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Im Jahr 1753 stirbt Anna Maria Gwerder im Gefängnis von Schwyz an den Folgen der Folter, noch bevor sie in einem ordentlichen Verfahren als Hexe verurteilt werden kann. Der Witwe des Bezirksvorstehers Meinrad Gwerder, die im Muothatal revolutionäre Neuerungen einführen wollte, wurde ihre Tüchtigkeit zum Verhängnis. Margrit Schriber erzählt ihr Schicksal in seiner erschreckend zwingenden Logik im Denken der damaligen Zeit.

Produktbeschreibung
Im Jahr 1753 stirbt Anna Maria Gwerder im Gefängnis von Schwyz an den Folgen der Folter, noch bevor sie in einem ordentlichen Verfahren als Hexe verurteilt werden kann. Der Witwe des Bezirksvorstehers Meinrad Gwerder, die im Muothatal revolutionäre Neuerungen einführen wollte, wurde ihre Tüchtigkeit zum Verhängnis. Margrit Schriber erzählt ihr Schicksal in seiner erschreckend zwingenden Logik im Denken der damaligen Zeit.
Autorenporträt
Margrit Schriber, 1939 in Luzern geboren, arbeitete als Bankangestellte, Werbegrafikerin und Fotomodell. Sie lebt in Zofingen und in der Dordogne. Ihr literarisches Werk wurde mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erschienen bei Nagel & Kimche ihre Romane AugenWeiden (1990), Rauchrichter (1993) und Schneefessel (1998) sowie die Erzählungen Von Zeit zu Zeit klingelt ein Fisch (2001). 1998 erhielt sie für ihr literarisches Werk den Aargauer Literaturpreis und eine Ehrengabe der Stadt Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2006

Heißa, auf zur helvetischen Hatz
Ohne Gott: Margrit Schriber erzählt kühl von einer Hexenjagd

Hexen sind ein Dauerbrenner. Das ist nicht nur ein halbseidenes Wortspiel, sondern auch eine literarische Realität, zumindest in dem Land, in dem der letzte Kanton das Wahlrecht für Frauen erst Ende 1990 einführte, und zwar nicht aus freien Stücken, sondern nach einer Bundesgerichtsentscheidung. Da ist es keine Hexerei, daß es die letzte Hexenhinrichtung Europas ebendort, in der Schweiz, gab, im Jahr 1782. Gute zwei Jahrhunderte später schreibt die Schweizerin Eveline Hasler einen Roman über die unglückliche Anna Göldin. Der Eklat rund um den kirchlichen Würdenträger Antonius Klingler wiederum, einen eifrigen Zürcher Hexenjäger, der 1705 einen jungen Mann ans Henkersmesser lieferte, wurde vor kurzem gleich zweimal in Romanform gebracht; von zwei Zürchern, versteht sich. Und die acht "Hexen" von Wasterkingen, die 1701 sterben mußten, hat unlängst der Zürcher Dramatiker Hannes Glarner verewigt. Welcher Teufel also muß die Innerschweizerin Margrit Schriber geritten haben, daß sie (noch) ein Hexenschicksal in einen Roman packte?

Ihr neues Buch "Das Lachen der Hexe" ist eine ton- und tatsachentreue Nacherzählung der Verteufelung einer klugen, aber verkrüppelten Frau mit perlendem Lachen. Anna Maria Gwerder stirbt 1753 in Schwyz an der Folter, bevor sie wegen Hexerei zum Tod verurteilt werden kann. Ihre größte Sünde ist es, eine "Auswärtige" aus einem Nachbartal zu sein und keine aus dem engen, dunklen Muotatal am Fuß einer Bergkette. Daß sie außerdem noch eine erfolgreiche Auswärtige ist, besiegelt ihr Schicksal. "Konstitutin ist, schreibt der Protokollant, im Muotatal durch übermäßige Betriebsamkeit aufgefallen", und nichts könnte verräterischer sein. Denn die Läufer, die die Beobachtungen für das Hexentribunal sammeln, wissen: "Die Hiesigen sind behäbig."

