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Was ist Dummheit und warum tun auch kluge Menschen dumme Dinge? Die Ursachen liegen oft weniger im mangelnden Denkvermögen als vielmehr im emotionalen Bereich, manchmal wird Dummheit erst künstlich erzeugt. Oft aber nimmt Dummheit besonders erschreckende Formen an. Als solche "Reiche der Dummheit" werden unter anderem behandelt: Medien, Vorurteile, Moral, Spießbürgertum, Aggression, Krieg, Politik, Ökoproblematik, Illusionen, Ideologie, Religion, Aberglaube, Esoterik, Kreationismus, Astrologie, Ufologie, aber auch Wissenschaft und Philosophie.

Produktbeschreibung
Was ist Dummheit und warum tun auch kluge Menschen dumme Dinge? Die Ursachen liegen oft weniger im mangelnden Denkvermögen als vielmehr im emotionalen Bereich, manchmal wird Dummheit erst künstlich erzeugt. Oft aber nimmt Dummheit besonders erschreckende Formen an. Als solche "Reiche der Dummheit" werden unter anderem behandelt: Medien, Vorurteile, Moral, Spießbürgertum, Aggression, Krieg, Politik, Ökoproblematik, Illusionen, Ideologie, Religion, Aberglaube, Esoterik, Kreationismus, Astrologie, Ufologie, aber auch Wissenschaft und Philosophie.
Autorenporträt
Alois Reutterer studierte Philosophie, Psychologie und Biologie; er ist Autor mehrer Sach- und Lehrbücher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2005

