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Über dem Ozean ist der Horizont unendlich, und auch die Grenzen der Dichtung sind nicht auszumachen in diesem betörenden Debüt. Vom Meer aus betrachtet Jeffrey Yang die Welt, den Menschen und seine Kulturen, Wissenschaften, Geschichte(n), Poesien, Philosophien und Religionen. Sein Blick reicht weit über die Gegenwart und die Grenzen der USA hinaus: von Hawaii über das alte Ägypten, von den Olmeken über Jules Verne bis Vishnu, Google, Aristoteles, Borges - all dies und viel mehr findet in diesem maritimen Alphabet Platz zwischen Flunder, Seetang, Mondfisch und Hummer. Wann hat man zuletzt…mehr

Produktbeschreibung
Über dem Ozean ist der Horizont unendlich, und auch die Grenzen der Dichtung sind nicht auszumachen in diesem betörenden Debüt. Vom Meer aus betrachtet Jeffrey Yang die Welt, den Menschen und seine Kulturen, Wissenschaften, Geschichte(n), Poesien, Philosophien und Religionen. Sein Blick reicht weit über die Gegenwart und die Grenzen der USA hinaus: von Hawaii über das alte Ägypten, von den Olmeken über Jules Verne bis Vishnu, Google, Aristoteles, Borges - all dies und viel mehr findet in diesem maritimen Alphabet Platz zwischen Flunder, Seetang, Mondfisch und Hummer. Wann hat man zuletzt Gedichte gelesen, die so geistreich wie humorvoll, so musikalisch wie welthaltig, so originell wie elegant wären?"Jeffrey Yangs funkelnde Unterwasser-Revue ist das aufregendste Debüt seit Jahren. Ein Seestern ist aufgegangen!" Eliot Weinberger
Autorenporträt
Jeffrey Yang, geboren 1974 in Kalifornien, ist Dichter, Übersetzer aus dem Chinesischen und Lektor in den Verlagen New Directions und NYRB Classics. Er lebt in Beacon, New York."Dieses Debüt entstand in einer der obersten Etagen des Turms zu Babel, und die Aussicht ist beglückend"The New York Times
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Bisher hätten sie höchstens aufs Meer geschaut, aber sich nie in dessen Tiefe vorgewagt, bemängelt Harald Hartung die Dichterseelchen. Das ist vorbei. Jeffrey Yang kennt die Meeresbewohner von A bis Z und erschafft ein lyrisches Aquarium, in dem es vor Algen und Anemonen, Krabben und Quallen nur so wimmelt, wie der Rezensent staunend feststellt. Doch damit nicht genug, meint Hartung, der Autor ist nicht nur Poeta doctus der Meereskunde, er stellt auch jede Menge Bezüge her zur Philosophie, zu Ökologie und Kulturkritik. Als Kulturgeschichte aus Unterwasserperspektive mit Biss bezeichnet der Rezensent den Band; namentlich geißelt der engagierte Dichter übrigens die amerikanischen Atomversuche.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

