Sprache das Entsetzen sichtbar, das mühsam hinter die Fassade der Normalität zurückgedrängt wird. Ihre Detailbeschreibungen sind von kunstvoller Akkuratesse. Man hätte diesen rätselhaften, dichten Erzählungen, unter denen sich kleine Meisterwerke befinden, jedoch einen prägnanteren Klappentext gewünscht: "Was ihre Figuren eint, ist die Suche nach dem Glück", ist dort zu lesen. Nach Glück sucht doch eigentlich jeder. Aber die Helden dieser Erzählungen sind ihren Träumen nicht gewachsen.

ANDREA NEUHAUS

Kathrin Groß-Striffler: "Herr M. und der Glaube ans Glück". Erzählungen. Reclam Verlag Leipzig, 2004. 124 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch hätte einen besseren Klappentext verdient, grummelt Andrea Neuhaus, die von Kathrin Groß-Strifflers "kleinen Meisterwerken" sehr angetan ist. "Die Suche nach dem Glück", wie es im Buchumschlag heißt, sei eine viel zu banale oder allgemeine Formulierung, begründet Neuhaus ihre Verärgerung; das Besondere an diesen Erzählungen sei, das Groß-Strifflers Protagonisten ihren Träumen vom Glück nicht gewachsen seien. Die meisten von ihnen sind nicht mehr ganz jung, charakterisiert die Rezensentin die Helden aus "Herr M. und der Glaube ans Glück", flüchten in Alltagsrituale, leiden still vor sich hin, haben sich abgefunden mit dem Unvermeidlichen. Sie bleiben häufig namenlos, berichtet Neuhaus, wirken "entindividualisiert wie Puppen". Manchmal erscheint das etwas klischeehaft, beklagt Neuhaus, vor allem die vielen verbitterten Frauen mit den verkniffenen Gesichtern gefallen ihr nicht; durch "Überspitzung ins Surreale" allerdings konterkariert Groß-Striffler diese kulturkritische, pessimistische Attitüde, die den "Horizont ihres Erzähluniversums verfärbt von dem nie verdämmernden Misstrauen gegen die Moderne", so die Formulierung von Andrea Neuhaus. Kathrin Groß-Striffler sei eine gute Beobachterin und trage ihre Beobachtungen in einer unaufgeregten und doch suggestiven Sprache vor, lobt sie.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr
"Geheimnisvoll und meisterhaft erzählte Geschichten. Bitte mehr davon!" (Die Furche)

"Kathrin Groß-Striffler verfügt über eine ausgeruhte Sprache, die sich in der Darstellung von Details am besten bewährt." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

"Erzählerische Qualität, gesellschaftspolitische Relevanz und sprachliche Kraft, wie man sie in der deutschen Gegenwartsliteratur viel zu selten findet." (Nürnberger Nachrichten)