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Julius Wellhausen (1844-1918), zunächst Professor für Altes Testament an der theologischen Fakultät in Greifswald, danach Professor der Semitistik an den philosophischen Fakultäten in Halle, Marburg und Göttingen, begründete die moderne Sicht der Geschichte des alten Israel, wirkte bahnbrechend aber auch auf den Gebieten des vor- und frühislamischen Arabien und des Neuen Testaments. Seine Werke wurden immer wieder wegen ihrer einzigartigen schriftstellerischen Stärke gerühmt, die nun auch in seinen hier fast durchweg erstmals veröffentlichten Ausführungen zu Tage tritt. Der Band umfasst mehr…mehr

Produktbeschreibung
Julius Wellhausen (1844-1918), zunächst Professor für Altes Testament an der theologischen Fakultät in Greifswald, danach Professor der Semitistik an den philosophischen Fakultäten in Halle, Marburg und Göttingen, begründete die moderne Sicht der Geschichte des alten Israel, wirkte bahnbrechend aber auch auf den Gebieten des vor- und frühislamischen Arabien und des Neuen Testaments. Seine Werke wurden immer wieder wegen ihrer einzigartigen schriftstellerischen Stärke gerühmt, die nun auch in seinen hier fast durchweg erstmals veröffentlichten Ausführungen zu Tage tritt. Der Band umfasst mehr als 1000 Briefe; unter den Adressaten befinden sich F. Althoff, A. v. Harnack, W. Herrmann, A. Jülicher, A. Kuenen, P. de Lagarde, E. Littmann, Th. Mommsen, Th. Nöldeke, Ed. Schwartz, A. Schweitzer und W.R. Smith. Die Themen gehen in ihrer Vielzahl weit über das Fachliche hinaus.
Autorenporträt
Wellhausen, Julius(1844-1918): Ab 1862 Theologiestudium in Göttingen; ab 1870 Privatdozent in Göttingen; 1872 ordentlicher Professor für Altes Testament in Greifswald; 1882 außerordentlicher Professor für semitische Sprachen in Halle/Saale und 1885 in Marburg; als Nachfolger von Paul de Lagarde seit 1892 in Göttingen; 1913 Emeritierung.

Müller, ReinhardGeboren 1972; 2003 Dr. theol.; 2008 Habilitation; seit 2014 Professor für Altes Testament in Münster.

Smend, RudolfGeboren 1932; Studium in Tübingen, Göttingen, Basel; 1958 Promotion; 1962 Habilitation; 1963-65 Professor für Altes Testament in Berlin; 1965-71 in Münster; seit 1971 in Göttingen; 1998 emeritiert.

Porzig, PeterGeboren 1971; 1992-99 Studium der Evangelischen Theologie, daneben Studien der Assyriologie und der Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen; 2008 Promotion; seit 2009 Lehrauftrag an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einem, der sich nicht anpassen wollte und dem jegliches Pathos, Phrasen und Selbstdarstellung fremd waren, begegnet Friedrich Wilhelm Graf hier, in den Briefen des Theologen Graf Julius Wellhausen. Erfrischend wirkt die Lektüre auf den Rezensenten, da aus den Briefen die Lust zu steilen Thesen und scharfer Kirchenkritik ebenso spricht, wie sprachliche Brillanz, Sachlichkeit und ein breites Wissens- und Interessenspektrum, von der aktuellen politischen Lage über bildungspolitische Fragen bis zu Nietzsche und Albert Schweitzer. All das erfährt Graf aus den Briefen des Gelehrten an Theodor Mommsen, Ferdinand Justi oder Paul de Lagarde, die der Herausgeber Rudolf Smend, wie Graf findet, durch akribische Archivarbeit in einer glänzenden Edition ans Licht der Leselampe gebracht hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2014

