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Die so genannte Osterweiterung trat im Mai 2004 in Kraft. Sie hat aber schon längst begonnen und wird auch nach dem Mai 2004 noch lange nicht abgeschlossen sein. Man kann die Osterweiterung als zwangsläufig verstehen, als Vorgang ohne Alternative. Trotzdem ist sie das Ergebnis zahlreicher Entscheidungen in den EU-Gremien, in den Völkern der 10 Neumitgliedern, in den Parlamenten der 15 Altmitglieder. Die Osterweiterung ist je nach Standpunkt Aufbruch zu was Neuem oder nur Rückkehr zu was Altem. In jedem Fall wird ihr das Gewicht eines "historischen Vorgangs" und des "Schicksalshaften"…mehr

Produktbeschreibung
Die so genannte Osterweiterung trat im Mai 2004 in Kraft. Sie hat aber schon längst begonnen und wird auch nach dem Mai 2004 noch lange nicht abgeschlossen sein. Man kann die Osterweiterung als zwangsläufig verstehen, als Vorgang ohne Alternative. Trotzdem ist sie das Ergebnis zahlreicher Entscheidungen in den EU-Gremien, in den Völkern der 10 Neumitgliedern, in den Parlamenten der 15 Altmitglieder. Die Osterweiterung ist je nach Standpunkt Aufbruch zu was Neuem oder nur Rückkehr zu was Altem. In jedem Fall wird ihr das Gewicht eines "historischen Vorgangs" und des "Schicksalshaften" beigemessen. Georg Kreis will mit seinem Buch keinen Beitrag zum Entscheidungsprozess leisten. Dazu wäre es viel zu spät. Seine Ausführungen sollen vielmehr einen von den Tagesmedien zwangsläufig bloß punktuell vermittelten Vorgang im größeren Zusammenhang und vertieft dokumentieren und diskutieren. Die Besichtigung dieses historischen Prozesses, mit einem Blick zugleich nach rückwärts und nach vorn, soll dem Zeitgenossen vielmehr Orientierung und Verständnis der Abläufe vermitteln. Das Buch ordnet die Osterweiterung als vierten Schritt in den grossen Erweiterungsdynamik der letzten 30 Jahre ein. Der Autor diskutiert insbesondere das nicht einfache Verhältnis zwischen "West" und "Ost", er fragt nach den Grenzen Europas und damit zwangsläufig auch nach den Kriterien, die Europa definieren. Ein besonderer Abschnitt wird der EU-Mitgliedschaft der Türkei gewidmet. Im zweiten Teil umfasst der Band einige kürzere Texte, die Fragen von anhaltender Aktualität erörtern. Auch sie gehen davon aus, dass man nicht Zeitgenosse und Zeitgenossin sein kann, ohne sich mit dem europäischen Integrationsprozess auseinander zu setzen und dazu eine Haltung zu haben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2004

Identität und Präsenz
Neuerscheinungen zur Erweiterung der Europäischen Union

Wolf Gruner/Wichard Woyke: Europa-Lexikon. Verlag C. H. Beck, München 2004. 505 Seiten, 19,90 [Euro].

Georg Kreis: Europa und seine Grenzen. Haupt-Verlag, Bern 2004. 288 Seiten, 21,- [Euro].

Die Erweiterung der Union um zehn Neumitglieder am 1. Mai 2004 erfordert nicht nur eine grundlegende Reform ihrer Institutionen, sondern wirft auch Fragen nach ihren künftigen Grenzen auf. Was gehört zu Europa, wo liegen die Grenzen? Zeigt sich am Fall der Türkei, was nicht dazugehören kann, wenn das, was zusammenwächst, auch zusammengehören soll? Hinter solchen Fragen stehen jene nach der Identität Europas und die, ob die EU überhaupt eine Identität brauche, um zu leisten, was die Bürger von ihr erwarten. Wenn ja, was wiederum wäre es, das die Kulturen der Mitgliedsländer heute miteinander verbindet? Ist es das Kriterium der Geographie, der Religion, einer spezifischen Wirtschafts- und Sozialordnung? Oder definiert sich ein europäisches Europa schlicht als politischer und historischer Raum? Solche Fragen sind keinesfalls neu und beschäftigen Politiker wie Experten gewöhnlich immer dann, wenn der Einigungsprozeß nach einer Phase erfolgreicher Schritte der Vergemeinschaftung (Einheitliche Europäische Akte, Maastricht, Amsterdam) an einen Punkt gerät, da er an Dynamik verliert. Auch das Thema Verfassung gehört im übrigen in diesem Kontext zum allseits beliebten Themenrepertoire. Das dahinterstehende Motiv ist einfach: Bleibt der politische Erfolg in Form weiterer Integrationsschritte aus, vermitteln territoriale Zugehörigkeit und gemeinsame Identität Essenz und Wir-Gefühl eines demokratischen Gemeinwesens.

