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Einblicke in das Leben der Maria Callas aus der Sicht eines Mannes, der sie viele Jahre lang gekannt hat. Von 1947 bis zu ihrem Tod ist der Opernkritiker der "Primadonna assoluta" immer wieder begegnet. Mit seiner keineswegs unkritischen Biografie räumt er auf mit vielen falschen Vorstellungen über die große Sängerin.

Produktbeschreibung
Einblicke in das Leben der Maria Callas aus der Sicht eines Mannes, der sie viele Jahre lang gekannt hat. Von 1947 bis zu ihrem Tod ist der Opernkritiker der "Primadonna assoluta" immer wieder begegnet. Mit seiner keineswegs unkritischen Biografie räumt er auf mit vielen falschen Vorstellungen über die große Sängerin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.1999

Arie ohne Atem
Neuer Stoff für den Callas-Mythos / Von Eleonore Büning

Schöne Stimme genügt nicht. In diesem Punkt sind sich alle Primadonnen einig. Das Wertvollste im Leben einer Sängerin, sagt Renata Scotto, sei die Technik. "Luft und Atem", meint Montserrat Caballé, "Körperkraft" (Astrid Varnay), eine "solide Gesundheit" (Christa Ludwig) und "die Beherrschung des Kopftons" (Elisabeth Schwarzkopf). Dazu kommen die seelischen Seiten: "Intuition" (Vesselina Kasarova), "Berufung" (Sena Jurinac), "innerer Antrieb" (Julia Varady) und natürlich die "Liebe zur Musik" (Mirella Freni). Einige der fünfundzwanzig Primadonnen aus drei Generationen und unterschiedlichsten Stimmfächern, die Dieter David Scholz in den letzten fünf Jahren um Auskunft über Sängerleid und -leben bat, erinnern sich auf Nachfrage an Maria Callas. Sie halten nicht viel von ihrer Technik. Aber sie beugen die Knie vor ihrem Pathos. Im Übrigen hatte die Callas eine hässliche Stimme.

Das sagt nicht nur ihr schärfster Kritiker Rodolfo Celletti, das meinte auch schon Arturo Toscanini, der ihr "Essig in der Stimme" bescheinigte, und das räumt sogar einer ihrer allertreuesten Schleppenträger ein. Bei einem Ambitus von zweieinhalb Oktaven Spannweite, so stellt Stelios Galatopoulos fest, sind die "stimmlichen Schwächen" der Maria Callas, die unausgeglichenen Registerwechsel und die gewisse Schärfe in der Höhe, ja, sogar eine "leichte Schrillheit" damit zu entschuldigen, dass ein dramatischer Koloratursopran dieses Kalibers nun einmal nicht auf ein Fach beschränkt sein kann. Mit anderen Worten: Callas ruinierte früh ihre Stimme, weil sie zu viel und teils falsche Rollen sang. Was die Wahrhaftigkeit ihrer dramatischen Aktion nicht minderte. "Zieht man in Betracht, was Oper erreichen will, dann sind die Schwächen der Callas im Kontext ihrer Wirkung wenig mehr als Wassertropfen im Meer", so Galatopoulos, unfreiwillig doppelsinnig. Und hievt die Diva gleich im folgenden Satz als Gesamtkunstwerk auf den Sockel: Wie der David des Michelangelo sei Maria Callas trotz und gerade wegen ihrer kleinen handwerklichen Mängel in den Augen der Welt ein ewiggültiges Meisterwerk.

Stelios Galatopoulos empfiehlt sich als der legitime "Wunschbiograph" der Callas. Einundzwanzig Jahre nach ihrem Tod brachte er das "definitive" Callas-Buch heraus. Die Welt hat nicht darauf gewartet. Längst füllt die Callas-Literatur einen Regalmeter, das Angebot reicht von der kritischen Demontage (Stassinopoulos, 1981) über diverse Bekenntnis- und Enthüllungstraktate bis hin zu akribischer Dokumentation (Ardoin, 1982) und Analyse (Kesting, 1990), zu schweigen von den kultig-opulenten Bildbänden (zuletzt von Csampai 1993). Immer wieder will der Callas-Mythos neu gedreht, gewendet und gefüttert werden. Auch Galatopoulos selbst hatte bereits in den Sechzigern und Siebzigern je eine Callas-Biographie verfasst. Was nun die neue vor allen anderen auszeichnet, das ist zunächst die unerhörte Bilderflut von 350 Fotografien und zweitens die "einzigartige Vertrauensstellung des Autors", der erstmals auch ausführliche Auskünfte von Maria Callas über sich selbst vorlegt. Aufführungsverzeichnis, Daten und Fakten im Anhang sind bewundernswert umfangreich, aber nicht ganz lücken- und fehlerlos. Der Callas-Biograph Kesting heißt hier Kestin, der Live-Mitschnitt aus Mexiko City (3. 6. 1952) fehlt in der Diskographie. Flankierend zum Buch hat die EMI-Electrola eine Doppel-CD-Sonderausgabe mit den schönsten Arien der Diva herausgebracht.

