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Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs irrt der Student Arthur Muttah durch das von Deutschen besetzte Amsterdam. Er versucht zu begreifen, was vor seinen Augen geschieht. Hartnäckig macht er sich daran, die Rätsel um ihn herum zu lösen und gerät dabei in Situationen, deren Banalität Hermans nicht weniger eindringlich beschreibt als ihre makabre Dramatik. "Die Tränen der Akazien" ist ein packender psychologischer Roman über die Suche nach Wahrheit und Ordnung in Zeiten des Krieges.

Produktbeschreibung
Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs irrt der Student Arthur Muttah durch das von Deutschen besetzte Amsterdam. Er versucht zu begreifen, was vor seinen Augen geschieht. Hartnäckig macht er sich daran, die Rätsel um ihn herum zu lösen und gerät dabei in Situationen, deren Banalität Hermans nicht weniger eindringlich beschreibt als ihre makabre Dramatik.
"Die Tränen der Akazien" ist ein packender psychologischer Roman über die Suche nach Wahrheit und Ordnung in Zeiten des Krieges.
Autorenporträt
Willem Frederik Hermans, geboren 1921 in Amsterdam, Studium der Physischen Geographie, Promotion auf diesem Gebiet und Lehre bis 1973 als ordentlicher Professor an der Universität Groningen. Während des Zweiten Weltkriegs begann Hermans zu schreiben, Veröffentlichung neben Romanen auch Gedichte, Dramen, Erzählungen und Essays. Zahlreiche Literaturpreise, die er jedoch zumeist ablehnte. Seine Werke sind in den Niederlanden Schullektüre. Der Autor verstarb 1995 in Utrecht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.2005

Wenn kein Spatz vom Dach fällt
Im Grenzgebiet: Ein früher Roman von Willem Frederik Hermans

Obwohl er zu den erfolgreichsten und zugleich meistumstrittenen niederländischen Autoren seiner Generation gehörte, blieb der 1921 geborene Willem Frederik Hermans, der heute vor zehn Jahren starb, hierzulande lange ein Unbekannter - bis vor einigen Jahren "Die Dunkelkammer des Damokles" übersetzt wurde. Mit diesem Roman - mysteriös, pessimistisch, ein hochspannender Thriller von der ersten bis zur letzten Seite - gelang dem Autor Ende der fünfziger Jahre der Durchbruch. Nun jubelten auch deutsche Kritiker.

Im letzten Jahr war von Hermans auf deutsch das Spätwerk "Au pair" zu lesen, ein etwas verplappertes, überkonstruiertes Buch um eine naive Blondine in Paris; eine Enttäuschung. Nun ist der erste große Roman des Niederländers erschienen, mit dem er 1949 bekannt wurde. "Die Tränen der Akazien" spielt im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs in den besetzten Niederlanden. Durch Amsterdam fahren Autos mit Holzgasgenerator, die Fenster der Häuser sind mit schwarzem Papier verdunkelt, es herrscht abendliche Ausgangssperre. Von überall her tönen Axthiebe: Die Menschen zerlegen im letzten Kriegswinter alles, was aus Holz ist und verheizt werden kann, ob Türen, Möbel oder die Schwellen der Straßenbahnschienen. Die Häuser des entvölkerten Judenviertels sind mit Stacheldraht versperrt. Am Himmel dröhnen die Flugzeuge, die allnächtlich mit ihrer Bombenlast Richtung Deutschland fliegen. Kaum noch jemand zweifelt daran, daß die Deutschen den Krieg verlieren werden.

Der zwanzigjährige Student Arthur Muttah ist eine vom Krieg entwurzelte Existenz. Genaugenommen hat er nie Wurzeln gehabt. Der uneheliche Sohn eines Brüsseler Aristokraten wuchs in Amsterdam mit seiner haßgeliebten Halbschwester Carola bei der Großmutter auf, einer unheimlichen Alten, die als "Wahrsagerin" in den verängstigten Zeiten viel Zulauf hat. Schon diese Familienverhältnisse sind im kleinen das, was die Welt für Hermans im großen ist: ein "sadistisches Universum".

Man war von der Literatur über die Zeit des Nationalsozialismus lange gewohnt, daß sie Helden und Verräter, Opfer und Täter deutlich unterschied. Hermans bricht solche Konventionen bereits 1949 auf. Arthur Muttah tötet einen Deutschen. Allerdings ist es kein Akt des heroischen Widerstands, denn er begeht die Tat ein paar Stunden nach der Befreiung, im moralischen Grenzgebiet "zwischen bestraft werden und ungestraft davonkommen". Und dann auch eher aus Versehen und einer ziellos explodierenden Lebensaggression. Man fühlt sich an den "Fremden" von Camus erinnert - wie überhaupt ein existentialistischer Zug die Werke von Willem Frederik Hermans prägt.