Ich bilde eine Religionsgemeinschaft für mich
Die Briefe des Theologen Julius Wellhausen bestechen durch Ehrlichkeit und schönen Witz
Es gab eine Zeit, da besaß die deutsche Geisteswissenschaft Weltrang. Das war im 19. Jahrhundert. Einen nicht geringen Anteil daran hatten historisch-kritische Theologen, wie zum Beispiel Julius Wellhausen (1844 bis 1918), einer der großen Einzelgänger der deutschen Geistesgeschichte. In einer opulenten Sammlung seiner Briefe kann man ihn jetzt näher kennenlernen. Wer die über eintausend Schreiben liest, der erhält eine Ahnung davon, was einen wirklich bedeutenden Gelehrten ausmacht.
  Wellhausen hatte in der Erforschung des Alten Testaments eine kopernikanische Wende durchgesetzt. Denn er drehte das kanonische Geschichtsbild um: Am Anfang der Religionsgeschichte Israels standen nicht Mose und sein Gesetz, sondern die Propheten, die einen neuen Glauben begründeten. Ihr ethischer Monotheismus sollte dann später in der – nur vermeintlich von Mose stammenden – Thora seine Kodifizierung erhalten. Mit dieser Umkehrung des Geschichtsbildes hat Wellhausen Epoche gemacht und weit über die Theologie hinaus gewirkt. Seine historische Deutung der Bibel führte ihn zugleich aus der damaligen Theologie heraus. Da er es nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, zukünftige Pastoren einer orthodox ausgerichteten Kirche auszubilden, wechselte er in die Orientalistik, um dort ebenfalls Grundlegendes zu leisten, besonders in der Erforschung des frühen Islam.
  Seine Briefe an Freunde und Verwandte sowie an Größen der damaligen Gelehrtenwelt wie den preußischen Kulturpolitiker Friedrich Althoff, den Althistoriker Theodor Mommsen, den Islamkundler Ignaz Goldziher oder den Kulturprotestanten Adolf von Harnack bescheren eine genussvolle Lektüre. Sie gehen stets direkt auf den Punkt und besitzen einen schönen mürrisch-bärbeißigen Witz. Den inneren Faden dieser Korrespondenz bilden – damals ganz ungewöhnlich – die Briefe an zwei Fachfreunde im Ausland: den Holländer Abraham Kuenen und den Schotten William Robertson Smith. Wellhausen bekannte: „Ich fühle mich gar nicht sehr wohl unter der Gesellschaft meiner deutschen Kollegen, und obwohl ich ein guter Preuße bin, wäre ich doch viel lieber in Paris, London und Leiden.“
  Besonders die britische Hauptstadt hatte es ihm angetan. Zwar wären in Berlin die Häuser und Plätze schöner, aber die Straßen wären hier so öde: „Es fehlt ganz das vergnügte Treiben, Mensch und Tier sehen verdrossener aus, namentlich die Droschkengäule. Statt des lässigen Sichgehenlassens und Spielens in den Londoner Parks sieht man im Tiergarten nur geputzte Kindermädchen und militärische Spaziergänger.“
  Was ihn als Menschen und Gelehrten auszeichnete, war seine Ehrlichkeit – in der wissenschaftlichen Arbeit, gegenüber seinen Gesprächspartnern und vor sich selbst. Er fokussierte sich auf präzise Sacharbeit, gestattete sich keine Eitelkeit, hielt sich vom Betrieb fern und bewahrte dadurch seine Unabhängigkeit. Dazu gehörte seine „angeborene Faulheit“. Er wünschte manchmal, dass er fleißiger wäre und dass die Wissenschaft ihn „etwas mehr interessierte, als sie es tut.“ Jedoch ermöglichte ihm genau diese Faulheit, Abstand zu halten. Bloße Sekundärliteratur pflegte er zu ignorieren. Exegetische Kommentare, diese Mausoleen der Emsigkeit, konsultierte er selten. Er verachtete „die unfruchtbare Kleinigkeitssammelei der deutschen Orientalisten, die gar nicht wissen, was sie mit ihrer Gelehrsamkeit anfangen sollen, die überhaupt nie in ihrem Leben ein wirkliches Problem gehabt haben.“ Stattdessen setzte er sich direkt und unvoreingenommen den antiken Texten aus, las sie genau und vergaß dabei nie, ihnen Fragen zu stellen, in ihnen Probleme zu suchen, die zu lösen sich lohnt. So wurde er zu einem Gegentypus zu all den Theologen, Philologen und Historikern, die „groß in allem Kleinen und klein in allem Großen“ sind. Dazu passt, dass er keine Zeit darauf verschwendete, Debatten zu führen oder auf Kritik einzugehen. Lieber hielt er sich an die Maxime seines Lehrers Heinrich Ewald: „Ich sage immer gleich das Richtige.“ Jedoch hielt er sich nicht für unfehlbar, sondern im Gegenteil für den „ratlosesten Menschen von der Welt“.
  Von großer Ehrlichkeit war er in seinem Verhältnis zu Theologie und Kirche. Die altprotestantische Orthodoxe hatte er weit hinter sich gelassen, an das neuprotestantische Projekt einer liberalisierten Kirche mochte er nicht glauben. So fällte er für sich eine mutige, klare Entscheidung und wechselte 1882 das Fach. Aber er machte darum kein Aufheben. Märtyrer-Gewese und Apostaten-Posen waren ihm fremd. Selten hat er seine inneren Motive nach außen getragen. Umso bedeutsamer ist der Brief, den er am 8. Oktober 1885 an den Theologen Friedrich Spitta geschrieben hat: „Ich bin deshalb aus der theologischen Fakultät ausgetreten, weil ich nicht an die Lebens- und Verbesserungsfähigkeit der evangelischen Kirche glaube. Ich weiß wohl, welche Gnade das Evangelium ist. Ich glaube aber nicht, dass das Zurückgehen auf das Evangelium uns hilft. Die historische Wissenschaft hilft überhaupt nicht. Im Protestantismus finde ich Ehrlichkeit, wenngleich Verkehrtheit; im Papismus finde ich systematische Lüge, wenigstens in der Jesuiterei. Ich bilde eine Religionsgemeinschaft für mich. Ich kann nicht dem Gemeinschaftsbedürfnisse Opfer machen auf Kosten der Aufrichtigkeit. Aber ich bin meines Glaubens gewiss genug, und keine Zweifel können ihn erreichen“.
  So ist er für sich geblieben, hat weiter der Wissenschaft gedient, in fröhlicher Resignation und stiller Gewissheit sein Leben fortgeführt. Diese Unabhängigkeit zeigte sich auch, als Wellhausen am Ende dieses Lebens den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlebte. Natürlich war er Patriot, doch von chauvinistischem Überschwang hielt er nichts. So schrieb er im September 1914: „Meine Frau und Schwägerin freuen sich über jeden toten Engländer; ich kann nicht mit, wenn ich sehe, dass die Jugend stirbt und ich hinter dem Ofen sitze und die Salbadereien der Zeitungen über unsere Kultur und über unser Recht lese. Im Anfang war die Tat; es kommt alles auf das Tun an und auf das Ausharren, und auf die Treue im Geringsten.“ Wer also einmal einem grundehrlichen Menschen und innerlich freien Wissenschaftler begegnen möchte, lese dieses Buch.
JOHANN HINRICH CLAUSSEN
Julius Wellhausen (1844-1918) war von seltener Konsequenz. 1882 wechselte der Theologe das Fach.
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Julius Wellhausen: Briefe. Herausgegeben von
Rudolf Smend. Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2013.
887 Seiten, 79 Euro.
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