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Vor der Kulisse des winterlichen Rußlands der Zarenzeit wird die Geschichte der kleinen Hündin Kaschtanka erzählt, die sich verlaufen hat. Sie wird von einem Zirkusdompteur aufgenommen, in dessen Wohnung wunderliche Dinge passieren. Am Ende findet Kaschtanka glücklich zu ihren Besitzern zurück

Produktbeschreibung
Vor der Kulisse des winterlichen Rußlands der Zarenzeit wird die Geschichte der kleinen Hündin Kaschtanka erzählt, die sich verlaufen hat. Sie wird von einem Zirkusdompteur aufgenommen, in dessen Wohnung wunderliche Dinge passieren. Am Ende findet Kaschtanka glücklich zu ihren Besitzern zurück
Autorenporträt
Peter Urban, geboren 1941 in Berlin, studierte Slavistik, Germanistik und Geschichte in Würzburg und Belgrad, war Verlagslektor bei Suhrkamp, Hörspieldramaturg beim WDR und ist Lektor im Verlag der Autoren in Frankfurt; er übersetzte u.a. Werke von Gorkij, Ostrovskij, Daniil Charms, Kazakov, Chlebnikov und das gesamte dramatische Werk von Anton Cechov. Für seine Neuedition und -übersetzung der Cechov-Briefe wurde ihm der Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis zuerkannt. Peter Urban verstarb 2013.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Dreijähriger mit Galoschen
"Kaschtanka" und andere Herzensbrecher: Tschechow für Kinder

Der legendäre russische Journalist "Onkel Giljai" erinnerte sich später genau an jenen Abend, als jemand eine Begebenheit zum besten gab, bei der ein Hund in einen Zirkus geraten war. Anton Tschechow, ebenfalls anwesend, machte daraus die zum Klassiker gewordene Geschichte "Kaschtanka". Sie wurde auf der Stelle ein Herzensbrecher, und noch immer hält ihre Beliebtheit an, vor allem bei Kindern, obwohl sie ebensowenig wie alle anderen Texte Tschechows für die Kinderstube gedacht war. Natürlich hatte der darin porträtierte berühmte Tierdresseur Durow seinen Anteil an der Popularität, aber das allein kann es nicht sein. Daß aus der Perspektive der kastanienbraunen Promenadenmischung erzählt wird, war ungewöhnlich, war hinreißend, war komisch und rührend. Vor allem aber gibt es - selten bei Tschechow - einen Schluß, der die Erwartungen zufriedenstellt. Noch dreizehn weitere Kurzgeschichten und Humoresken hat Peter Urban ausgewählt, um junge Leser an den großen Anton Pawlowitsch heranzuführen, überwiegend solche, in denen Kinder die Protagonisten sind. Ob es indes, wie der Umschlag behauptet, "Kindergeschichten" sind?

Abgesehen von einigen satirischen Arbeiten aus dem Frühwerk, die durch lautes Vorlesen kabaretthaften Effekt auch bei Kindern haben können (Karl Valentin hat den Plot von "Etwas mit Pferd" zum Beispiel in dem Sketch "Wie heißt der Notenwart" verwendet), berühren die Themen oft das Existentielle: Verzweiflung, Erbärmlichkeit, Ausgeliefertsein, Roheit gegenüber Tieren. Der alte Kutscher, der niemanden findet, dem er seinen Kummer über den gestorbenen Sohn klagen kann, als seinen Gaul. Der neunjährige Schusterlehrling, der sich am Heiligabend seine ganze Hölle von der Seele schreibt, während der Leser weiß, daß dieser Brief "An den Großvater Konstantin Makarytsch im Dorf" den Adressaten nie erreichen wird. Der neu aufgenommene kleine Patient im Krankenhaus, der in zunehmender Panik von Zimmer zu Zimmer rennt wie durch ein Gruselkabinett - Röchelnde, Blut Hustende, Pockenkranke, Sterbende, Tote, Weiber mit gelösten Haaren und hinterm Gebäude: Grabkreuze! Die alte kranke Wölfin, die an keine Beute mehr kommt und ihre Kinder nicht durchbringen wird. Fast überall ist die Geschichte von Anfang an auf der Höhe des Schlimmstmöglichen, und eine Änderung zum Guten, Rettung gar, ist nicht drin. Und überall da, wo das Urvertrauen jüngerer Leser in einen guten Ausgang nicht enttäuscht wird, schneidet - "Kaschtanka" immer ausgenommen - der berühmte "offene" Schluß den Handlungsfaden ab, wenn man sich gerade richtig warm gelesen hat.

Zum Glück leisten die Bleistiftzeichnungen von Tatjana Hauptmann wunderbare Vermittlerarbeit. Sie erzählen eine Menge über die Person, ihr Milieu und erhellen die historische Distanz, die Zehnjährigen nicht unbedingt bewußt ist. Mit an Daumier und Gavarni erinnernder Meisterlichkeit wahrt Tatjana Hauptmann Tschechows ironischen, ja satirischen Blick - ob auf die Galoschen eines Dreijährigen und das berüchtigte Moskauer Pflaster, ob auf die nächtliche Lotto-Orgie allein gelassener Kinder oder die Brautwerbung in Gesindekreisen.