Für Schribers Prosa gilt das nicht. Da gibt es keine Langsamkeiten und Weitschweifigkeiten, keine Landei-Idyllen und keine Präindustrialisierungs-Seligkeiten. Die Schweiz des Muotatalers ist des Schweizers Schweiz, im engen und schlimmen Sinn: ein Réduit, in dem man sich mißgünstig beäugt, in das man keinen reinlassen will und in dem schon gar keiner höher hinausdarf. Knapp und kühl skizziert Margrit Schriber, wie "die aus Steinen" mit ihrem Hofladen aneckt ("spielt Geschäftsfrau, hieß es"), den Lokalschönheiten den wohlbestallten Witwer wegschnappt ("Er hampelte an der Schnur einer Auswärtigen") und ihm Söhne gebiert. Als er stirbt, sind die Jungs noch minderjährig, und die Witwe wird zum Freiwild, ohne Rechte gegenüber ihrem Vormund. Dieser blutet sie finanziell und moralisch aus und wirft sie dann dem Dorf zum Fraß vor.

"Das Lachen der Hexe" wäre zum Weinen, hätte sich die Autorin nicht strikt an ihren Protokollstil gehalten. Selbst wenn sie die Außenperspektive verläßt und sich für Augenblicke in ihre Titelheldin hineindenkt, bleibt alles Rührstückverdächtige außen vor. Eine Weile lebt Anna Maria verarmt und hungernd, aber wenigstens unbehelligt in einer Berghütte, so geborgen wie seit langem nicht mehr. Aber: "Wo war Gott? Dort unten war er nicht. Und hier oben war er nicht." Er hat seine Geschöpfe lang schon im Stich gelassen. Soviel Gottverlassenheit bei soviel Glaubensraserei - und soviel Schmerz in drei Sätzen: Hart und kantig klingt Margrit Schribers auf Schweizer Verhältnisse übertragene "Hexenjagd" (jawohl, Arthur Miller läßt grüßen), die gar mit einem Glossar versehen ist, das von "abeferggen - hinunterfahren" bis "zwacken - greifen, stehlen" reicht.

Aus den Mustern und historischen Hintergründen helvetischer Hatz machte Lukas Hartmann jüngst den Thriller "Die Deutsche im Dorf", Max Frisch einst das Drama "Andorra". Der Text der 1939 geborenen, mehrfach ausgezeichneten Schriftstellerin dagegen sieht aus wie Bauernmalerei, hört sich an wie Folklore, bloß keine herzerwärmende: Hexenfeuer brennen kalt.

ALEXANDRA KEDVES

Margrit Schriber: "Das Lachen der Hexe". Roman. Verlag Nagel & Kimche, Wien 2006. 144 S., geb., 15,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Sprachlich und formal sei "Das Lachen der Hexe" so gelungen, dass Rezensentin Beatrice Eichmann-Leutenegger zuletzt tatsächlich das Lachen der vermeintlichen Hexe zu hören glaubt. Margrit Schriber habe einen historisch verbürgten Fall von Hexenverfolgung um 1750 als Stoff ihres Romans ausgewählt. Im Schweizer Kanton Schwyz, genauer im Muotatal gebe es sogar vierzig Sagen, die von Anna Maria Schmidig erzählen, einer "Auswärtigen", die den Kastenvogt Schmidig geheiratet hatte. Nach dem Tod des Mannes sei die wirtschaftlich erfolgreiche Frau mit dem "erregenden Lachen" bald nur noch die Fremde und dann die Hexe gewesen, "das Mensch". Beeindruckend am Roman ist aus Sicht der Rezensentin, wie die Autorin "ohne jede anbiedernde Empathie", nur durch eine "schlackenlos" erzählte Außenperspektive gleichwohl eine packende Geschichte erzähle. Als geglückt erachtet die Rezensentin insbesondere die "Einbindung des Muotataler Dialekts", die die Erzählsprache musikalisch belebe und allererst Anna Marias Lachen hörbar mache.

© Perlentaucher Medien GmbH
"In Schribers Prosa gibt es keine Langsamkeit, Weitschweifigkeit und keine Landei-Idyllen. Sie erzählt ton- und tatsachentreu." Alexandra Kedves, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.07.06 "Mit ihrer raffinierten Sprache ist Margrit Schriber ein ganz besonderer Roman gelungen." Angela Wittmann, Brigitte, 10.08.06 "Margrit Schriber hat ein waches Ohr für die Naturtöne in der grossen Stille. Ihre Sprache zeugt von grosser Disziplin, kommt schlackenlos daher, mit Glanz und innerer Wärme." Beatrice Eichmann-Leutenegger, Neue Zürcher Zeitung, 14.03.06 "Verhaltene Empörung und Sympathie sind die unterschwelligen Strömungen von Margrit Schribers nüchternem und klarem Stil. Die Leserin folgt ihr darin mit Zustimmung. Es entsteht ein Tableau, das bei allem Elend schön ist, wie alle gut geschriebenen tragischen Geschichten schön sind." Ruth Klüger, Die Welt, 02.09.06