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Paul Lendvai, der international renommierte Osteuropa-Experte und Publizist, blickt zurück auf ein aufregendes Leben zwischen Ost und West: Die Jahre der Verfolgung als jüdischer Jugendlicher im Budapest der Vierzigerjahre, nur mit Glück entging er der Deportation nach Auschwitz, die Zeit des Berufsverbots und der Internierung als "politisch Unzuverlässiger" Anfang der Fünfzigerjahre in Ungarn, die Geschichte seiner aufregenden Flucht 1956 über Prag und Warschau nach Wien, das Schreiben unter Pseudonym in den ersten Jahren in Österreich, um seine in Ungarn verbliebene Mutter zu schützen, sein…mehr

Produktbeschreibung
Paul Lendvai, der international renommierte Osteuropa-Experte und Publizist, blickt zurück auf ein aufregendes Leben zwischen Ost und West: Die Jahre der Verfolgung als jüdischer Jugendlicher im Budapest der Vierzigerjahre, nur mit Glück entging er der Deportation nach Auschwitz, die Zeit des Berufsverbots und der Internierung als "politisch Unzuverlässiger" Anfang der Fünfzigerjahre in Ungarn, die Geschichte seiner aufregenden Flucht 1956 über Prag und Warschau nach Wien, das Schreiben unter Pseudonym in den ersten Jahren in Österreich, um seine in Ungarn verbliebene Mutter zu schützen, sein beeindruckender Weg zum international bekannten Journalisten und weltweit anerkannten Osteuropa-Experten, Anekdoten aus dem Arbeitsalltag eines politischen Journalisten, Ansichten und Einsichten über sein Vaterland Ungarn und seine zweite Heimat Österreich, Geschichte und Geschichten aus der Politik dieser Länder, die Verleumdungskampagnen und Drohungen ungarischer Nationalisten gegen ihn wegen der schonungslosen Analyse in seinem letzten Ungarn-Buch und auch Persönliches und Privates aus Paul Lendvais Familienleben.
Autorenporträt
Paul Lendvai, international angesehener Publizist, Autor und Osteuropa-Experte, schrieb viele Jahre als Korrespondent für die Londoner Financial Times und zahlreiche österreichische, Schweizer und deutsche Blätter. Er war ab 1982 Chefredakteur der Osteuropa-Redaktion des ORF und ab 1987 Intendant von Radio Österreich international. Heute ist er weiterhin Mitherausgeber und Chefredakteur der von ihm gegründeten internationalen Zeitschrift Europäische Rundschau, Leiter des Europa-Studios des ORF und Kolumnist des Standard. Er hat 15 Bücher publiziert, viele davon Bestseller und in mehrere Sprachen übersetzt, und ist Träger zahlreicher Auszeichnungen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

An der Untröstlichkeit des Autors über sein eigenes vernichtendes Urteil und die wenig optimistische Prognose für seine Heimat Ungarn unter Orban hat die Rezensentin keinen Zweifel. Der Autor liebt sein Land, versichert sie, auch wenn er in seiner Autobiografie in einer Mischung aus Wut und Liebe ungarische Befindlichkeiten analysiert, rückschauend, aber durchaus aktuell, wie Cathrin Kahlweit erklärt. Dass der nach 1956 emigrierte Autor sich in seinem Buch mitunter recht eitel als Überlebenskünstler stilisiert, kann Kahlweit verkraften.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2013

Am Anfang war stalinistischer Übereifer
Paul Lendvai blickt zurück - doch die entscheidende Frage wird ihm nicht gestellt