Die Unverständlichkeit der Welt ist ein großes Thema dieses Autors. Ist Arthurs väterlicher Freund Oskar Ossegal ein kühner Patriot, ein feiger Opportunist oder gar ein Kollaborateur? Prostituiert sich seine Halbschwester für die Deutschen, oder ist sie eine Heldin des Widerstands? Ist ihr deutscher Geliebter ein SS-Mann, Deserteur oder Spion? Die Geschehnisse lassen verschiedene Deutungen zu, und die Unterdrücker geben ebenso klägliche Figuren ab wie die Unterdrückten. Die ernüchternde Schilderung des Widerstands stieß seinerzeit auf wenig Gegenliebe. Die Zeitung, die den Vorabdruck des Romans besorgte, überstand den Käuferboykott nicht.

Am allgemeinen Jubel über die Befreiung nimmt der Misanthrop Arthur nicht teil. "Auf allen Klavieren in der Nachbarschaft wurde bis spät in die Nacht die Nationalhymne gespielt, und das brachte ihn fast zur Verzweiflung." Wenn endlich "das passierte, was man seit langem erhofft hatte, war es so ohne Saft und Kraft, daß man nicht verstehen konnte, auch nur einen Augenblick davon geträumt zu haben". Seine Halbschwester wird nun vom Mob durch die Straßen geschleift; man schneidet ihr die Haare ab und schmiert mit roter Farbe Hakenkreuze und die Worte "Moffenhure, 3. Stock" auf den Gehsteig vor dem Haus. "Das kommt davon", denkt Arthur.

In der Furcht, als Mörder entlarvt zu werden, setzt er sich ab nach Belgien. Eindrucksvoll wird sein Weg durch Landschaften und Städte beschrieben, die der Krieg gezeichnet hat. Er kommt bei seinem Vater unter; etwas überraschend entwickelt sich das Buch nun zum Familiendrama, während die bisherige zweite Hauptfigur Oskar Ossegal aus dem Blick gerät. Auch in Brüssel kommt Arthur nicht auf die Beine. So beschließt er, sich als Freiwilliger auf amerikanischer Seite für den Pazifikkrieg zu melden. Aber so einfach ist auch das nicht, und als endlich alle behördlichen Hindernisse überwunden sind, macht ihm schließlich die Atombombe einen Strich durch die Rechnung: Der Krieg ist schon vorbei. In einer blutig-halluzinatorischen Bordell-Szene endet das Buch.

Die Rätselhaftigkeit der Welt ist ein faszinierendes Thema, aber als Leser weiß man gern, woran man ist. Statt dessen sieht man sich im ersten Drittel des Romans selbst in den desorientierten Status einer Hermans-Figur versetzt und vielen Ungewißheiten ausgeliefert. Es dauert lange, bis das Buch in Fahrt kommt und der Leser in den Bann der beklemmenden Welt gezogen wird.

Hermans plädierte für einen Roman, in dem alles zielgerichtet ist und kein Detail zusammenhanglos bleibt. Für einen Roman, "in dem kein Spatz vom Dach fällt, ohne daß es Folgen hat", wie es sein in den Niederlanden berühmtes "Spatzentheorem" formuliert. An einer Figur dürfe demnach nur das zählen, was für die Handlung entscheidend sei. Psychologische Komplexität interessiert Hermans nicht - deshalb vertragen seine Romane aber auch keine Weitschweifigkeiten. Leider sind sie neben kompositorischen Unausgewogenheiten und einer Reihe ungeschickter Metaphern in diesem Frühwerk nicht zu übersehen. In "Die Dunkelkammer des Damokles" hat Hermans die Doppelsinnigkeit zur sinnverwirrenden Perfektion getrieben. "Die Tränen der Akazien" liest sich über weite Strecken wie eine sehr beachtliche Vorübung für das Meisterwerk. Der ungewöhnliche Blick auf die Wirren und Verstörungen des Jahres 1945 besitzt darüber hinaus gerade in diesen Tagen, in denen des Kriegsendes vor sechzig Jahren gedacht wird, Aktualität.

WOLFGANG SCHNEIDER

Willem Frederik Hermans: "Die Tränen der Akazien". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Waltraud Hüsmert. Gustav Kiepenheuer Verlag, Berlin 2005. 518 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Zorn des Autors rettet seinen Roman "Die Tränen der Akazien" vor dem Kitsch, stellt Robin Detje fest, und überhaupt zeigt der Rezensent sich tief erregt von diesem frühen Roman des niederländischen Schriftstellers Willem Frederik Hermans. Als ein "erstaunliches, ein ungestümes Buch" sieht der Rezensent dieses Werk an, das die Zeit des Kriegsendes in Amsterdam beschreibt, zwischen den deutschen Besatzern und kanadischen Befreiern. Hermans zeichnet eine Welt aus Lügen und Schmutz und Verrat, in der jeder für sich einen sicheren Ort sucht, auch der "junge Antiheld Arthur Muttah", der zornig und postexpressionistisch durch den Roman taumelt, dabei den deutschen Liebhaber seiner Schwester erschlägt - sie hilft ihm dann, die Leiche in einem Kanal zu versenken - und bei seiner eigenen haltlosen Jagd nach Liebe tragisch scheitert. Auch auf die Zeitlosigkeit des "schaurig-schönen Wälzers" weist der Rezensent hin: Detje fühlte sich durch die Lektüre an andere Schauplätze des Nach-Kriegs versetzt, nach Belgrad etwa oder nach Bagdad.

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