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Nicht zum ersten Mal blickt der Autor zurück auf sein Leben. Dieses aber ist sein persönlichstes Buch. Mit beeindruckender Offenheit ruft er Erinnerungen an Freunde und Weggefährten wach und gewährt Einblicke in sein eigenes Denken. Es ist ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle.
Ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle, für das Wolf ein Motto von Alexander Kluge wählte: »Im Lebenslauf verteidigt der Mensch das einzige, was er besitzt: seine Zeit und seinen Eigensinn ... Gefühle können Partisanen sein, Katalysatoren, Störenfriede, Bremser und Vollender. Sie
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Produktbeschreibung
Nicht zum ersten Mal blickt der Autor zurück auf sein Leben. Dieses aber ist sein persönlichstes Buch. Mit beeindruckender Offenheit ruft er Erinnerungen an Freunde und Weggefährten wach und gewährt Einblicke in sein eigenes Denken.
Es ist ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle.
Ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle, für das Wolf ein Motto von Alexander Kluge wählte: »Im Lebenslauf verteidigt der Mensch das einzige, was er besitzt: seine Zeit und seinen Eigensinn ... Gefühle können Partisanen sein, Katalysatoren, Störenfriede, Bremser und Vollender. Sie sind ein geheimnisvolles Inventar der Geschichtslandschaften, sie begründen bestimmte Prozesse weit jenseits des organisierten guten Willens, der sich Politik nennt.«
Schon einmal, in der »Troika«, hat Markus Wolf über Freunde und Freundschaften geschrieben. In diesem Buch wendet er sich den Freunden zu, die seinen Lebensweg kreuzten und ihn ein Stück begleiteten, manche von der Kindheit an. Es sind Persönlichkeiten, deren Haltungen so verschieden sind wie ihre Lebenswege: der Amerikaner, der Agent des sowjetischen Geheimdienstes war; Freunde aus der Moskauer Schulzeit, aus denen Forscher, Aufklärer, Publizisten im Dienste verschiedener Herren wurden; der französische Journalist, den Wolf nach dem Ende der DDR kennenlernte; der Auschwitz-Häftling, KoKo-Mitarbeiter und jetzige israelische Staatsbürger; der Politiker und Alterspräsident des Bundestages, der aus Überzeugung zum Informanten der HVA wurde ... Es ist ein Buch des Rückblicks, das seine Spannung nicht nur aus den mit den politischen Bewegungen des letzten Jahrhunderts so eng verbundenen Schicksalen dieser Personen bezieht.
Autorenporträt
Geboren 1923 in Süd-Württemberg. Sohn des aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammenden Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf. Bruder des Filmregisseurs Konrad Wolf. Ab 1955 Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit der DDR, ab 1980 im Rang eines Generalobersten. 1986 Ausscheiden aus dem aktiven Dienst auf eigenen Wunsch, seitdem schriftstellerisch tätig. 1993 Prozeß wegen »Landesverrats« in Düsseldorf, 1995 Aufhebung des Urteils durch den Bundesgerichtshof, 1997 erneuter Prozeß. Verurteilung zu zwei Jahren auf Bewährung. Urteil 2000 aufgehoben. Markus Wolf ist verheiratet und lebt in Berlin.
Rezensionen
Verschwiegen
Markus Wolf war innerhalb der DDR-Staatssicherheit als Chef der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) über 30 Jahre zuständig für die Auslandsspionage. Nach dem Ende der SED-Herrschaft löste sich der Apparat auf, und Wolf wurde von bundesdeutschen Gerichten verurteilt - die ihm anvertrauten Agenten hat er trotz aller verlockenden Angebote verschiedener Geheimdienste nie verraten. Auch in diesem Band hält sich der Ex-Nachrichtenmann an das Prinzip, nichts zu schreiben, was seinen ehemaligen "Quellen" schaden könnte.
Keine Verklärung der DDR
Die Begegnungen mit faszinierenden Persönlichkeiten, die sich aus höchst unterschiedlichen Motiven zur Zusammenarbeit mit der DDR-Aufklärung bereit erklärten, stehen im Mittelpunkt des Bandes. Es erstaunt, wie nahe sich offenbar Agentenführer und "Kundschafter" im Laufe ihrer gemeinsamen Tätigkeit kamen. Wolf lamentiert nicht und zeigt sogar hier und da die Fähigkeit zur Selbstkritik. Er stellt sich auch gegen die Verklärung des real existierenden Sozialismus und beschreibt die durch ideologische Engstirnigkeit entstandenen Probleme in der HVA. Vor allem liefert er aber ein detailliertes und sehr lebendiges Bild der "Soldaten an der unsichtbaren Front". Man mag Wolf gegenüberstehen, wie man will: Interessant ist die Lektüre seiner Schilderungen aus einer - letztendlich dann doch - vergangenen Zeit allemal.
(Philipp-Robert Schulz, literaturtest.de)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

