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Budapest, im Jahr 2000: Für Gábor Kolozs stellt sich die Existenzfrage. Dabei hatte alles so hoffnungsfroh begonnen, damals, Anfang der 60er als Wirtschaftsstipendiat in Moskau. Doch die Arbeit an einer ungarischen Reform 1968 bringt nicht die ersehnte Befreiung vom Elternhaus, eine stürmische Ehe scheitert, schließlich wird Kolozs als Dissident diffamiert. 1989 beschert ihm die Wende zumindest beruflichen Erfolg, der aber wieder nicht von Dauer ist. Jetzt, am Grab jenes Holocaust-Überlebenden, der sein Vater war, kalkuliert der mittellose Ökonom: Um sich zu finanzieren, muss er den Tod des…mehr

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Produktbeschreibung
Budapest, im Jahr 2000: Für Gábor Kolozs stellt sich die Existenzfrage. Dabei hatte alles so hoffnungsfroh begonnen, damals, Anfang der 60er als Wirtschaftsstipendiat in Moskau. Doch die Arbeit an einer ungarischen Reform 1968 bringt nicht die ersehnte Befreiung vom Elternhaus, eine stürmische Ehe scheitert, schließlich wird Kolozs als Dissident diffamiert. 1989 beschert ihm die Wende zumindest beruflichen Erfolg, der aber wieder nicht von Dauer ist. Jetzt, am Grab jenes Holocaust-Überlebenden, der sein Vater war, kalkuliert der mittellose Ökonom: Um sich zu finanzieren, muss er den Tod des Vaters verschweigen und an seiner statt die monatliche Wiedergutmachung einstreichen. Der Schwindel droht aufzufliegen, als die Presse den 100. Geburtstag des "letzten Überlebenden" am 23. Dezember 2006 feiern möchte
György Dalos anrührende Vater-Sohn-Geschichte ist eine subtile Bilanz des eigenen Lebens im Angesicht des Elterntodes und ein kluges Schelmenstück über sittliche Werte und ihren Verfall.
Autorenporträt
György Dalos, geb. 1943 in Budapest in einer jüdischen Familie, gehörte zur demokratischen Opposition Ungarns und lebte in den achtziger Jahren nach Aufenthalten in Berlin in Wien und Budapest. György Dalos wurde vielfach in Deutschland und Ungarn ausgezeichnet und war bis 1999 der Direktor des ungarischen Kulturinstituts in Berlin und im selben Jahr literarischer Leiter des Ungarn-Schwerpunkts während der Frankfurter Buchmesse. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1995 der "Adelbert-von-Chamisso-Preis", 2000 die "Goldene Plakette der Republik Ungarn" und 2010 der "Preis der Leipziger Buchmesse für Europäische Verständigung".
György Dalos lebt als Autor in Berlin.

Elsbeth Zylla, geboren 1955, studierte Germanistik und Politikwissenschaft und war danach in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Übersetzerin und Lektorin und arbeitet seit 1993 für die Heinrich-Böll-Stiftung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Da geht noch was, meint Stefanie Peter. Auch wenn György Dalos demnächst 70 wird, gibt sie die Hoffnung nicht auf, der Autor könne noch einmal etwas Überraschendes zu Papier bringen, etwas anderes als den nun vorliegenden Roman, den Peter unter schematischer Dissidentenerinnerung verbucht. Natürlich ähnelt die Hauptfigur im Roman dem Autor, erklärt Peter gelangweilt, natürlich schließt er sich der ungarischen Dissidentenbewegung an, und natürlich erfährt der Leser haarklein über das Leben eines Intellektuellen in Ungarn zwischen 1950 und heute. Die vielen Fakten und Thesen jedoch hätte Dalos sich gerne sparen können, wenn es nach Peter ginge. Lieber wäre ihr gewesen, der Autor hätte das Innenleben seines Helden ein bisschen mehr erhellt, seine Motivation. So aber gerinnt der Text für die Rezensentin zu einem schwerfälligen Sachbuch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2012

