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Gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden an der Universität schließt sich Joaquin Ortega dem politischen Widerstand gegen das Terrorregime des Generals Batista an. Gefährliche bewaffnete Aktionen, ein leichtsinniges Attentat, die Flucht in den Untergrund... Immer noch Romantiker, Träumer und Rebell, erlebt Joaquin 1959 den Sieg der Revolution Fidel Castros und die ersten Jahre der großen Euphorie, die die Insel erfaßt, als man eine neue, revolutionäre Gesellschaft aufzubauen beginnt. Aber in dem Maße, wie das Regime seine revolutionäre Verheißung nicht mehr erfüllt, das Volk verarmt und die…mehr

Produktbeschreibung
Gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden an der Universität schließt sich Joaquin Ortega dem politischen Widerstand gegen das Terrorregime des Generals Batista an. Gefährliche bewaffnete Aktionen, ein leichtsinniges Attentat, die Flucht in den Untergrund... Immer noch Romantiker, Träumer und Rebell, erlebt Joaquin 1959 den Sieg der Revolution Fidel Castros und die ersten Jahre der großen Euphorie, die die Insel erfaßt, als man eine neue, revolutionäre Gesellschaft aufzubauen beginnt. Aber in dem Maße, wie das Regime seine revolutionäre Verheißung nicht mehr erfüllt, das Volk verarmt und die politische Macht sich zu korrumpieren beginnt, erlischt das Pathos des "Patria o muerte!" In Joaquins Geschichte und der seiner Freunde von einst, die alle unterschiedliche Wege gehen, entsteht ein farbiges Porträt der kubanischen Gesellschaft - ihrer Idealisten, Märtyrer, Mitläufer, Bürokraten, Regimekritiker- von der Revolution 1959 bis in die 90er Jahre.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.1999

Kubanisches Stimmengewirr
Die Revolution frißt auch Jorge C. Olivia Espinosa

Aus der Vogelperspektive nimmt sich das Bild etwa so aus: Die gesellschaftlichen Zustände sind erdrückend, eine Diktatur reißt die Macht an sich, entfacht einen blutigen Terror, dem Gegner wie Unschuldige gleichermaßen zum Opfer fallen. Idealistische Jugendliche verschwören sich gegen die Gewaltherrschaft, ein Teil rüstet sich im Ausland für die Revolution, kehrt mit einem charismatischen Führer an der Spitze in die Heimat zurück und stürzt im Verein mit den Daheimgebliebenen das brutale Regime. Das Volk jubelt, eine riesige Welle des Patriotismus geht durch das Land, eine revolutionäre Regierung bildet sich, die verspricht, gerechte Zustände herbeizuführen.

Aber die Euphorie dauert nicht an, langsam wendet sich das Blatt erneut. Bürokratische Parteifunktionäre und deren Nutznießer besetzen die lukrativen Posten und bemächtigen sich der freigewordenen oder enteigneten Güter. Zu ihrer Verteidigung richten sie nun selbst ein Spitzelwesen ein und setzen die Übergriffe und Folterungen des besiegten Regimes fort. Der alte Terror ersteht in neuem Gewand. Die Kämpfer der ersten Stunde, die unter enormen Verlusten und Einsatz ihres Lebens den Sieg errungen haben, werden beiseite geschoben, der legendäre Führer wird mehr und mehr zum Aushängeschild. Eine Massenauswanderung setzt ein, ganze Berufssparten fliehen ins Ausland. Inkompetente Opportunisten sitzen an den Schalthebeln, Korruption breitet sich aus, es fehlt an Material und Hilfsmitteln, die Landwirtschaft, die Industrie liegen brach. Die Landbevölkerung flieht in die Städte, die Städte verfallen, statt des täglichen Essens bekommt man nur noch hoch- und zunehmend hohlklingende Parolen vorgesetzt, in dem allgemeinen Elend wartet man auf das Ende.

Was gibt es sonst noch Neues? Diese Tragödie hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten der Menschheit mehrfach vorgespielt, jedesmal mit nur leichten Verschiebungen der Kulissen. Aber in diesem Buch handelt es sich um einen spezifischen Fall, um das Kuba des Fulgencio Batista, dessen Terror durch die utopischen Hoffnungen der Revolution Fidel Castros beiseite gefegt wird. Die Protagonisten sind Gymnasiasten, die sich nach und nach bewaffnen, Batistas Terror mit Terror beantworten. Im Lauf der Geschehnisse gesellen sich andere Rebellen zu ihnen, in allen diesen Werdegängen spiegeln sich die Schicksale der unglücklichen Insel, die von der Bevormundung durch eine Großmacht in die einer anderen übergeht.

Das ganze Buch mit seinen fast fünfhundert Seiten ist eine einzige Ich-Erzählung, ein riesiger Multilog, denn es beschränkt sich keineswegs auf ein einzelnes Bewußtsein, das vor dem Leser ausgebreitet wird. Vielmehr sind die Abschnitte mit Namen überschrieben: mit Juan und Pinocchio etwa, Fernandez und Carlos, Manolo und Guillermo, Benito und Vicentico, Mandy und Roly. Und um alles noch komplizierter zu gestalten, springen sie wie Schachfiguren durch die Jahre, von 1976 nach 1967, von 68 nach 53 und so weiter. Das Resultat ist, daß die Toten und Gefallenen wieder -auferstehen, die Alten jung werden und das zunächst Unverständliche sich aufhellt. Warum aber diese Dutzende Personen mit einem Mal Fetzen ihrer verwickelten Lebensumstände bruchstückartig von sich geben, ist nicht ersichtlich; es bleiben nur das Hin- und Herspringen in der Zeit und das Verdunkeln der Zusammenhänge als eine moderne Erzählweise de rigueur.

