Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 20,00 €
  • Gebundenes Buch

Die Hofdamen stellen bis heute eine zwar gern zitierte, aber weitgehend unerforschte Gruppe der Wiener Hofgesellschaft dar. Das vorliegende Buch stellt die erste eigenständige Untersuchung zur diesem Gegegenstand für einen der größten Höfe Europas in der Frühen Neuzeit dar. Es beinhaltet neben einer Darstellung, die den Alltag bei Hof, Feste und Reisen ebenso behandelt wie die Herkunft der Frauen und ihre Karrieren, auch Quellen, in denen Hofdamen selbst zu Wort kommen. Fast 200 Kurzbiographien von Amtsträgerinnen des 17. Jahrhunderts machen inidivuelle Schicksale von Hofdamen dieser Zeit nachvollziehbar.…mehr

Produktbeschreibung
Die Hofdamen stellen bis heute eine zwar gern zitierte, aber weitgehend unerforschte Gruppe der Wiener Hofgesellschaft dar. Das vorliegende Buch stellt die erste eigenständige Untersuchung zur diesem Gegegenstand für einen der größten Höfe Europas in der Frühen Neuzeit dar. Es beinhaltet neben einer Darstellung, die den Alltag bei Hof, Feste und Reisen ebenso behandelt wie die Herkunft der Frauen und ihre Karrieren, auch Quellen, in denen Hofdamen selbst zu Wort kommen. Fast 200 Kurzbiographien von Amtsträgerinnen des 17. Jahrhunderts machen inidivuelle Schicksale von Hofdamen dieser Zeit nachvollziehbar.
Autorenporträt
Katrin Keller, Dozentin an der Universität Wien, Forschungen zu Adel und Hofgesellschaft in Sachsen und Österreich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2005

Immer diese Frauenzimmer
Katrin Keller schreibt gelehrt und witzig über Wiener Hofdamen

Die Zimmer in Versailles waren eng, laut und völlig überteuert. Wer aber mit seiner Ehefrau einzog, bekam die halbe Miete erlassen. So lockte Ludwig XIV. Damen an seinen neuen Hof. Ohne sie, so wußte er, ohne die Aussicht auf rauschende Feste, interessierte Blicke, Galanterie und Leidenschaften, Fortüne und Karriere auch außerhalb der Politik, würden die Männer fortbleiben. Der Sonnenkönig kalkulierte richtig. Gerade die Damen machten Versailles zu einem Laboratorium moderner Urbanität, den "Absolutismus" zu einem gesellschaftlichen Erfolg.

Katrin Kellers spannendes Buch spielt fast fünfzig Jahre zuvor und in einer ganz anderen Welt: im Wien der Gegenreformation. Große Affären und mächtige Mätressen wird hier niemand erwarten. Die einzige Begierde, der Kaiser Ferdinand II. (1619 bis 1637) und sein Sohn, Ferdinand III. (1637 bis 1657), frönten, war die nach dem Ruhm, Schutzherren des Katholizismus in Europa zu werden. Doch auch dabei halfen Damen. Kaiserin Eleonora Gonzaga (1598 bis 1655), Ferdinands II. zweite Gattin, stiftete Klöster, die spanische Infantin Maria Anna (1606 bis 1646) organisierte Ferdinand III. den Hof, und seine letzte Gemahlin, die jüngere Eleonora Gonzaga (1630 bis 1686), gründete gar einen Büßerinnen-Orden. Doch die resoluten Kaiserinnen meint die Wiener Universitätsdozentin gar nicht, wenn sie nach den Chancen von Frauen am Kaiserhof fragt. Weit mehr interessiert sie deren weibliche Umgebung: jene als "Frauenzimmer" bezeichnete Gruppe adliger Damen, die der höchsten Fürstin des Reichs als Gesellschafterinnen, Gehilfinnen und Begleiterinnen dienten. Sie möchte wissen, wer diese "Hoffräulein" waren, welche Einflußmöglichkeiten sie besaßen und welche Karrieren sie erwarten durften.

Eine solche Recherche verlangt außergewöhnliche Findigkeit. Denn die Quellen sind rar. Töchter werden in adligen Genealogien eher lakonisch behandelt. Weibliche Memoiren und Briefe, denen wir so viele Informationen über das Hofleben im zeitgenössischen Frankreich oder England verdanken, finden sich im deutschen Sprachraum selten. So mußte Katrin Keller ihre Daten mit detektivischem Spürsinn aus umfangreichen Korrespondenzen in adligen Privatarchiven, aus Zeremonialakten, Soldlisten und Dienstanweisungen destillieren. Was daraus entstand, darf als internationale Pioniertat gelten. Denn wir wissen inzwischen zwar viel über Frauen in der Frühen Neuzeit. Deren Damen aber kennen wir kaum.

Mit achtzig bis hundert Personen (die Hälfte davon Männer) war der Hofstaat der Kaiserin kaum ein Zehntel so groß wie der ihres Mannes. Die vierzehn bis dreiundzwanzig "Hoffräulein" kamen mit etwa achtzehn Jahren in den Dienst der Kaiserin. Unter Aufsicht einer "Fräuleinmeisterin" erhielten sie hier gesellschaftlichen Schliff und eine ähnlich nonchalante Allgemeinbildung wie männliche Altersgenossen sie auf der Grand Tour erwarben. Meist schieden sie nach fünf bis sechs Jahren wieder aus, weil sie sich verheirateten oder den Schleier nahmen (was seltener vorkam, aber ebenso standesgemäß war). Mit Glück konnten einzelne in reiferem Alter erneut eintreten - wenn sie selbst den Rang einer Fräuleinmeisterin oder gar einer "Obersthofmeisterin" erhielten, also einer Protokollchefin über den gesamten Hofstaat der Kaiserin.

Weil eine Hofdame sich Tag und Nacht in der Nähe der höchsten Fürstin aufhielt, konnte sie zu deren Vertrauter und Ratgeberin werden und allemal Familienmitglieder für höfische Posten ins Gespräch bringen. Allein schon deshalb wetteiferten viele Adlige, ihre Töchter im "Frauenzimmer" zu lancieren. Meist rückten auf freiwerdende Stellen Verwandte der vorhandenen Hofdamen nach - falls die Kaiserin es nicht vorzog, einen oppositionellen evangelischen Adligen aufzufordern, ihr seine Tochter nach Wien zu schicken. Eine solche Ehre konnte der Vater kaum ablehnen. Doch natürlich führte die Erziehung am Kaiserhof dazu, daß das Mädchen seinem Glauben abschwor und zum Katholizismus konvertierte.

Die Kaiserin belohnte dies, indem sie sich für Ehre und Erfolg ihrer Schützlinge verantwortlich fühlte. Mit Kurzbiographien von 159 Hofdamen und 31 Hofmeisterinnen belegt Keller, daß immerhin jedes zweite Hoffräulein heiratete und daß die meisten - oft mit Hilfe des Kaiserpaares - gute Partien machten. Der typische Gemahl einer Hofdame war zur Zeit der Hochzeit im mittleren Hofdienst tätig, machte dann aber meist noch eine beachtliche Karriere. So schufen sich die Kaiser auf ihre Art eine "höfische Gesellschaft".

Hoffräulein zu sein lohnte sich also. Dafür war ihr Dienst hart und nicht selten öde. Durchschnittlich vierzehn Stunden pro Tag waren die Mädchen auf den Beinen. Ihre Tätigkeiten reichten von Bedienungen und gehobenen Küchendiensten - die ältere Eleonora Gonzaga ließ sich täglich von einem anderen Hoffräulein kochen - über die Begleitung der Kaiserin zu Gottesdiensten und Visiten bis zur Teilnahme an Staatsakten, Festen und sogar Jagden. Keine Sekunde blieben sie unbeaufsichtigt. Selten und nur in Begleitung durften sie die Hofburg verlassen, nur zu bestimmten Stunden und nur in Gegenwart der Oberhofmeisterin mit Besuchern sprechen. Abends wurde die Türe des Frauentrakts von außen (!) abgeschlossen. Zwischen Hof und Kloster war in Wien - anders als in Paris oder London - kein großer Unterschied.

Trotzdem wußten die Hoffräulein sich schadlos zu halten. In einem der muntersten Kapitel ihres ebenso gelehrten wie witzigen Buches erzählt Katrin Keller, wie sie doch Mittel und Wege fanden, in die Stadt auszuschwärmen, Freunde zu treffen (sogar männliche) oder verbotenerweise Speisen und Süßigkeiten auf ihren Zimmern zu horten. Mochten die Aufseher schimpfen, so machte barockes Naschen die Mischung aus Stress und Langeweile am Hof erträglicher. Doch der reiche Bildteil des Buches beweist, daß die meisten Damen letztlich auch dabei Disziplin wahrten. Um so hemmungsloser ließen sie sich ein anderes Delikt zuschulden kommen: gemeinsames Kichern. Dazu gab es - anders als zum Lachen - am Wiener Hof dieser Zeit offenbar viel Anlaß. Erst von 1705 an griff Kaiser Joseph I. die Idee seines bewunderten französischen Feindes auf, das Hofleben als permanentes Fest zu inszenieren. Seine beunruhigte Gemahlin sorgte vor, indem sie vorzugsweise häßliche Hoffräulein anstellte.

GERRIT WALTHER

Katrin Keller: "Hofdamen". Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2005. 389 S., 41 S/W- u. 4 Farb-Abb., geb., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bestens unterhalten und belehrt fühlt sich Rezensent Gerrit Walther von Katrin Kellers Buch über die Hofdamen im Wien der Gegenreformation. Üppige Feste wie im Versailles des Sonnenkönigs konnten die Damen nicht erwarten, hat Walther in diesem Buch erfahren, in Wien bestand zwischen Hof und Kloster kein großer Unterschied (abends wurden die "Frauenzimmer" von außen abgeschlossen). Schließlich galt es unter Ferdinand II. vor allem, Österreichs Position als Schutzmacht des Katholizismus zu festigen. Der Rezensent staunt, mit welcher Findigkeit die Historikerin Quellen aufgetan hat, denn in den adligen Genealogien werden die Karrieren der Töchter eher nachlässig behandelt, auch wenn sie am Hofe stattfanden. So musste Keller auf Privatarchive zurückgreifen, Zeremonialakten, Soldlisten und Dienstanweisungen, aus denen sie Kurzbiografien von 159 Hofdamen und 31 Hofmeisterinnen destillieren konnte, wie der Rezensent informiert, der abschließend Witz, Munterkeit und Gelehrsamkeit der Autorin lobt.

© Perlentaucher Medien GmbH