Mitte der siebziger Jahre stieß der Verfasser dieser Zeilen bei der Suche nach Aufsätzen zur Außenpolitik Ungarns in der Bibliothek des Schweizerischen Ost-Instituts in Bern an unerwarteter Stelle auf den Namen Lendvai Pál, die ungarische Form von Paul Lendvai. Der Name war schon damals geläufig, denn Lendvai war mit Büchern über den "Roten Balkan", den "Antisemitismus ohne Juden", einer Biographie des österreichischen Bundeskanzlers Kreisky sowie mit zahlreichen Aufsätzen zu dem im west-östlichen Kalten Krieg Osteuropa genannten Teil Mitteleuropas hervorgetreten. Dennoch war der damalige Student von seinem Fund überrascht. Denn Lendvais Name stand inmitten der Autoren der ideologischen Zeitschrift der kommunistischen "Partei ungarischer Werktätiger", die im Auftrag der Sowjetunion Ungarn mit eiserner Hand terrorisierte. In der Zeitschrift "Társadalmi Szemle" ("Gesellschaftliche Rundschau") veröffentlichte regelmäßig der Budapester Diktator Mátyás Rákosi seine weltgeschichtlichen Ansichten. Es war die hohe Zeit des Stalinismus; Schauprozesse und heimliche politische Morde waren gleichermaßen an der Tagesordnung. Wer eine hervorragende Position hatte, tat gut daran, sich in überzeugungsstarker Speichelleckerei zu ergehen, um nicht Argwohn zu erwecken. Zugleich stieg die Wahrscheinlichkeit, gerade mit solchem Verhalten Argwohn zu erwecken und die Staatssicherheitspolizei auf den Plan zu rufen, ins Allgegenwärtige.

Wer es vermeiden konnte, suchte in jenen Jahren der terroristischen Parteiherrschaft, nicht politisch aufzufallen. Wer aber von blindem Ehrgeiz getrieben war oder aber an die voraussichtliche Ewigkeit des Regimes glaubte, suchte gerade jetzt aufzufallen und zu gefallen, sich frühe Verdienste zu erwerben und seine geistigen Fähigkeiten erblühen zu lassen. Das kluge Wort Helmut Kohls von der Gnade der späten Geburt war noch lange nicht gesprochen, der Umstand selbst aber längst bekannt. Wie im nationalsozialistischen Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre junge Frauen und Männer in ihrer Unerfahrenheit all ihre Talente einsetzten, um als Wissenschaftler, Juristen oder Journalisten sich sozusagen selbst zu verwirklichen und dabei das mörderische nationalsozialistische Umfeld in Kauf nahmen, ja diesem auch zu gefallen, jedenfalls nicht zu missfallen suchten, so verhielten sich Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre in Ungarn die sprachgewandten Übereifrigen.

Lendvai also schrieb im Jahre 1951 für das ideologische Zentralorgan der einzigen Partei einen Aufsatz, der in der Frühjahrsdoppelnummer (6. Jahrgang, Nummer 3-4) auf den Seiten 317 bis 323 tatsächlich veröffentlicht wurde. Er war damals ganze 21 Jahre alt. Noch befremdlicher als die Jugend des Parteischreibers ist im Rückblick sein stalinistischer Ton: "Die Tito-Bande im Dienste eines neuen Kriegsausbruchs". In seinem neuen Buch, einer Autobiographie in Interviewform mit dem Titel "Leben eines Grenzgängers - Erinnerungen" muss sich der Leser vier Jahrzehnte nach der Entdeckung in Bern jedoch bis zur Seite 211 durchkämpfen, um endlich diese entscheidende Episode in Lendvais Leben erzählt zu bekommen. Die wörtliche Wiedergabe lohnt sich: "Schließlich gab es auch noch einen ganz persönlichen Grund, bei Jugoslawien Abbitte zu tun: Mit einundzwanzig hatte ich für die theoretische KP-Monatsschrift Társadalmi Szemle einmal einen Artikel über Jugoslawien geschrieben - eigentlich nur nachgebetete Sowjetpropaganda -, der vorwiegend davon handelte, was für ein landesweiter Widerstand sich da gegen die ,Tito-Bande' formierte. Später habe ich mich dann für diesen Artikel und auch wegen einer Broschüre aus meiner Feder sehr geschämt. Ich versuchte dadurch eine Wiedergutmachung, dass ich mich sehr intensiv mit dem Selbstverwaltungssystem Jugoslawiens befasste."