Galatopoulos lernte Maria Callas 1947 als "La Gioconda" in Verona kennen und traf sie im Abstand von Jahren immer wieder bis kurz vor ihrem Tode. Ob die Interviews auch auf Tonband mitgeschnitten wurden, wird nicht mitgeteilt. Allerdings tauchen auch Zitate anderer Zeitzeugen oder bekannte Callas-Zitate wie die aus dem Fernsehinterview mit David Frost (aus dem Jahr 1970) ohne Nachweis auf. So bleibt offen, ob die in Ich-Form und wörtlicher Rede gehaltenen, im Kapitel "Finale" sogar Seiten füllenden Passagen des Buches tatsächlich O-Töne im dokumentarischen Sinne sind, oder aber Gedächtnisprotokolle, vom Autor nach der Erinnerung frei paraphrasiert. Sollte letzteres zutreffen, dann weiß man nicht, was man mehr bewundern soll: Galatopoulos' Gedächtnis - oder seine dichterischen Gaben. Ja, der Leser fühlt sich zuweilen wie im Kino, so hautnah dabei: "Bewegt von ihren Erinnerungen, lächelte Maria liebevoll und sagte ruhig: ,So war es.' Dann warf sie einen Blick auf die Uhr, und ich wusste, es war Zeit zu gehen."

Was die Callas durch den Mund ihres Biographen über sich und ihre Kunst zu sagen hat, ist weder neu noch besonders aufschlussreich. Sie spricht Versöhnliches über Onassis und Jackie, Nettigkeiten über die Arbeit mit Tullio Serafin, über Bühnenproben, Belcanto und einzelne Rollenporträts: Violetta ist am Ende geläutert, Norma eine edle Gestalt und so weiter. Manches klingt wolkig bis unbedarft: "Die gesamte italienische Musik bewegt sich immer fließend, ganz gleich, wie langsam der Rhythmus ist." Nun sind allerdings große Künstler, vor allem Musiker, insbesondere Sänger, nicht immer auch große Virtuosen der Selbsteinschätzung. Das gilt genauso gut für die Scholz'schen Interviews, die durchaus marmoriert sind von Eitelkeiten, Selbststilisierung und holdem Wahn. Und dennoch: Was diese Sängerinnen in all den Fällen, wo es konkret um das Handwerk des Singens geht, zu sagen haben, aber auch, was sie in summa wissen über die mörderischen Mängel des heutigen Opernbetriebs, das hat eine Detaildichte, die bei Galatopoulos fehlt.

Warum hat der Wunschbiograph so lange damit gewartet, sein Exklusivmaterial zu veröffentlichen? Galatopoulos schreibt im Vorwort, dass er das Buch "reifen" lassen wollte: Erst nach dem Tod der Diva "entwickelte sich meine Beziehung zu ihr, oder, genauer gesagt, meine Erinnerung an sie". Schöner kann man nicht in Worte kleiden, wie Legenden entstehen. Diese Biographie ist vielleicht überflüssig, aber schön anzuschauen: Ein zwei Kilo schweres, prächtig illustriertes Fanzine.

Stelios Galatopoulos: "Maria Callas. Die Biographie". Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Ohl und Hans Sartorius. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999. 574 S., geb., 88,- DM.

Dieter David Scholz: "Mythos Primadonna. Gespräche mit großen Sängerinnen". Parthas Verlag, Berlin 1999. 312 S., geb., 58,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eleonore Büning ist nicht unbedingt begeistert von Galatapouos` Callas-Biographie, die nun wieder ein paar Zentimeter in den langen Regalmetern über die Sängerin wegnimmt. Immerhin: opulent ist das Buch, ein dickes schweres "Fanzine" Dem Biographen aber, der sich einer Vertrauensposition zur Sängerin rühmt, weist Büning ein paar Fehler nach, zum Beispiel Lücken in der Diskographie und Zitate, die nicht nachgewiesen werden. Ein weiterer Pflasterstein auf dem Weg zur Legendenbildung.

© Perlentaucher Medien GmbH