Notstand in Friedenszeiten
Erstarrt: "Der Fall des Ökonomen" von György Dalos

Warum sollte es im kollabierenden Haushalt einer Privatperson anders laufen als in einem am Rand der Staatspleite dahinvegetierenden Gemeinwesen, denkt sich Gábor Kolosz. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und knapp bei Kasse. Er streicht also Theaterbesuche, begnügt sich beim Kabelfernsehen mit einem Abonnement des billigsten Senderpakets und raucht statt einer Schachtel nur noch sechs Zigaretten am Tag. Von Bier steigt er auf Weißwein um, den er mit Mineral- und dann mit Leitungswasser verdünnt. Seinen Kaffee trinkt er auf einem Stuhl im Hinterhof seiner Budapester Wohnung und stellt sich vor, er säße auf der Terrasse eines stadtbekannten Kaffeehauses.

Zu seiner beklagenswerten Lage scheint Kolosz ein Wort von Castro zu passen: "Período especial en tiempo de paz" - Notstand in Friedenszeiten. So hatte der Comandante die Ära nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bezeichnet, als die Rohstofflieferungen ausblieben und der kleine Inselstaat beinahe zugrunde ging. Kolosz hat seinen Job als Parlamentsmitarbeiter verloren und ist mit über fünfzig Jahren plötzlich gezwungen, mit seinem greisen Vater unter einem Dach zu leben. Von der Wiedergutmachungsrente, die der Alte als Schoa-Überlebender von einer Schweizer Stiftung bezieht, kommen beide gerade so über die Runden. Als der Sechsundneunzigjährige eines Tages stirbt, schreckt sein Sohn auch vor Betrug nicht zurück. Er verschweigt den Tod und kassiert weiterhin das Geld, doch nun steht der hundertste Geburtstag des Vaters bevor.

Der Protagonist in György Dalos' Buch "Der Fall des Ökonomen" ist eine jener verkrachten Existenzen, die seine Leser schon aus früheren Romanen kennen. Dalos' Helden purzeln eher durch ihr Schicksal, als dass sie es in die Hand nehmen, verlieren auch unter widrigsten Umständen nie den Humor, und oft ähneln ihre Biographien derjenigen ihres Schöpfers. Wie Dalos wächst Gábor Kolosz in den fünfziger Jahren in einer jüdischen Familie in Budapest auf, studiert in Moskau und schließt sich in den Achtzigern der ungarischen Dissidentenbewegung an.

"Der Fall des Ökonomen" erzählt in Rückblenden, warum Gábor Kolosz wieder bei seinem Vater einziehen muss. Es ist die traurige Geschichte von einem, der sich selbst im Weg steht und dazu das Pech hat, nie zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das an der Moskauer Universität erworbene ökonomische Wissen ist in Budapest schon bald nicht mehr gefragt. An der Universität reicht es nur für eine kleine Mitarbeiterstelle. Kolosz' Ehe zerbricht, und auch seine Karriere kurz nach der Wende, als er mit der neu gewählten Regierungspartei ins Parlament einzieht, ist rasch besiegelt. Dalos zeichnet eine Figur, die sich in keinem System zurechtfindet. Und weil er auch Historiker und Verfasser einschlägiger Werke über die ungarische Geschichte und die Umwälzungen nach 1989 ist, steckt der Roman voller Fakten. Das geht leider auf Kosten der Literatur. Der Leser erfährt viel über den Alltag ungarischer Intellektueller zwischen 1950 und der Gegenwart. Das Innenleben des Gábor Kolosz aber, also das, was den Mann antreibt, bleibt rätselhaft. Stattdessen müssen Dalos' Figuren die ganze Thesenhaftigkeit dieser Sachbuchprosa schultern und werden darüber langsam und schwerfällig.

Dieser Roman liest sich wie eine längst schon zur Routine geronnene Dissidentenerinnerung. Nächstes Jahr wird György Dalos siebzig. Man wünscht ihm, dass er die bis zur Erstarrung kultivierten Schemata durchbricht und noch einmal ein neues, womöglich überraschenderes Kapitel der Erinnerung aufschlägt.

STEFANIE PETER

György Dalos: "Der Fall des Ökonomen".

Deutsche Bearbeitung von Elisabeth Zylla. Rotbuch Verlag, Berlin 2012. 191 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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