""Markus Wolf sollte ein Erholungsheim für Altspione gründen", schlägt Frank Pergande nach der Lektüre von Wolfs neuester Veröffentlichung "Freunde sterben nicht" vor. Des Autors Horizont bewege sich weiterhin in der alten Blockkonfrontation. An seiner schematischen Freund-Feind-Zuordnung hätten die Nachwendejahre nichts geändert. Wolfs untergegangene Welt könne Leser, welche die DDR von ihren tristen Seiten oder als Unrechtsstaat erlebt haben, nur erstaunen. Die Geschichten von Wolfs unsterblichen Freunden aus Ost und West, deren Identität der Rezensent zu entlarven versteht, wecken zwar zum Teil Pergandes Interesse, da sie unter anderem von aufregenden Agentengeschichten handeln. Dieser Einblick in die Praxis deutscher Geheimdienste werde aber überschattet von den alten Phrasen über die damaligen politischen Systeme und die spätere "Sieger-Justiz". Wolfs mangelndes moralisches Bewusstsein veranschaulicht für Pergande der unkritische Umgang mit Begriffen wie "Säuberung", die für "Zensur, Entlassung, Verhaftung und Mord standen".

© Perlentaucher Medien GmbH"

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Gesäuberte Zeiten
Markus Wolf sollte ein Erholungsheim für Altspione gründen / Von Frank Pergande

Wer versucht, Markus Wolfs jüngstes Buch aus der Sicht seines Autors zu sehen, dürfte melancholisch werden. Wolf stammt aus einer berühmt gewordenen Familie. Sein Vater war der Schriftsteller Friedrich Wolf, dessen Drama "Professor Mamlock" im Schulunterricht der DDR behandelt wurde. Markus wuchs in der Sowjetunion auf, wohin sein Vater emigriert war. Er war zu jung, um die stalinistischen Gewalttaten in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bewußt wahrzunehmen, wurde Journalist und kam mit der "Gruppe Ulbricht" zurück nach Deutschland. Er berichtete von den Nürnberger Prozessen. Sein Bruder Konrad wurde Regisseur und war Präsident der Akademie der Künste der DDR.

Markus baute die DDR-Staatssicherheit mit auf und wurde der Verantwortliche für die Auslandsspionage, zuletzt im Rang eines Generalobersten. Drei Jahre vor dem Ende der DDR quittierte er den Dienst bei der Staatssicherheit, um Schriftsteller zu werden. Sein erstes Buch hieß "Die Troika" und ging zurück auf eine Idee seines Bruders Konrad, der über das miteinander verwobene Schicksal dreier Emigrantenfamilien einen Film hatte drehen wollen. Das Buch erschien 1989 und wurde ein großer Erfolg. Viele in der DDR meinten fortan, Wolf sei ein Mann der Perestroika und wäre möglicherweise ein geeigneter Honecker-Nachfolger.

