Marktplatzangebote
16 Angebote ab € 1,81 €
  • Gebundenes Buch

Die Mommsens repräsentieren das gesamte deutsche Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts. Zur Familie gehören Monarchisten und Republikaner, Konservative und Liberale, Nationalsozialisten und Widerstandskämpfer, Deutsche und Weltbürger. Sie erlebten die Geschichte nicht nur, sie gestalteten mit. Die Jahre des Nationalsozialismus spalteten die Familie tief, und es war ausgerechnet das Erbe des Großvaters, das den Streit 1948 neu entfachte.

Produktbeschreibung
Die Mommsens repräsentieren das gesamte deutsche Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts. Zur Familie gehören Monarchisten und Republikaner, Konservative und Liberale, Nationalsozialisten und Widerstandskämpfer, Deutsche und Weltbürger. Sie erlebten die Geschichte nicht nur, sie gestalteten mit. Die Jahre des Nationalsozialismus spalteten die Familie tief, und es war ausgerechnet das Erbe des Großvaters, das den Streit 1948 neu entfachte.
Autorenporträt
Peter Köpf, geboren 1960, studierte Politik- und Kommunikationswissenschaften sowie Neuere Deutsche Literatur in München. Seit 1991 ist er als Journalist für Printmedien und Fernsehen tätig und lebt heute in Berlin. Peter Köpf hat mehrere Sachbücher, u.a. "Die Lotto- Mafia", eine Gerhard-Schröder- und eine Kurt-Biedenkopf-Biografie geschrieben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.11.2004