Dummheit, wohin man schaut
Alois Reutterer attackiert alle, die ohne studienrätliches Augenmaß ans Werk gehen
„Nichtstun ist eine der größten und verhältnismäßig leicht zu beseitigenden Dummheiten”, meint Kafka; vorbildlich nutzt Alois Reutterer seinen wohlverdienten Gymnasiallehrerruhestand für eine wackere Donquichotterie und schreibt ein Buch über und gegen die Dummheit. Das erscheint wie der Lebenstraum eines Aufrichtigen, der seit Jahrzehnten zu seinem einzigen Intimus im trägen Lehrerkollegium stoßseufzend sagte: „Wenn ich mal Zeit habe, dann schreibe ich ein Buch über diese unerträgliche Allgegenwart der Dummheit meiner Zeitgenossen.” - Dass die Dummheit, die man bei anderen sieht, erhebend aufs Gemüt wirkt, wie Wilhelm Busch vermutete, war der Motivation zu diesem Generalangriff sicherlich förderlich.
Der Wissenschaftsverlag Springer in Wien hat das Werk gedruckt, und ihm innen die Optik eines Lehrbuches gegeben. Mit Spiegelstrichen, die gleichermaßen Facettenreichtum und Vollständigkeit des jeweiligen Wissensareals suggerieren, und grau unterlegten Kästchen, in denen wichtige Zitate stehen oder erinnerungswürdige Kernsätze. Und ganz lehrbuchmäßig geht Reutterer sein Thema zunächst an. Er versucht den Dummheitsbegriff zu bestimmen, bietet eine (ernst gemeinte) Liste mit Synonymen an und stellt fest, dass es schwierig sei, eine tragfähige Definition zu finden. Schließlich belässt er es bei dieser begriffsanalytischen Hilflosigkeit.
Damit wird das Problem des Buches deutlich. Weil sich Reutterer mit großem Eifer um einen Rundumschlag bemüht, wird sein Begriff von Dummheit leer und infolgedessen sinnlos. Im Grunde ist alles und jeder dumm, der nicht gerade über ein bedächtiges studienrätliches Augenmaß verfügt. Die Frauenfeindlichkeit von Otto Weininger (den er übrigens falsch schreibt) wird ebenso als dumm bezeichnet - was nicht gerade von psychologischem Einfühlungsvermögen zeugt - wie Rechtsradikalismus und tautologische Packungsbeilagen.
Die Crux der begrifflichen Wahllosigkeit zeigt sich darin, dass viele Dummheiten, die Reutterer diagnostiziert, eher Formen der Cleverness sind: Machtkalkül und Profitdenken sind Ursache vieler Phänomene, die „dumm” erscheinen mögen - Medien und Militarismus sind beliebte Beispiele Reutterers -, die sich letztlich aber nur durch andere Kategorien befriedigend erklären lassen, eine reine Dummheitsphänomenologie greift da zu kurz.
Die inflationäre Verwendung des Dummheitsbegriffs führt daher sogar - was Reutterer sicherlich zu vermeiden trachtete - zu einer zu einer Art platonischer Hypostasierung des Dummheitsbegriffs, in der das Heterogenste an der universalen Dummheit irgendwie „teilhaben” kann.
Allzeit im Brunnen
Bis hierhin könnte man sagen, dass Reutterer in einer Mischung aus Biedersinn und Pfiffigkeit ein Buch geschrieben hat, das zwar begrifflich unbefriedigend ist, aber eine bunte und unterhaltsame Melange aus Beispielen, Beobachtungen und Zitaten versammelt, die ein solides aufklärerisches und satirisches Potential haben. Auch gegen seine rechtschaffene Moral ist nichts einzuwenden, und in seiner moralistischen Diagnostik liegt er meist nicht falsch. Doch bleibt es rätselhaft, warum er sich in seinem Gefecht gegen die Dummheit zu ein paar groben intellektuellen Formfehlern hinreißen lässt.
Immense Dummheiten findet er beispielsweise in der Philosophie. Der Glaube an denn Sinn des Ganzen und an die Unsterblichkeit der Seele sind für ihn ebenso dumm wie die Annahme eines freien Willens. Auch wenn mit diesen transzendenten Fragestellungen Tür und Tor für allerlei abergläubische und esoterische Verstiegenheiten geöffnet werden, ist es schlicht kleinmütig, sie allesamt und in einem Aufwasch in das „Reich der Dummheit” zu verbannen.
Dahinter steht eine allzu bodenständige Anthropologie, die dem Menschen jegliche spekulative Neigung abspricht. Dass die Philosophie und die anderen Wissenschaften häufig im Dunkel tappen, ist kein Argument gegen die großen Differenzierungs- und Argumentationsleistungen der Vergangenheit. Wenn man sich zu solchen Pauschalisierungen hinreißen lässt, schießt man sich als Dummheitsanalytiker ins eigene Bein.
Und wenn Reutterer für Dummheiten in der Philosophie paradigmatisch einen besonders verquasten Satz Heideggers zitiert, ist dies eine Form von Effekthascherei, in der das antike Lachen der Thrakerin erschallt, also das Lachen jener Magd, die sich prächtig über den Philosophen Thales amüsierte, als dieser beim Blick auf das Himmelsgewölbe in einen Brunnen fiel.
Im Laufe der Philosophiegeschichte mag die Magd durchaus eine erfrischend entlarvende Funktion eingenommen haben, doch meist lacht sie aus Ignoranz. Interessanterweise ist der Humor Reutterers probatestes „Antidummheitsmittel”. Doch bevor man behaglich über die Dummheiten lacht, die man im theatrum mundi geboten bekommt, sollte man sich über Regie und Intendanz des Welttheaters informieren. Denn die sind möglicherweise von einer perfiden Klugheit.
OLIVER MÜLLER
ALOIS REUTTERER: Die globale Verdummung. Zum Untergang verurteilt? Mit einer Zitatensammlung zum Thema Dummheit. Springer, Wien und New York 2005. 456 Seiten, 34,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Autor sei ein pensionierter Gymnasiallehrer und sein Buch über die Dummheit wie ein Lehrbuch gesetzt und auch geschrieben, erklärt Rezensent Oliver Müller einige Hinter- und Vordergründe. Im Gegensatz zu diesem Auftreten von Buch und Autor schaffe dieser es jedoch nicht, der Dummheit begrifflich Herr zu werden und "schieße" sich mit vielen Pauschalisierungen und Denkschwächen "ins eigene Bein". Es reiche nicht, analysiert der Rezensent, nur "phänomenologisch" alles und jeden in einem großen "moralistischen Rundumschlag" als dumm zu benennen. Denn nur allzu oft steckten "Formen der Cleverness" drin, wo der Autor Dummheit draufschreibt. Für eine anthropologische Recherche der Dummheit benötige es mehr als nur eine einzige und noch dazu nicht begrifflich bestimmte Kategorie. Die Frauenfeindlichkeit eines Otto Weininger nur als "dumm" zu interpretieren, sei psychologisch wenig klug, und verquaste Heideggersätze lächerlich zu machen, erinnert den Rezensenten an die "ignorante Magd, die sich prächtig über den Philosophen Thales amüsierte, als dieser beim Blick auf das Himmelsgewölbe in einen Brunnen viel".

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