Wolf stand am 4. Dezember 1989 auf der Rednertribüne bei der Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz und verteidigte die Mitarbeiter der Staatssicherheit. Das war zweifellos mutig. Im geeinten Deutschland mußte sich Wolf wegen seiner Vergangenheit vor Gericht verantworten. Er wollte sich dem entziehen und ging nach Moskau. Von dort kehrte er nach dem mißlungenen Putschversuch zurück nach Deutschland. Er wurde verurteilt, kam aber bald wieder frei. Heute lebt er in Berlin und in seinem Haus in der Schorfheide im Brandenburgischen. Er ist jetzt neunundsiebzig Jahre alt und schreibt noch immer. Der Untergang der Sowjetunion und der DDR waren der Untergang seiner Welt. Er wirkt verbittert, spricht immer noch von "unserem Staat" und vom "Verrat der politischen Führung im Kreml an den Freunden in der DDR". Es sei deshalb so gekommen, "weil sich das herrschende System unendlich weit von den Idealen des Sozialismus entfernt hatte, weil entgegen den ursprünglichen und eigentlichen Wesenszügen des Sozialismus selbständiges Denken und Handeln nicht mehr gefragt waren".

Jene aber, denen die DDR vor allem ein grauer Alltag aus politischer Zumutung, geistiger Verkrüppelung, ewigem Mangel und grotesker Bevormundung war, können über das neue Buch von Markus Wolf nur staunen. Das beginnt schon bei dem Titel "Freunde sterben nicht". Die meisten Freunde, von denen Wolf erzählt, sind aber längst tot. Als alter Spionagegeneral nennt Wolf die Freunde nicht beim richtigen vollen Namen. Der Leser soll sich mit den Vornamen begnügen. Daß Wolfgang beispielsweise Wolfgang Leonhard sein soll, ist leicht zu erraten. Rudolf ist Rudolf Hirsch, der Gerichtskolumnist der DDR-Wochenzeitung "Wochenpost" gewesen war. Seine Frau Rosemarie ist die Schriftstellerin Rosemarie Schuder. Sir William, mit dem Wolf sich regelmäßig konspirativ getroffen und bei dieser Gelegenheit das Transitabkommen ad absurdum geführt hatte, ist der 1987 gestorbene FDP-Politiker William Borm.

Wolf hielt es, wenn man seinen Geschichten glauben darf, mit Spionen aus Ost und West gleichermaßen. Fast scheint es, als müßten auch Spione als Interessenvertretung eine eigene Gewerkschaft haben. Vielleicht unter Vorsitz von Wolf, der sich um ein Erholungsheim bemühen sollte, in dem alt gewordene Spione, von welcher Seite auch immer, freundschaftlich zusammenlebten und einander ihre Abenteuer erzählten. Zweifellos gibt es Passagen, die man mit Spannung liest. Etwa im letzten Kapitel "Johanna", in dem Wolf erzählt, wie DDR-Bürger als Spione in die Bundesrepublik eingeschleust und schließlich wieder herausgeholt wurden. Aber dann wieder langweilt ein Unverbesserlicher mit seinen Tiraden über den Kapitalismus, dessen "parteiische Justiz" und die "billige Rache der Sieger". Schon auf Seite zehn verrät Wolf sein Denkmuster. Über "Sonjas Rapport", das in der DDR sehr bekannt gewordene Buch von Ruth Werner, heißt es, der Text sei zunächst nur für den internen Gebrauch verfaßt worden, wäre dann aber auf Wolfs Anregung veröffentlicht worden. Allerdings sei der Text vor der Buchausgabe "von nicht freigegebenen Passagen gesäubert" worden. "Gesäubert" - dieser Mann benutzt noch immer freiweg das Wort, das als Beschönigung für Zensur, Entlassung, Verhaftung und Mord stand.

Markus Wolf: Freunde sterben nicht. Eulenspiegel Verlagsgruppe Das Neue Berlin, Berlin 2002. 255 Seiten, 17,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.08.2002