Die Guten und die Bösen
Peter Köpf banalisiert die Geschichte der Familie Mommsen
Die Geschichte der Familie Mommsen ist die Geschichte des deutschen Bildungsbürgertums. An dieser weitverzweigten Dynastie lassen sich beispielhaft Entstehung, Entfaltung und Niedergang einer gebildeten Elite im 19. und 20. Jahrhundert studieren. Die fünf Generationen der Mommsens illustrieren idealtypisch die Ambivalenzen und Antinomien dieser Klasse: protestantisch und agnostisch, liberal und patriotisch, fortschrittsgläubig und wertkonservativ, antiaristokratisch und elitär, leistungsorientiert und privilegienbewusst.
Die Überlieferungslage ist gut. Nachlässe sind erhalten, die Archive reich bestückt, die lebenden Familienmitglieder auskunftswillig. Die Wissenschaft hat sich um einzelne Persönlichkeiten bereits intensiv bemüht, so um den Archegeten der modernen Altertumswissenschaften und liberalen Politiker Theodor Mommsen (1817-1903), seinen Schwiegersohn, den ostpreußischen Aristokraten und brillanten Gräzisten Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (1848-1931), und um seinen Enkel, den Historiker Wilhelm Mommsen (1892-1966), der in Weimar zur republiktreuen Minorität zählte und dennoch 1945 aus politischen Gründen seine Marburger Professur verlor. Vor diesem Hintergrund hat es der Journalist und Biograph Peter Köpf unternommen, am Beispiel dieser Familie „die Geschichte der Deutschen” zu schreiben. Sein Projekt ist gescheitert.
Köpf reduziert seine Darstellung auf die Verstrickung einzelner Familienmitglieder in die politischen Zeitläufte. Am Anfang steht der Altachtundvierziger Theodor Mommsen, der am Ende seines Lebens mit den obrigkeitshörigen Deutschen abrechnete. Die phrasenhafte Rekonstruktion seiner Biographie ist indes nur die leise Ouvertüre. Auf die Bühne bringt Köpf in mehreren Akten das Drama einer bürgerlichen Familie im „Dritten Reich”. Zwischentöne gibt es nicht. Auf der einen Seite stehen die bad guys, die mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht hätten: Der Historiker Wilhelm Mommsen, der sich nach 1933 den neuen Machthabern andiente, der Archivar Wolfgang A. Mommsen (1907-1986), der als Mitglied der Deutschen Archivschutzkommission in Estland und Lettland baltische Archive plünderte, und der Jurist Ernst Wolf Mommsen (1910-1979), der in Albert Speers Rüstungsministerium die Räder für den Sieg rollen ließ. Auf der anderen Seite agieren die good guys: Der Mediävist Theodor E. Mommsen, der aus politischen Gründen 1935 in die Vereinigten Staaten emigrierte, und Konrad Mommsen, der in Berlin verfolgten Juden half. Nach den Gründen, die die einzelnen Mitglieder derselben Familie unterschiedlich auf den Nationalsozialismus reagieren ließen, wird nicht gefragt. Unklar bleibt zudem, warum Ernst Wolf und Wolfgang A. Mommsen ihre Karrieren nach 1945 fortsetzen konnten, während es Wilhelm Mommsen (im Gegensatz zu vielen anderen) nicht gelang, auf seinen Lehrstuhl zurückzukehren.
Köpf behauptet, die Geschichte zu erzählen, „wie sie sich in den Nachlässen und Akten findet, die für Historiker maßgeblich sind”. Doch eine methodisch reflektierte Geschichtswissenschaft erschöpft sich nicht in der Aneinanderreihung von Zitaten und Paraphrasen, sondern in der quellenkritischen Reflexion und zeitgeschichtlichen Kontextualisierung der Zeugnisse. Hier ist Köpf, der sich bereits an „den Burdas” versucht hat, überfordert, weil er wenig von der Sozial- und nichts von der Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums versteht. Die Frauen aus dem Hause Mommsen spielen in seiner Inszenierung nur eine traurige Statistenrolle. Die moderne Altertumswissenschaft, die Theodor Mommsen im 19. Jahrhundert repräsentierte, ist ihm ebenso fremd wie die Krise des Historismus, die Wilhelm und Theodor E. Mommsen in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts überwinden wollten. Kein Wort über die typisch deutschen Deutungsmuster „Bildung”, „Humanismus” und „Kultur”, deren Glanz und Elend man an der Familie Mommsen hätte nachzeichnen können. Statt dessen verbreitet Köpf pikante Details aus dem Privatleben der Familie, die eigentlich niemand wissen will.
Bleibt seine Arbeit im Archiv. Stolz berichtet er von manchem schönen Neufund, offenbart aber in jedem Kapitel seinen selektiven Umgang mit den Archivalien. Ein Beispiel: Für die differenzierende Bewertung der Rolle Wilhelm Mommsens im „Dritten Reich” ist der Briefwechsel Gerhard Ritters von grundlegender Bedeutung. Köpf benutzt ihn nicht, obwohl er im Bundesarchiv in Koblenz liegt, wo der Autor andere Bestände einsah. Der Freiburger Historiker hat in einem Gutachten von 1946 Wilhelm Mommsens Haltung im Dritten Reich wesentlich treffender beschrieben als der Enthüllungsjournalist im Jahr 2004.
Köpf zitiert immer wieder aus Gesprächen mit Hans Mommsen, dem Sohn Wilhelm Mommsens, um ihn augenscheinlich der mangelnden Kritikfähigkeit im Umgang mit der eigenen Familiengeschichte im „Dritten Reich” zu überführen. Ein solches Vorgehen entlarvt diesen schlechten Familienroman endgültig als eine selbstgerechte Anklageschrift, der es nicht gelingt, am Beispiel der Familie Mommsen ein wichtiges Kapitel deutscher Geschichte zu schreiben. Bedauerlich, dass eine solche Chance so leichtfertig vertan wurde.
STEFAN REBENICH
PETER KÖPF: Die Mommsens. Von 1848 bis heute - die Geschichte einer Familie ist die Geschichte der Deutschen. Europa Verlag, Hamburg 2004. 352 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stefan Rebenich macht gleich zu Beginn seiner Kritik dieser Familienbiografie der Mommsens unmissverständlich klar, dass er das Unternehmen des Autors Peter Köpf als "gescheitert" ansieht. Am Werdegang von fünf Generationen hätte sich beispielhaft die "gebildete Elite" des 19. und 20. Jahrhunderts darstellen lassen, betont der Rezensent und er macht aus seiner Enttäuschung, dass der Autor diese "Chance vertan" hat, keinen Hehl. Insbesondere "Zwischentöne" vermisst Rebenich in dieser Familiengeschichte und er wirft Köpf vor, in seiner Beurteilung der Familienmitglieder allzu pauschal in "bad guys" und "good guys" aufzuteilen, ohne nach Gründen für die unterschiedliche Haltung beispielsweise in der Nazizeit zu fragen. Dazu kommt, wie der Rezensent knallhart feststellt, dass der Autor nichts von "Sozial- und Kulturgeschichte" versteht und so seine aneinander gereihten "Zitate und Paraphrasen" aus den Quellen nicht in den historischen Kontext einzuordnen versteht. Zudem wirft er dem Autor auch noch einen "selektiven Umgang" mit dem Archivmaterial vor, weil Köpf wichtige Dokumente schlicht nicht für seine Darstellung herangezogen habe, obwohl sie leicht zugänglich gewesen wären. Mit "methodisch reflektierter Geschichtswissenschaft" hat dies nichts zu tun, wettert Rebenich, der sich statt "pikanter Details" aus der Familiengeschichte hier ein "wichtiges Kapitel deutscher Geschichte" gewünscht hätte.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr