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Alle sind wir seltsame Reisende, Reisende auf der Reise ins NichtsSonntag hatte sich zehn Minuten Zeit gelassen, sein Büro zu räumen. Von globalen Prozessen war die Rede, von schmerzlichen Zwängen. Mit dem Aktenkoffer in der Hand driftet er durch die Stadt, steigt in einen Zug, lässt sich von seinem inneren Kompass auf die Insel führen, nach Usedom, Landschaft seiner Kindheit. In einer gemieteten Segeljacht möchte er am liebsten aus seinem Leben davontreiben. Unmerklich und im Takt der Wellen gleitet er aus der früheren Existenz, weg von den schwarzen Gedanken, überlässt sich dem Boot und der…mehr

Produktbeschreibung
Alle sind wir seltsame Reisende, Reisende auf der Reise ins NichtsSonntag hatte sich zehn Minuten Zeit gelassen, sein Büro zu räumen. Von globalen Prozessen war die Rede, von schmerzlichen Zwängen. Mit dem Aktenkoffer in der Hand driftet er durch die Stadt, steigt in einen Zug, lässt sich von seinem inneren Kompass auf die Insel führen, nach Usedom, Landschaft seiner Kindheit. In einer gemieteten Segeljacht möchte er am liebsten aus seinem Leben davontreiben. Unmerklich und im Takt der Wellen gleitet er aus der früheren Existenz, weg von den schwarzen Gedanken, überlässt sich dem Boot und der See, kämpft instinktiv um sein Leben und ahnt noch nicht, dass das Schiff seine Arche ist.Ein Roman, der die großen Fragen der modernen Existenz voll innerem Ernst und mit ruheloser Sehnsucht umkreist."Er hatte einiges begriffen. Man schimpft nicht auf den Wind, der ist, wie er ist, man lernt es, ihn zu nutzen und den Böen zu begegnen."
Autorenporträt
Matthias Wegehaupt, geb. 1938 in Berlin als Sohn des Künstlers Herbert Wegehaupt, studierte in Greifswald und an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. Nach Abbruch des Studiums freischaffender Künstler. Seit 1989 Ausstellungen in Frankreich, Polen und Deutschland, 1999 Ehrengast der Villa Massimo in Rom. Er lebt in Ückeritz auf Usedom.Sein erster Roman "Die Insel" (2005) wurde als das "ultimative Werk über die verflossene DDR" bezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2012

Sonntags Ende
Wer die Arbeit verliert I: Matthias Wegehaupts Roman

Ein Mann namens Sonntag, Angestellter einer großen Bank, wird aus Altersgründen entlassen. Die globalen Verwerfungen hätten auch vor der Tür des Konzerns nicht haltgemacht, teilt man ihm mit, schmerzhafte Entscheidungen seien unumgänglich. Immerhin seien noch etliche Urlaubstage offen. Doch der Protagonist des Romans "Schwarzes Schilf" will keinen Urlaub. Er hebt noch einmal Geld ab, deponiert Uhr, Handy und Papiere in einem Schließfach und wirft den Schlüssel weg. Mit dem Zug fährt er gen Norden, nach Usedom, der von seinen Eltern zu DDR-Zeiten verlassenen alten Heimat. Hier mietet sich der halt- und orientierungslose ehemalige Manager ein Boot und segelt an der Küste entlang, fährt nach Polen und Peenemünde, spricht hin und wieder mit anderen Menschen, vor allem aber mit sich selbst, notiert seine Träume und Gedanken, begeht fast ein Attentat auf den Bundespräsidenten und findet am Ende wieder ins Leben zurück.

Der Maler Matthias Wegehaupt, geboren 1938, hat Usedom mit dem 2005 erschienenen Roman "Die Insel" schon einmal ein literarisches Werk gewidmet. Reichte der Zeitraum damals vom Mauerbau bis zum Mauerfall, prägen nun westdeutsche Luxustouristen und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise das Leben auf dem Eiland, vom dem auch die Schatten des letzten Weltkriegs und seiner Toten noch nicht gewichen sind. Der bis vor kurzem zum Lager der wohlhabenden Westmenschen gehörende Sonntag gerät nun als Verlierer unter die Verlierer, bleibt aber auch hier ein Ausgestoßener, Verlorener, der dem Kerker seines Unglücks nicht entkommen kann.

Denn der seit wenigen Tagen arbeits-, aber keineswegs mittellose Bootskapitän ist ein wahrer Hiob des Selbstmitleids, ein Desperado des Seelenkummers, der überflutet wird "von bodenloser Gleichgültigkeit", um anschließend im "Meer des Grauens" zu versinken: "Auf Grund gesetzt, dachte er. Ich bin auch auf Grund gesetzt, alles ist auf Grund gesetzt." Seine plötzlich verlorene Stelle scheint ihm einziger Lebensinhalt und -sinn gewesen zu sein - auch wenn er sonst vom Autor als ein Mann mit weitem Horizont und mancherlei Erfahrungen geschildert wird, der gern Goethe und Joseph Conrad erwähnt und fernste Länder kennt.

Über den eigentlichen Inhalt dieser Tätigkeit im Dienste des Kapitals, deren Verlust zu peinlich oft wiederholten Selbstabschaffungsphantasien und Weltanklagereden führt, erfährt man indes ebenso wenig wie über Sonntags anscheinend kinder- und partnerloses früheres Leben. Sein Insiderwissen des Bank- und Geldgeschäfts scheint sich aus der gelegentlichen Lektüre von Zeitungsüberschriften und Internetparolen zu speisen, was das Schwadronieren auf den Weiten des Wassers natürlich erleichtert und dem Groll des den Peenestrom und das Stettiner Haff durchpflügenden Rächers der Betrogenen und Beleidigten die rechte Schubkraft verleiht: "Das Monster der internationalen Finanzmärkte kaut und scheißt, und es ist Krieg! Sie lügen, sie lächeln, und sie verraten uns."

Sonntag nagt am Knochen seiner Demütigung. Doch statt echter Verzweiflung tönt aus diesem vierhundertseitigen "Roman einer Reise" nur das Dauerlamento eines wehleidigen Helden ohne Resonanzraum und Kontur, eines kauzigen Grantlers, dessen klischeegetrübter Blick dem Bild der Welt keine neue Facette, keine überraschende Perspektive hinzuzufügen vermag. Entsprechend kitschbefrachtet geht es zu, wenn dieser selbsternannte Nachfahre des Fliegenden Holländers bei einem Golfhotel anlegt und dort nur "Menschenwölfe auf Urlaub" entdeckt, die Sätze sagen, wie sie Reiche eben so sagen: "Wer hier verkehrt, ist erfolgreich."

Da kann er voll wohliger Verachtung wieder in See stechen. Und doch: Misslungene Formulierungen durchziehen das ganze Buch und machen die Lektüre mühsam. Erzählerisch gänzlich sinnlose Angaben ("Links ein Klosett für Hunderte. Er hatte das Geschäft im Museum erledigt.") wechseln ab mit elliptischen Sprachspielen ("Ihr Gesicht im Neonlicht ein anderes Gesicht. Wahrscheinlich eine Studentin. Minijobs.") Einzigartig hölzern aber sind die artifiziellen Dialoge dieses Romans, in denen kein Funken gesprochener Sprache aufblitzt.

Literarische Sprache, sagte Peter Handke einmal im Gespräch mit Christian Linder, entstehe dadurch, dass die einzelnen Sätze ihre Entstehungsgeschichte, ihre Umwelt und Zeit gleichsam mitliefern, dass sie in einen Zusammenhang, eine Fiktion, eine Objektivierung gebracht werden. In diesem Buch fehlt es den Figuren an Glaubwürdigkeit, dem Geschehen an Anschaulichkeit, der Sprache an Kraft. Darum muss es auch so viele Worte machen.

MATTHIAS WEICHELT

Matthias Wegehaupt: "Schwarzes Schilf". Roman einer Reise.

Aufbau Verlag, Berlin 2012. 410 S., geb., 22,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ziemlich viele Worte für so wenig Roman liefert Matthias Weichelt in seiner Besprechung. Das Buch von Matthias Wegehaupt ist der ganzen Rede nämlich offenbar gar nicht wert. Wegehaupts Aussteiger wider Willen, der seinen Groll auf die Welt beim Segeln vor Peenemünde in die Gischt schreit, hat der Rezensent schnell über. Das Dauerlamento des wehleidigen Helden dehnt sich aber über 400 Seiten! Erschwerend wirkt laut Weichelt, dass die über Finanzkrise und Klassengesellschaft schwadronierende Figur so wenig glaubwürdig ist, weil der Autor ihr keine Kontur verleiht und keine Idee. Schlimmer noch: Auch stilistisch haut der Autor daneben, mit hölzernen Dialogen und misslungenen Formulierungen. Oje.

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» Nachdenkliche, literarisch stimmige Sinnsuche. « Bettina Kraemer Buchprofile 20121017