Die Katzen werden gut versorgt
Ein Abschlusscommuniqué verwickelter Beziehungen: Markus Wolf erinnert an seine Freunde
Hans war darunter, und Jim war dabei, und Sascha ist Wunderheiler geworden. Auch über Leonard, Martin und Alik hätte man gern mehr erfahren. Dass sie sich eines Tages mit Markus Wolf anfreundeten, scheint keinesfalls das Aufregendste in ihren Lebensläufen gewesen zu sein, aber es charakterisiert deren Eigenart. Ihre Biographien hat der Weltbürgerkrieg nicht nur bestimmt, sie haben ihn geführt, sich seinen Regeln bis ins Private hinein unterworfen.
Verlässlich aber kam der Augenblick, in dem sie Privatleute mit bürgerlicher Existenz werden mussten. Da sitzt dann Ende der achtziger Jahre der Kommunist Leonard, der in den USA für den sowjetischen Geheimdienst spionierte, krank in seinem Rollstuhl, die New Yorker Wohnung ist klein und übervoll mit Büchern und Papieren, Erinnerungen. Mit brüchiger Stimme sagt er: „Die revolutionäre Disziplin gebietet es, Begebenheiten aus dem Kampf nicht mitzuteilen”. Da ist Johanna, die als Sonja Lüneburg zu den erfolgreichen „Kundschaftern” der DDR in Brüssel und Bonn gehörte. Heute versorgt sie die Katzen der Wolfs mit „erstklassigem Fleisch aus Polen”.
In neun sorgfältig komponierten Porträts erinnert der frühere Leiter der Hauptabteilung Aufklärung und stellvertretende Minister für Staatssicherheit der DDR nun an Menschen, die ihm wichtig waren: an Agenten und Geheimdienstler, an den Journalisten Maurice, den FDP-Politiker William Borm. Es sind ausnahmslos interessante Geschichten.
Der Generaloberst Wolf hatte sich 1986 aus dem aktiven Dienst verabschiedet, um über eine Männerfreundschaft zu schreiben, die im Moskau der dreißiger Jahre begann. „Die Troika” wurde einer der letzten großen Bucherfolge der DDR. Neugier auf verschwiegene Geschichte, die Lust, zwischen den Zeilen zu lesen, Respekt vor den Emigranten, Interesse am Autor, der auch im Osten lange Zeit als „Mann ohne Gesicht” galt, bescherten dem dokumentarischen Bericht viele Leser. Wolf schien geeignet, eine Art Popstar der internationalen Geheimdienstszene zu werden. Er beherrschte sein Fach. Das Gerücht, ein musischer Mensch von angenehmen Manieren zu sein, hat ihn immer begleitet. Und diese Rolle schien Wolf zu gefallen. Bis heute hat er die Kränkung nicht verwunden, dass er als Redner auf der großen Demonstration am 4. November 1989 ausgepfiffen worden war, dass er sich später vor Gericht hatte verantworten müssen. Formelhaft spricht er von „Diffamierung” und „Verfolgung”.
Der kleine und der große Mischa
Seine „autobiographischen Geschichten” dienen vor allem der Rechtfertigung. Wo der Leser Auskunft über das tatsächlich Geschehene erwartet, appelliert Wolf an dessen moralische Urteilskraft. An seiner eigenen muss nach diesem Buch gezweifelt werden. Seinen Freund Alik etwa hat er in den dreißiger Jahren an der 110. russischen „Fritjof-Nansen-Schule” kennen gelernt. Mitten im Kriege denunzierte ein Parteisekretär Aliks Stiefvater, ein militärisches Schnellgericht verurteilte diesen zum Tode. Da sein Sohn aber Frontoffizier war, wurde die Strafe in zehn Jahre Haft umgewandelt. Alik diente aufgrund seiner Deutschkenntnisse in einer der brutalsten NKWD-Truppen: SMERSCH, wie die russische Abkürzung für „Tod den Spionen” lautet. Wolf nimmt Aliks Fall zum Anlass vom Paradoxen „in diesem Spiel des Schicksals”, von „Widersprüchen” zu schwafeln. Handelte es sich nicht vielmehr um Willkür, das Grundprinzip des Stalinismus, aus Tätern Opfer, aus Opfern Täter zu machen?