Schlafwandler zwischen dunklen Wänden
Surf’ eine Welle: Der Berenberg-Verlag eröffnet seine Lyrikreihe mit Jeffrey Yang und Sergio Raimondi
Für den australischen Dichter Les Murray ist das Schreiben ein Zustand der Trance. Eine andere Art der Wahrnehmung, ganzheitlicher, euphorischer, vergleichbar dem Traum. So geht es dem Dichter wie jener Qualle, die Murray einmal besingt. In der gleitenden Welt des Wassers ist sie in ihrem Element, durchsichtig, frei und stets in Bewegung. „Globe globe globe“ macht sie im Englischen und bringt so nicht nur ihre Ähnlichkeit mit einem Globus in Erinnerung, sondern lässt auch gleich das Gluckergeräusch von Wasser anklingen. Aber sobald sie an Land gespült wird, scheint ihre Zeit vorbei zu sein. Sie verliert an Beweglichkeit und sieht irgendwann aus wie „umgekehrte weiche Glasschalen / über ulkigen Euter- und Zitzenportionen“.
  Bei dem Amerikaner Jeffrey Yang indes gleicht die Qualle einem pulsierenden Schirm. Er „treibt und treibt / im Rhythmus gegnerischer Kräfte“. Doch obwohl Yang in seinen Versen unverkennbar mit Wissen spielt, ja sogar auf Erkenntnis abzielt, ist auch ihm der Geist des Gedichts etwas Traumartiges, jener strömenden Bewegung ähnlich, die Paul Valéry einmal als „Schlafwandler zwischen den dunklen imaginären Wänden und unterseeischen Theatern des Aquariums“ beschrieben hat. Zu einem solchen Aquarium hat Jeffrey Yang die Gedichte seines ersten Bandes formiert. Ein Sammelsurium von Wasserwesen, das nicht nur die Qualle, den Delfin oder den Tintenfisch kennt, sondern auch unbekannte Tiere in die Sprache holt, den Glassalmler etwa oder den Hawaiianischen Drückerfisch.
  Doch was heißt schon „in die Sprache holen“? Yang setzt die Bewohner seines Aquariums in Bewegung, ja, er erweckt sie mit Bildern und Lautverwandlungen beinahe zum Leben. Oft hebt er mit einer kurzen Beschreibung der äußeren Erscheinung an, um schnell einzutauchen in eine Drift von Vergleichen aus unterschiedlichen Wissensspeichern, die Beatrice Faßbender in ein gut lesbares Deutsch verwandelt hat. Über die Seepocke heißt es da etwa, sie „siedelt auf ewig / kopfüber in ihrem kleinen Vulkan“. Anemonen sind für Yang Krieger, weil sie „truppenweise“ Felsen und Riffe kolonisieren. Aus ihrer Perspektive wird die Conditio humana ironisch gespiegelt: „Die Geschichte / der Welt wird erzählt aus der Sicht / des Siedlers, der seinen Finger zum Vergnügen / in den Mund einer Anemone / steckt, bis sie verhungert.“ Es ist ein alter Kunstgriff, den der 1974 geborene Dichter mit sichtlichem Vergnügen von antiken Autoren übernommen hat. Nicht von ungefähr zitiert er immer wieder Herodot oder Aristoteles.
  Das Vergnügen ist nicht nur auf Seiten des Dichters. Jeffrey Yangs „Aquarium“ ist einer von zwei Bänden, mit denen der kleine Berliner Berenberg-Verlag eine neue Lyrikreihe eröffnet. Wer in Yangs Bändchen und in dem „Kommentierten Wörterbuch“ des Argentiniers Sergio Raimondi blättert, der mag sich an den Unfall der „MSC Napoli“ erinnert fühlen. Der Superfrachter havarierte Anfang 2007 vor der Küste Südenglands. Dutzende von Containern wurden damals an den umliegenden Stränden angeschwemmt. Die Sand- und Kiesbänke glichen einer Schaumeile von Strandgut: Schuhe, Kameras, Kosmetikartikel, ja sogar Motorräder lagen im Sand. Endlich einmal wurde sichtbar, was in den standardisierten Kisten transportiert wird. Und endlich einmal waren Container und Frachtschiff nicht mehr Sinnbilder für den weltweiten Handel – als hätte sie ein Dämon ihrer Funktion enthoben und in einem neuen Licht ausgestellt.
  Es könnte aber auch ein Dichter gewesen sein. „Ein kleiner Remora / kann ein Schiff aufhalten“ schreibt Jeffrey Yang einmal. Während ihm das Gedicht gleichermaßen zu Forschung und Traum dient, lässt sich Sergio Raimondi auf die Dinge und ihre Sprache ein. Neben einer Vorliebe für das Handwerkliche bedeutet das vor allem eine Absage an alle Vorstellungen, die im Gedicht nichts anderes sehen wollen als ein Spiel der Zeichen. Dieser „misstrauischen Distanz zur Wirklichkeit“ hält Raimondi ein Faible für die Phänomene und ihre „Herstellungsspuren“ entgegen: „Ganz gleich wie viele / Literaten es in der Kommune geben mag, die sich dem / Polieren, Putzen usw. der Sprache verschrieben haben, / werden die, die eine echte Mauer hochziehen können, sie sich früher oder später wieder zu eigen machen“.
  Das Bekenntnis zu den „Herstellungsspuren“ ist durchaus wörtlich zu nehmen. Auch Sergio Raimondi, geboren 1968, benutzt in seinen Gedichten gerne das Muster des Nachschlagewerks. Wie Jeffrey Yang ordnet er seine lyrischen Glossen alphabetisch und spielt mit Wissensspeichern und Fachsprachen. Doch hängt er weniger der reflexiven Zuspitzung an. Vielmehr skizziert er begeistert Szenerien und Produktionsabläufe, die mit ihrer Tendenz zur Standardisierung die marktwirtschaftliche Systeme und weltweiten Handelsrouten der Gegenwart bestimmen. So holt er nicht nur moderne Silo- und Betonanlagen oder Stauseen ins Gedicht, sondern auch „Massengutfrachter“ und ein ganzes Containerterminal.
  In langen, oft blockartigen Texten tritt Raimondi den Stoffmassen entgegen, die ihm die Gegenwart bietet. Neben Maschinen kommen die Menschen am Fließband ins Bild, die „Motorteile bohren, schleifen, lochen, schrauben, fräsen“. Dabei sieht er sich immer auch an, mit welchen rhetorischen Figuren über die Erscheinungen gesprochen wird. Und er hebelt die Fachsprache als „zuverlässiges Kommunikationssystem“ aus, indem er ihre Widersprüche zeigt und zugleich ihre lautlichen Möglichkeiten hervortreibt. Timo Berger hat hierfür in seinen Übersetzungen immer wieder schöne Lösungen gefunden.
  Nicht ohne Ironie widmet Jeffrey Yang einen seiner Einträge auch Google: „Surf' eine Welle: Wissen läutert“. Auch wenn den Autoren manche Gedichte ein wenig zu pointenhaft geraten sind, was ihnen gelingt, ist gewiss dies: die „Fragmentierung“ des Alltags, wie Raimondi es nennt, zu reflektieren - und ihr etwas entgegen zu halten. Eine Art lyrische Antwort auf das ungefilterte „Bewusstseinsmeer“ von Google. Die schnellen, quallenartigen Denkbewegungen von Yang auf der einen, Sergio Raimondis Stoffgewitter auf der anderen Seite: Man darf neugierig sein, ob Berenbergs schöne, neue Lyrikreihe diese Richtung hält.
NICO BLEUTGE
  
