Produktdetails
  • Verlag: NordSüd Verlag
  • ISBN-13: 9783314015311
  • ISBN-10: 3314015313
  • Artikelnr.: 22517054
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2007

Protokoll der Straße
Der Brasilianer Julio Braz will den Kindern in den Favelas eine Stimme geben
Wie groß muss die Not sein, damit eine Mutter ihre kleine Tochter einfach auf einem belebten Marktplatz aussetzt, sie im Stich lässt, sich selbst überlässt? Armut macht grausam; das erfahren viele Menschen auf der Welt täglich. Die Geschichte „Kinder im Dunkeln” von Julio Emilio Braz spielt in Brasilien. Die sechsjährige Rolinha steht plötzlich mutterseelenallein vor einem Supermarkt irgendwo in São Paulo und sie muss sehen, wie sie von nun an alleine zurechtkommt. Ihre Mutter wollte kurz Reis kaufen und kehrte nicht mehr zu ihr zurück. Zum Glück trifft sie die „große” Doca, die mit ihren zehn Jahren eine Gruppe von acht Mädchen anführt. Doca weiß alles und hat vor nichts Angst, denn sie hat bereits am meisten Erfahrung im Leiden, erfährt Rolinha, das Täubchen. Die Hierarchie in der Gang ist klar und hart. Die Mädchen müssen sich in der Gruppe behaupten und sich gleichzeitig gegen die Gewalt der Straße, gegen Drogendealer und Zuhälter wehren.
Die Kinder verdienen ein bisschen Geld mit dem Sammeln von Altpapier und Flaschen und leben gemeinsam in einem Bretterverschlag unter einer Brücke. Rolinha kämpft gegen den Hunger, die Kälte, Krankheiten und den besonderen Hass von Santinah, einem anderen Mädchen der Gruppe. Außerdem gibt es noch andere Kinder-Gangs, die ihnen die Arbeit streitig machen, aber vor allem ist da die Polizei, die in den Straßenkindern nur potentielle Verbrecher und Störer sieht und sie ohne Grund verprügelt. Rolinha sucht immer wieder nach ihrer Mutter und einem kleinen Stück Geborgenheit, die sie kurze Zeit in der Obhut von Doca erlebt. Aber als diese sich vom Kind zur jungen Frau entwickelt und einen Freund findet, fühlt sich Rolinha endgültig verlassen.
Julio Braz, Jahrgang 1956, weiß wovon er schreibt. Auch er hat seine Kindheit in einer Favela verbracht, einem Slumgebiet in Rio de Janeiro. Er ist Autodidakt und hat bereits mit sieben Jahren begonnen, Texte zu schreiben. Berühmt wurde er mit seinen Grusel-Comics und Westerngeschichten. Sein Stil ist einfach und direkt. Sein Anliegen groß: „Ich glaube nicht, dass unser Land irgendeine Zukunft hat, solange wir uns nicht um die Brasilianer von morgen kümmern. Was wäre Brasilien ohne Kinder.” Braz will mit diesem „Protokoll der Straße” den Straßenkindern Brasiliens eine Stimme geben und die Augen der Leser öffnen für die Not dieser Kinder, die keiner will und jeglicher Willkür und Gewalt ausgesetzt sind. „Wenn auch nur ein einziger junger Mensch sich beim Lesen empört über soviel Leid und Verzweiflung, hat meine Arbeit an diesem Buch sich gelohnt,” sagt er.
„Kinder im Dunkeln” ist jetzt neu aufgelegt worden. Die Geschichte wurde bereits 1996 erstmals veröffentlicht und mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Die Reihe Baobab hat ein großes Anliegen; sie will ein Fenster zu einer Welt öffnen, die uns Europäern fern und fremd ist. In dieser Reihe erscheinen Kinderbücher aus Asien, Afrika, Australien und Lateinamerika. Der Name Baobab bezieht sich auf den Affenbrotbaum, in dessen Schatten sich die Menschen seit jeher Geschichten erzählen. Die Reihe wird vom Kinderbuchfonds Baobab herausgegeben, einer Arbeitsstelle der entwicklungspolitischen Organisationen Erklärung von Bern und Terre des Hommes, Schweiz. Seit 1989 sind mehr als 50 Titel aus über 20 Ländern in dieser Reihe erschienen. BIRGITT VON MALTZAHN
JULIO EMILIO BRAZ: Kinder im Dunkeln. NordSüd-Verlag, Zürich 2007. 72 Seiten, 12,80 Euro. Ab 10 Jahren
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Birgitt von Maltzahn zeigt sich angetan von Julio Emilio Braz' Buch "Kinder im Dunkeln". Das Buch erzählt die Geschichte der sechsjährigen Rolinha, die sich, von ihrer Mutter ausgesetzt, in Sao Paulo allein durchs Leben schlagen muss. Das Mädchen schließt sich daraufhin einer Kinderbande an, die ihr zumindest teilweise Geborgenheit vermitteln kann, wie die Rezensentin in einer sehr referierenden Rezension schreibt. Sie hebt dabei besonders den autobiografischen Hintergrund des Buches hervor: Der brasilianische Autor Julio Emilio Braz stammt selbst aus den Favelas rund um Rio de Janeiro, wie die Rezensentin berichtet. Sein Anliegen sei es, mit seiner Arbeit die Not der Straßenkinder ins Bewusstsein, besonders der jungen Leser zu bringen. Ganz in diesem Sinne erscheint das Buch in der Reihe "Baobab", die Kinderbücher aus Asien, Afrika, Australien und Lateinamerika veröffentlicht um uns diese Welt näher zu bringen, lobt die Rezensentin.

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