Doch Lendvai hatte nicht nur sich selbst moralisch und journalistisch ein Bein gestellt - nach seiner Flucht in den Westen 1957 musste er sich schämen und fühlte sich zur "Wiedergutmachung" veranlasst -, sondern auch den Argwohn der Parteiführung erregt. Wer in der Parteizeitung "Szabad Nép" ("Freies Volk") und in der Ideologiezeitschrift schrieb, stand stets unter Beobachtung, erst recht, wenn er ein Wunderkind war, das sich auch in seiner Militärzeit damit hervortat, als Rekrut politische Schulungsvorträge zu halten.

Nach eigenem Bekunden gehörte Lendvai ursprünglich zum Kreis des 25 Jahre älteren sozialdemokratischen Vordenkers Pál Justus, der schon 1949 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Lendvais Interviewerin hält ihm entgegen: "Im Buch ,Auf schwarzen Listen' schreibst du: ,Von 1949 bis 1952 habe ich sowohl als Mensch wie auch als Journalist versagt.' Wieso das? Und warum nur bis 1952?" Lendvais Antwort: "Vielleicht betrachte ich das Jahr 1952 deshalb als Schlusspunkt, weil ich 1953 schon eingesperrt wurde. Bis dahin aber habe ich das Regime vorbehaltlos unterstützt, und auch mein Konflikt mit Justus und mein Verrat an ihm resultierten daraus, dass einige von uns jungen Sozialdemokraten, ich gehörte auch dazu, Anhänger der Fusion mit den Kommunisten waren. Also war ich mitschuldig, obwohl ich damals gerade erst dem Flegelalter entwachsen war."

Nach achtmonatiger Haft erhielt Lendvai Berufsverbot, konnte bis zum Volksaufstand 1956 nicht in seinem Beruf als Parteischreiber arbeiten. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes erhielt er jedoch wieder journalistische Aufträge, durfte ins kommunistische Ausland reisen, von wo er dann die Flucht nach Wien vorzog. Von da an wurde er der mit Preisen, Orden und Titeln im Jahresrythmus überhäufte journalistische und publizistische Beobachter des östlichen Mitteleuropa.

Die entscheidende Frage stellt ihm seine Interviewpartnerin jedoch im ganzen Buch nicht: Was wäre Lendvai heute, wenn er nicht vom Pál zu Paul (gemacht) geworden wäre? Wenn sein stalinistischer Übereifer nicht - und zwar paradoxerweise keineswegs von seiner Einsicht oder von seinen Gegnern, sondern von seinen ideologischen Freunden - gebremst und durch das von ihm beklagte Berufsverbot neutralisiert worden wäre? Seine journalistische Karriere hätte ihn immer tiefer in die sowjetische Phraseologie verstrickt - sie wäre jedoch vielleicht schon mit dem Wechsel vom Diktator Rákosi zum Diktator Kádár beendet gewesen. Dann hätte Lendvai wohl bereits während des Aufstands als einer der Ersten die Flucht in den Westen ergriffen, doch mit einer unermesslich schwereren Last als dem Aufsatz über die "Tito-Bande". Ein für alle Spätgeborenen lesenswertes Buch, das nebenbei erklärt, warum sich der Linkssozialdemokrat Lendvai mit der heutigen ungarischen Regierung nicht abfinden mag - und warum deren Anhänger in ihm keinen objektiven Beobachter der nationalkonservativen Politik sehen können.