Sergio Raimondi: Für ein kommentiertes Wörterbuch. Gedichte. Aus dem Spanischen von Timo Berger. Berenberg Verlag, Berlin 2012. 96 Seiten, 19 Euro.
Jeffrey Yang: Ein Aquarium. Gedichte. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender. Berenberg Verlag, Berlin 2012. 96 Seiten, 19 Euro.
Ein Sammelsurium von
Wasserwesen und ein Spiel
mit Wissensspeichern
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2013

Fisch der Träume
Jeffrey Yangs buntes Aquarium der Poesie

Nicht alle Tage finden die Dichter einen neuen Stoff für die Poesie. Der aus Kalifornien stammende Lektor und Lyriker Jeffrey Yang kann dieses Verdienst für sich in Anspruch nehmen: Sein in Amerika preisgekröntes Lyrikdebüt, dessen zweisprachige Version "Ein Aquarium" nun bei Berenberg erschienen ist, bildet ein Abecedarium der Meereslebewesen von Abalone bis Zooxanthellae. Der Kritiker Eliot Weinberger streicht in seinem Vorwort den thematischen Zugewinn imponierend heraus. Von Walt Whitman bis Charles Olson hätten die Dichter zwar aufs Meer geblickt, sich aber allenfalls für die Mühsal des Fangs, weniger für das Leben der Beute interessiert. Und die wunderbare Emily Dickinson - so Weinberger - verwendete das Wort "Fisch" nur einmal, und das war metaphorisch.

Massenhaft dagegen und eher unmetaphorisch lässt Yang sein lyrisches Aquarium von Fischen und anderen Meerestieren wimmeln - vom Clownfisch bis zum Tintenfisch, von Krabbe und Qualle bis zu Seestern und Schwamm. Alle diese Lebewesen werden in ihrer jeweiligen Besonderheit erfasst, zugleich aber in den Kontext weiträumiger geistiger Bezüge gestellt. Denn Yang ist ein Poeta doctus, nicht nur fit in Meereskunde, sondern auch in Historie und Philosophie, Kulturkritik und Ökologie.

Gleich der erste Text "Abalone" meint nicht bloß eine Meeresschneckenart, er spielt auf Aristoteles und Brueghel an sowie auf einen sehr fernen Kaiser Ingyo. Auch sonst fährt das Weberschiffchen der Bezüge durch Zeiten und Kulturen, von Herodot über Sor Juana zum Meister Zhuang und schafft eine Fülle von Referenzen, die an den Anspielungsreichtum von Ezra Pound erinnert.

Auch etwas anderes hat Yang mit Pound gemeinsam: eine kulturkritische Attitüde, die Kritik an den Vereinigten Staaten einschließt. Nur geht es bei ihm nicht gegen Wucher (wie bei Pound), sondern gegen die Vernutzung und Verschmutzung der Meere, vor allem gegen die ökologischen Folgen der amerikanischen Atomexplosionen im Pazifik.

Yang stellt der üblichen historischen, der gewissermaßen oberirdischen Historie eine Kulturgeschichte aus der Unterwasserperspektive entgegen: "Eine andere / Geschichte unter der Geschichte, von uns / unwissend geschaffen." Zu ihren negativen Triebkräften gehört der "Traum / vom perfekten Fisch, der zum Albtraum wird" - es ist nichts anderes als der pervertierte American dream. So endet "Ein Aquarium" mit einem langen Text, der vom Gedicht nach und nach in ein kritisches Traktat übergeht. Unter dem Buchstaben Z erscheint der Begriff "Zooxanthellae". Dies ist eine Alge, die symbiotisch mit der Koralle lebt, sie mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und daher für das Leben der Korallenriffe wichtig ist. Diese Symbiose ist gegenwärtig bedroht. Nach 67 Atomtests sieht der Dichter die Vereinigten Staaten als den "Fisch, der alle Meere verschlingt".

Jeffrey Yang, der uns scheinbar bloß ein buntes Meeresaquarium vorführte, erweist sich als ein engagierter Poet. Seine Botschaft lugt gleich zu Anfang aus dem kleinen Gedicht "Barnacle" (Seepocke) hervor: "Never be ashamed of evolution." Beatrice Faßbender übersetzt etwas blass: "Nur nicht für die Evolution schämen." Man könnte entschiedener sagen: "Schäm dich nie für die Evolution!"

HARALD HARTUNG

Jeffrey Yang: "Aquarium". Gedichte Englisch/Deutsch. Mit einem Vorwort von Eliot Weinberger.

Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender. Berenberg Verlag, Berlin 2012. 96 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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