Die Übersetzung überrascht mit einigen Bizarrerien, etwa wenn sie, statt die Luft mit ohrenbetäubendem Kreischen zu durchdringen, sie "ohrendurchdringend" "übertäubt". Und was, bitte, ist ein Grabgarten? Friedliche Koexistenz von Gemüse und Funeralien? Oder die Marotte, jedes Mal, wenn einer lacht oder kichert, "hy-y, hy-y" zu schreiben. Aber aus "Weißstirnchen" "Der Bläss" zu machen (man spreche das mal laut vor sich hin!) - das hat schon quäkerhaftes Format. Man möchte den Stift nehmen und einfach den alten Namen drübersetzen. Er paßt nun mal besser für ein "außerordentlich dummes" und verwegenes Hundekind.

KARLA SCHNEIDER.

Anton Tschechow: "Kaschtanka und andere Kindergeschichten". Ausgewählt und aus dem Russischen übersetzt von Peter Urban. Mit Zeichnungen von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2004, 156 S., geb., 13,90 [Euro]. Ab 8 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.01.2005

Zarenzeit
cechovs Kindergeschichten
Der Generalmajor außer Dienst Buldejew hat Zahnschmerzen. Er versucht es mit Wodka, Kognak, Opium, Terpentin, Petroleum und Jod - umsonst. Ziehen kommt nicht in Frage, und so ist Buldejew Feuer und Flamme, als sein Verwalter einen Steuerinspektor erwähnt, der Zähne bespricht, der sich überhaupt nur noch von Zähnen ernährt. Nur: Wie hieß der Mann? Jakow Wassiljitsch, na gut, aber der Nachname? „Vergessen!”, hadert der Verwalter: „Dabei ist es ein ganz einfacher Name . . . etwas mit Pferd . . . Stutlinskij? Nein . . . vielleicht Hengstjew?” Pferdlitzkij? Gaulowskij? Rosskin? Oder vielleicht Hufkow? Pferdowkin? Nicht nur Anton cechov, so ahnt man schon an dieser Stelle, auch sein Übersetzer und Herausgeber Peter Urban könnten diese Spielereien mühelos noch fünfzig, sechzig Seiten fortsetzen. Wallachowkin? Pferdinin? Trabkin? Galoppowskij? Irgendwie ansteckend, das Ganze.
So witzig und leicht geht es in cechovs Kinderbuch Kaschtanka allerdings nur ausnahmsweise zu. Die meisten Erzählungen tauchen tief ein in die Rätsel und Schrecken einer Kindheit zur Zarenzeit, und cechov wäre nicht cechov, wenn er seine Figuren nicht ebenso im wohlhabenden Bürgertum fände wie in der Gosse: Ein Waisenjunge fleht seinen Großvater in einem Brief an, ihn nach Haus zu holen, weil der Schuster ihn hungern lässt und schlägt, aber dann wirft er den Brief ein mit der einzigen Aufschrift „Ins Dorf an Großvater” - er wird nie ankommen. Ein Kutscher findet niemanden, dem er vom Tod seines Sohnes erzählen kann - außer seinem Pferd, wie Tiere überhaupt eine große Rolle spielen. Und wenn cechov einen Jungen zu spät zum Arzt schickt, so dass dieser wahrscheinlich seinen Arm verlieren wird und zwischen Pockenkranken, Schwindsüchtigen und grobe Schwestern umherirrt, dann spürt man einen Hauch von dem Verfall und der Brutalität aus der Meistererzählung „Krankensaal Nr. 6”. Kindheit, das ist bei cechov kein behütetes Aufwachsen, sondern ein Überlebenskampf im Kleinen, nach Kinderregeln, mit Kinderängsten. Denn auch die Kinder selbst sind oft kleine Monster. Sie spielen zwar begeistert Lotto, aber nicht aus Sportsgeist, sondern aus Geldgier (Grischa), Eitelkeit (Anja), Schadenfreude (Aljoscha). Nur Andrej, den Sohn der Köchin, fasziniert die Mathematik, aber der hat kaum eine Kopeke. Und so enden die Geschichten nicht immer fröhlich, eher schon realistisch - und oft lakonisch. Der Heiler hieß übrigens Haferbauch. Aber als dem Verwalter dies einfiel, war Buldejews Zahn schon gezogen.(ab 12 Jahre u.Erwachsene)
SONJA ZEKRI
ANTON cECHOV: Kaschtanka und andere Kindergeschichten. Ausgewählt und übersetzt von Peter Urban. Mit Zeichnungen von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag 2004. 156 S., 13,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Kindergeschichten - also Geschichten, die extra für Kinder geschrieben wurden - sind das eigentlich nicht, informiert Rezensent Klaus Doderer, sondern einfach frühe Kurzgeschichten von Tschechow, der aber ohnehin der Auffassung gewesen sei, man sollte nicht speziell für Kinder schreiben. Und so ist es auch hier: Einigen Geschichten fehlt es nicht an Humor, aber über vielen liegt auch Ernst und Traurigkeit, schreibt Doderer, "Tschechows nachdenkliche Auffassung von der Undurchsichtigkeit des Lebens steckt ebenso in dieser Sammlung wie die Schilderung von glücklichen Momenten." Illustriert ist das Buch mit Schwarzweißzeichnungen von Tatjana Hauptmann, die eher die heitere Seite der Erzählung betont, erfahren wir noch.

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