Nach dem Krieg studierte Alik Germanistik, wurde Professor, betreute die russische Heine-Ausgabe. Inzwischen hält er den Kommunismus für gescheitert, Stalin sei ein Verbrecher wie Hitler. Die klaren Worte trennen ihn von Wolf. Der zeigt lieber Verständnis für den Geheimdiens tmann Sascha, der spät seine Liebe zur russisch-orthodoxen Kirche entdeckte und Wunderheiler wurde. Oder für Jim, einen amerikanischen Waffen- und Militaria-Händler.
Der Sympathie Wolfs kann sich auch „der kleine Mischa” sicher sein, der inzwischen in Israel verstorben ist. SeineKarriere begann in der Nachkriegszeit mit Schiebereien. Er geriet, schreibt Wolf, „beim Suchen seines Glücks im Westen mit den Gesetzen in Konflikt”. Glücklicherweise gelang ihm die Flucht in den Osten, wo er Schwarzmarkthandel betrieb. Der energische, manchmal brutale Kriminelle fand die Unterstützung der Staatssicherheit und baute unter ihrem Schutz die Handelsfirma F.C.Gerlach auf, die im „KoKo”- Imperium Schalck-Golodkowskis eine wichtige Rolle spielte. Der Strafverfolgung entzog sich „der kleine Mischa” durch Annahme der israelischen Staatsbürgerschaft.
Mit viel Einfühlungsvermögen, Einzelheiten verschweigend, zeichnet Wolf die Verbindung des kleinkriminellen Milieus mit dem staatlichen Willkürapparat nach. Da gesellt sich gleich und gleich, liegt dem Leser auf der Zunge, und Wolf bietet wenig, um dieses Ressentiment zu widerlegen. Der Hinweis auf sozialistische Ideale erklärt nichts. In dem meisterhaften Film seines Bruders Konrad Wolf, „Ich war neunzehn”, tröstet sich ein deutscher Bildungsbürger mit klassischer Musik über alle Verbrechen hinweg. Auch wer die Gleichsetzung von Kommunismus und Nationalsozialismus für historisch falsch hält, wird beim Lesen von Wolfs Buch an diese Szene denken müssen: Jugenderinnerungen und Phrasen beschwichtigen den Verdacht, dass die Opfer sich nicht gelohnt haben .
Dem selbstgerechten Blick ist es wohl auch zuzuschreiben, dass Wolf so schreibt, als wolle er ein Kommuniqué verfassen. „Auch in den noch folgenden sechs Jahren unserer enger werdenden Beziehung kam Martin ständig auf die Elemente seiner Denkweise zurück, und er bemühte sich immer wieder, den Gedankenaustausch mit mir fortzusetzen.”
Ein Gedankenaustausch des Lesers mit Wolf setzt voraus, dass er die Meinungen des Autors teilt, suggestive Formeln mehr schätzt als Argumente. Im Prozess gegen Wolf wurde die Kundschafterin Johanna gefragt, ob sie nicht Freundschaften ausgenutzt, Vertrauen missbraucht habe. Zustimmend zitiert Wolf ihre Antwort, sie habe Motive, die umfassender seien, als es persönliche Beziehungen sein könnten.
So gesehen bleiben die sozialistischen Ideale freilich eine Geheimlehre, die Unterwerfung fordert, Aufgabe des Individuellen wie des zivilisierte Menschen Verbindenden.Wohl deswegen verrät Wolf auch nicht die bürgerlichen Namen seiner Freunde. In Chicago sprach man von „Gamaschen-Joe”. Hier gibt es den kleinen und den großen Mischa, Hans und die anderen alle, als müssten die Regeln der Konspiration für alle Zeit eingehalten werden.
JENS
BISKY
MARKUS WOLF: Freunde sterben nicht. Autobiographische Geschichten. Das Neue Berlin, Berlin 2002. 255 Seiten, 17,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Im Lebenslauf verteidigt der Mensch das einzige, was er besitzt: seine Zeit und seinen Eigensinn ... Gefühle können Partisanen sein, Katalysatoren, Störenfriede, Bremser und Vollender. Sind sind geheimnisvilles Inventar der Geschichtslandschaften, sie begründen bestimmte Prozesse weit jenseits des organisierten guten Willens, der sich Politik nennt." (Alexander Kluge)