Immerhin ergeben die Fragmente ein farbiges Mosaik von kubanisch geprägten Charakteren, sozialen Gegebenheiten und authentischen Geschehnissen, das Spannung und Interesse hervorruft. In ihrer Vielstimmigkeit dürften sie die meisten historischen Darstellungen an Atmosphäre übertreffen. Denn längst hat sich die Einsicht durchgesetzt, daß halb autobiographische, halb fiktive Kunsttexte oft besser zeigen, "wie es eigentlich gewesen", als eine rigoros wissenschaftliche Archivarbeit. Unter den vielen Gestalten ragt aber doch eine einzelne als Hauptfigur heraus, Joaquín Ortega, dessen gleiche Anfangsbuchstaben stark an den Namen des Autors erinnern. Wer noch Zweifel hat, dem werden sie spätestens an dem Punkt genommen, wo zu allem Überfluß noch ein Jorge Oliva am Rande auftaucht. Auch das ist freilich nicht der eigentliche Name des Verfassers. In einer Nachbemerkung des Verlags erfährt der Leser, daß es sich in der Tat um den stark autobiographisch gefärbten Roman eines Anglo-Kubaners namens Douglas Rudd handelt, der sich der Castro-Bewegung anschloß, als Flieger Kuba gegen die amerikanisch-kubanische Invasion verteidigte, von Castro mit diplomatischen Aufträgen betraut wurde, danach in Ungnade fiel, ins Gefängnis mußte und erst 1991 in die Vereinigten Staaten fliehen konnte, wo er ein Jahr darauf starb. Das Pseudonym konnte erst gelüftet werden, nachdem auch sein Sohn Kuba verlassen hatte.

Was immer das Verhältnis des Verfassers zu ihm gewesen sein mag: An diesem Joaquín (dessen Spitzname "der Wahnsinnige" auf deutsch leider viel krasser klingt als das spanische "loco") erlebt der Leser hautnah alle Geschehnisse mit, seine romantische Phase als Schüler, seine poetischen Ergüsse, seine Lesebegeisterung - die Leitfiguren sind natürlich hispanophone Dichter wie Pablo Neruda, García Lorca und vor allem der große Kubaner José Martí -, seine Radikalisierung, den Wandel zum Terroristen, seinen Siegesrausch nach der Machtergreifung Castros, Ehen und Liebschaften.

Im Gegensatz zu dem ideologisch gewürzten Anti-Castro-Bild, das im Westen vorherrscht, ist dies eine mit Sympathie von innen geschriebene Geschichte, so daß man mit Trauer den kubanischen Niedergang und den parallel verlaufenden Verschleiß der Hauptfigur nacherlebt. Nur ein kleiner Trost ist es, daß in einer seiner vielen Reminiszenzen und dem objektivierenden Postscriptum, angedeutet wird, der Held habe seine verlorene, aber nie vergessene Jugendliebe wiedergefunden und sei gesehen worden, wie er mit ihr "Hand in Hand den Malecón", Havannas Strandpromenade, hinunterging. Vielleicht liegt hierin die Antwort auf die Frage, was von einem der Weltverbesserung gewidmeten Leben allenfalls bleibt.

EGON SCHWARZ.

Jorge C. Olivia Espinosa: "Unsere Zeit zu leben". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Sabine Giersberg. Aufbau Verlag, Berlin 1999. 479 Seiten, geb., 49,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Georg Sütterlin geht in seiner Rezension zunächst recht ausführlich darauf ein, dass der Autor sich in Gesellschaft zahlreicher anderer kubanischer Schriftstellern befindet, die ebenfalls von Castro enttäuscht sind. Das werde auch in diesem Roman deutlich, zumal die politischen Überzeugungen des Protagonisten Ortega ins Wanken geraten, als er den Widerspruch erkennt, der in dem luxuriösen Lebensstil der Parteioberen und der Armut der Bevölkerung besteht. Die Stärken des Romans liegen nach Ansicht des Rezensenten dabei vor allem in der Fähigkeit des Autors, sich in "fremdes Bewusstsein" hineinzudenken, was er für die Gattung eines Romans für unabdingbar hält. Denn ansonsten habe dieses Buch viele Züge einer Reportage und eines Zeitdokuments, wobei eine fehlende Chronologie in der Erzählung seiner Meinung nach nicht unproblematisch ist. Denn Leser, die in der kubanischen Geschichte nicht sattelfest sind, werden, wie Sütterlin meint, bisweilen Schwierigkeiten mit der zeitlichen Abfolge haben. Zusätzliche Anmerkungen und Hilfestellungen des Verlags wären in dieser Hinsicht hilfreich gewesen, findet der Rezensent.

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