Die Studie von Georg Kreis plädiert in diesem Sinne für eine "Entgrenzung" Europas: Es sind weder die vorgegebenen Grenzen noch externe Faktoren, die bestimmen, wo Europas Grenzen liegen. Zudem ist das Sein in der territorialen Dimension nur eine Art des Existierens. Die andere Art ist die der Außenwirkung im Sinne der Wahrnehmung als verantwortungsbewußter Teil der Welt. Andererseits macht diese Entgrenzung es schwierig, Europa gestützt auf einen Gesellschaftstyp zu definieren. Vielmehr gilt es einen anderen Aspekt zu berücksichtigen: Die Grenzen der EU liegen dort, wo die Handlungsfähigkeit der EU aufhört. Europa definiert sich weniger aus seiner Geschichte heraus als durch die Gegenwart. Mit anderen Worten: Europas Grenzen liegen dort, wo die verbindliche Präsenz Europas endet. Eine solche politische Identität ist für die Zukunft der EU von entscheidender Bedeutung, weniger die kulturelle. Sie ist ein Projekt und ein sozialer Produktionsprozeß, der organisiert und vorangetrieben werden muß, vor allem auf dem Wege einer Politisierung der europäischen Politik. Wenn sie gelingt, könnte auch die politische Identität zu einer Quelle europäischer Vitalität und Handlungsfähigkeit werden. Voraussetzung dafür aber, so schlußfolgert Kreis, ist die "Aufklärung, Aufdatierung und Angewöhnung" der europäischen Öffentlichkeit hinsichtlich der Erweiterungsdynamik und der Erweiterungsschwierigkeiten.

Genau an diesem Punkt setzt das Europa-Lexikon von Wolf Gruner und Wichard Woyke an. Es liefert nicht nur eine Geschichte der europäischen Integration, sondern will Orientierung liefern für die unterschiedlichen Traditionen und Wahrnehmungen in den einzelnen europäischen Völkern. In diesem Sinne stehen im Mittelpunkt des ersten Teiles des Bandes zunächst Überblicksartikel, die sich aus historischer Perspektive mit der Einigungsidee und den Europa-Visionen der Vergangenheit und Zukunft befassen. Die Stichwörter lauten Europa als geographischer, kultureller, historischer, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Raum. Ein weiterer Beitrag behandelt das Verhältnis von Bund, Ländern/Regionen und Europa. Der zweite Teil des Bandes widmet sich in regionaler Aufgliederung den europäischen Ländern ohne Rußland. Dem Aufbau dieser Beiträge liegt ein durchgängiges Raster zugrunde, das dem Leser raschen Zugriff auf wesentliche Informationen zu Geschichte, politischem System, Verfassungsordnung und Außen-, Sicherheits- und Europapolitik des jeweiligen Landes ermöglicht. Abgerundet werden die Länderartikel durch weiterführende Literaturhinweise.

Der dritte Teil des Lexikons bietet schließlich Kurzartikel zu den europäischen und mit Europa zusammenhängenden Organisationen und Institutionen sowie ausgewählten Politikfeldern. Dieser Teil bietet eine sinnvolle Ergänzung zu den beiden vorangegangenen Kapiteln, bleibt aber gerade mit Blick auf die Auswahl der Politikfelder und europarelevanten Akteure leider teilweise lückenhaft; so vermißt der Leser beispielsweise Näheres zu den Themen Verfassungskonvent, der mittlerweile ausdifferenzierten Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder dem sogenannten dritten Pfeiler von Maastricht, dem Bereich "Inneres und Justiz". Dies schmälert allerdings nicht den Wert dieser kompakten wie systematischen Darstellung, die nicht nur Informationen anbietet, sondern auch anschaulich historisch-politische Zusammenhänge zu Gesamteuropa vermittelt und darüber hinaus durch eine abschließende Chronik und eine allgemeine und kommentierte Bibliographie Anregungen zu vertiefter Beschäftigung mit der Europa-Materie liefert.

STEFAN FRÖHLICH

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Der "Kst." zeichnende Rezensent lobt zwar, dass "Europa und seine Grenzen" des Basler Professors für neuere Geschichte Georg Kreis "flüssig geschrieben und leicht lesbar" ist -letztlich jedoch an der selbstgestellten Frage scheitere: "Wo liegen die Grenzen Europas?" Das weiß auch Kreis nicht wirklich zu sagen, meint der Rezensent. Kreis' Vorgehen könne man deshalb "als eine auf verschiedenen Pfaden versuchte Annäherung an die sich letztlich als unmöglich erweisende Antwort bezeichnen". Herangezogen würden Geschichte, Geographie, Wirtschaft, Religion, Kultur und Rechtsordnung. Umsonst. "Es gibt auf die zentrale Frage des Buches keine Antwort oder, anders gesagt, viele Antworten." Die Probleme beginnen laut "Kst." schon gleich nach dem prägnanten Schlüsselsatz: "Die Grenzen Europas liegen dort, wo die Handlungsfähigkeit der EU aufhört." Das klinge gut; aber was sei "denn unter 'Handlungsfähigkeit' zu verstehen"? Und könne die EU auch außerhalb der Grenzen ihrer Mitgliedländer - also zum Beispiel in der Schweiz - als handlungsfähig bezeichnet werden? Dass der Autor Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus ist, wird für den Rezensenten in seiner Haltung zum EU-Beitritt der Türkei deutlich. Hier gebe es eine "veritable Kollegenschelte" für jene deutschen Historiker, die "ein Feindbild" pflegten. Insgesamt: eine "gedanklich reiche Abhandlung eines aktuellen Themas", ja mehr: "eine wahre Fundgrube zum Thema Europa", lobt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
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