GEORG PAUL HEFTY

Paul Lendvai: Leben eines Grenzgängers. Erinnerungen. Aufgezeichnet im Gespräch mit Zsófia Miháncsik. Verlag Kremayr und Scheriau KG, Wien 2013. 255 S., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2013

Unreif
Paul Lendvai blickt mit Sorge
in Ungarns Zukunft
Paul Lendvai, Wiener Publizist mit ungarischen Wurzeln, ist ein fleißiger Buchautor. Seit er aus Altersgründen nicht mehr im journalistischen Tagesgeschäft untergeht, hat er sich darauf verlegt, der Welt das Land zu erklären, aus dem seine Familie stammt, in dem er 1956 als Abweichler und Revolutionär im Gefängnis saß, aus dem er sich auf einer Dienstreise absetzte. Seither begleitet er Ungarn mit der Mischung aus Wut und Liebe, die sich bei Emigranten einstellt, die zwar in ihrer zweiten Heimat glücklich sind, aber das halbe Herz in der ersten zurückgelassen haben.
  Lendvai ist kein Linker, aber auch kein Konservativer, er ist Pragmatiker. Folgt man seinem neuen Buch, dann war er immer auch ein Lebens- und ein Überlebenskünstler. Wie er, der Jude ist, seiner Deportation 1944 entkam, wie er es nach dem Aufstand 1956 und drei Jahren Berufsverbot ohne Beziehungen und ohne Geld in den Westen schaffte und sich in Windeseile eine Karriere als Journalist bei der Financial Times, beim ORF und dem Standard aufbaute, das erzählt Lendvai ausführlich und nicht ohne Eitelkeit. Er ist stolz auf sein Lebenswerk und geniert sich nicht, das in einem ausführlichen Gespräch mit seiner ungarischen Kollegin Zsofia Mihancsik deutlich zu machen.
  Aus seinem Buch kann man aber auch über Ungarn viel lernen. Das Buch ist, aller Rückschau zum Trotz, diesbezüglich sehr aktuell. Lendvai steht der Regierung von Viktor Orbán überaus kritisch gegenüber; erst kürzlich drehte er für den ORF eine Reportage („Nationale Träume – Ungarns Abschied von Europa?“), der in Budapest naturgemäß auf wenig Begeisterung stieß. In seiner nun erschienenen Biografie schaut der Österreicher Lendvai in die Seele des Ex-Ungarn Lendvai, er sucht nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden – und findet sie in der Politik. Es sei bedauerlich, dass Viktor Orbán „immerzu im Namen aller Ungarn“ spreche, beklagt der Autor, und dass er die weltweite Kritik an seiner nationalen Wende mit Hinweis auf das Ehrgefühl des Volkes zurückweise. Auch sachliche Anmerkungen etwa zur Wirtschafts- oder Geldpolitik würden als Kampfansage an die Unabhängigkeit der Nation verbucht. „Niemals, nicht einmal in der kritischen Phase seiner Geschichte, hätte in Österreich seit dem Zweiten Weltkrieg ein Politiker so auftreten können. Er wäre unglaubwürdig, wäre ausgelacht worden.“
  Auf ungarische Empfindlichkeiten und Befindlichkeiten nimmt Paul Lendvai in seinem Buch keine Rücksicht. Orban und die regierende Fidesz-Partei bezeichnet er als „machthungriges Kartell, das sich vor allem mit der Mehrung von Profiten befasst“. Aber auch die sozialistische Partei, die das Land vor Fidesz regierte, kommt nicht gut weg. Er attestiert ihr, bis heute ein Abkömmling der Kadar-Partei geblieben zu sein. Linke Spitzenpolitiker nennt Lendvai unreif, die Opposition insgesamt hemmungslos. Seine Prognose für Ungarn: ein Brain-Drain, also die Abwanderung der gut ausgebildeten Mittelschicht, der Niedergang der Kultur, Nepotismus und Mittelmäßigkeit. Paul Lendvai ist darüber selbst untröstlich.
CATHRIN KAHLWEIT
Paul Lendvai: Leben eines Grenzgängers. Erinnerungen. Aufgezeichnet im Gespräch mit Zsófia Mihancsik. Aus dem Ungarischen von Ernö Zeltner. Kremayr & Scheriau, Wien 2013. 255 S., 24 Euro.
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