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Kollegenbeschimpfungen und Lobreden von Adorno bis Zuckmayer; dazu 32 Zeichnungen von F. W. Bernstein.Der Lyriker Peter Rühmkorf war Zeit seines Lebens ein neugieriger Leser, der sich mit den literarischen Zeugnissen seiner Zeitgenossen und Vorfahren intensiv beschäftigte. Er kann ebenso rückhaltlos bewundern wie scharf bloßlegen, warum ein Text keine Gnade vor seinem Urteil findet. Die in diesem Band versammelten Texte reichen von der kurzen Notiz bis zur ironischen Beschimpfung und empathischen Lobrede, von der Rezension bis zum großen Porträt. Das wache, kritische und kluge und von Anfang…mehr

Produktbeschreibung
Kollegenbeschimpfungen und Lobreden von Adorno bis Zuckmayer; dazu 32 Zeichnungen von F. W. Bernstein.Der Lyriker Peter Rühmkorf war Zeit seines Lebens ein neugieriger Leser, der sich mit den literarischen Zeugnissen seiner Zeitgenossen und Vorfahren intensiv beschäftigte. Er kann ebenso rückhaltlos bewundern wie scharf bloßlegen, warum ein Text keine Gnade vor seinem Urteil findet. Die in diesem Band versammelten Texte reichen von der kurzen Notiz bis zur ironischen Beschimpfung und empathischen Lobrede, von der Rezension bis zum großen Porträt. Das wache, kritische und kluge und von Anfang an kenntnisreiche Interesse an Dichtern und Dichtung ist genauso konstitutiv für Rühmkorfs Dichterleben wie für die eigene Produktion. Was seine Gedichte so einzigartig macht, zeigt sich auch in diesen Texten: Die Verbindung von Witz, souveräner Kenntnis und Leichtigkeit mit einem in jeder Lage absolut passenden Ton. In ihnen dokumentiert sich ein ganzes Leserund Dichterleben von den fünfziger Jahren bis kurz vor Rühmkorfs Tod.Die Ausgabe enthält überwiegend unveröffentlichte Texte aus dem Nachlass und an entlegenen Orten publizierte Rezensionen. F. W. Bernsteins leichthändige Dichterporträts fügen dem Kompendium eine eigene bildliche Dimension hinzu.Peter Rühmkorf über: Adorno, Beckett, Bellman, Benjamin, Benn, Bernhard, Borchert, Born, Braun, Brecht, Büchner, Dehmel, Döblin, Droste-Hülshoff, Eckermann, Eggebrecht, Eich, Endler, Enzensberger, Fichte, Fried, Friedell, Frisch, Gernhardt, Goethe, Grass, Grosz, Gruppe 47, Handke, Heine, Heißenbüttel, Hiller, Hoddis, Höllerer, Hoffmann von Fallersleben, Jahnn, Jelinek, Jünger, Kästner, Kafka, Kahlau, Kerner, Klopstock, Kürenberger, Lenz/Schneider, Lichtenberg, Mann, Mehring, Merseburger Zaubersprüche , Musil, Paz, Riegel, Rilke, Ringelnatz, Schmidt, Stramm, Tucholsky, Vesper, Voß, Walser, Walther von der Vogelweide, Zuckmayer
Autorenporträt
Peter Rühmkorf, (1929-2008), studierte zunächst Pädagogik und Kunstgeschichte, später Germanistik und Psychologie. Von 1951 bis 1956 gab er zusammen mit Werner Riegel die Literaturzeitschrift »Zwischen den Kriegen« heraus. Sein literarisches Debüt erfolgte mit dem Gedichtband »Heiße Lyrik«. Ab 1969 war er Gastdozent an zahlreichen Universitäten, er war Mitglied der Gruppe 47, des P.E.N. sowie der Akademie der Künste (Berlin) und der Freien Akdamie der Künste in Hamburg. Zu seinen bekanntesten Werken zählen »Irdisches Vergnügen in g« (1959), »Die Jahre, die Ihr kennt« (1972), »Der Hüter des Misthaufens. Aufgeklärte Märchen« (1983).Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (1979), dem Arno-Schmidt-Preis (1986), dem Georg-Büchner-Preis (1993), dem Hoffmann-von-Fallersleben-Preises für zeitkritische Literatur (2000) und der Carl-Zuckmayer-Medaille (2000).

F. W. Bernstein, geb. 1938 in Göppingen, war Lyriker, Satiriker, Grafiker und Karikaturist.

Susanne Fischer, geb. 1960, ist Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Journalistin sowie Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Manfred Koch rühmt das heterogene Textgemisch aus Peter Rühmkorfs Rezensionen, Essays und Interpretationen, Briefen und Tagebucheinträgen, die am Ende so eine Art "Rühmkorf-Literaturlexikon" abgeben: "von A wie Adorno bis Z wie Zuckmayer". Besonderes Augenmerk verdienen bei der Lektüre von "In meinen Kopf passen viele Widersprüche" die Wortschöpfungen des Autors, die salopp-erhaben den Punkt treffen, meint der Rezensent, Gottfried Benns "weltschmerzlicher Dauerdurchhänger" zum Beispiel. Benn war für Rühmkorf aber nicht nur Untersuchungsgegenstand und Vorbild, sondern bot ihm auch einen Ausweg aus einer dichterischen Bredouille: "Die schönsten Verse der Menschen / - Nun finden Sie schon einen Reim! - / Sind die Gottfried Bennschen" - wer so einen schönen Reim auf "Menschen" findet, gehört von der Dichterwelt gepriesen, findet Koch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2012

Dieser unsympathische Thomas Bernhard
Kollegenschelte von Peter Rühmkorf in Buchform

"Walther von der Vogelweide, Klopstock und ich" - dieser Titel eines seiner Bücher gibt zu erkennen, welchen Autoren sich Peter Rühmkorf kollegial zuordnete, wobei nicht leicht zu entscheiden ist, wo die milde Selbstironie endet und das stolze, arrogante Selbstbewusstsein beginnt.

Jedenfalls waren ihm die lieben Dichter-Kollegen stets Steine des Anstoßes und willkommene Objekte seiner produktiven Auseinandersetzung. Rühmkorfs eigene Widersprüchlichkeit und sein Widerspruchsgeist sind die Urheber seines literarischen wie seines kritischen Werkes. Sie sind bei kaum einem Dichter so eng verflochten wie bei ihm. "Das möchte ich fast als ein literarisches Glaubensbekenntnis bezeichnen: in Widersprüchen leben, sie ausleben und in diesem Widerspruchsfeld bestehen", hat er im Gespräch einmal gesagt. In diesem Sinne ist der Titel des Buches (natürlich ein Rühmkorf-Zitat), das Kollegenschelte und Kollegenpreis in alphabetischer Abfolge (von Adorno bis zu Zuckmayer) vereint, glücklich gewählt.

Als Poet, als Kritiker und Essayist nahm er lebenslang kein Blatt vor den Mund. Die armen zu Rühmkorfs "Lyrik-Schlachthof" (einer Kolumne im legendären "Studentenkurier", später "konkret") geführten Opfer hatten seinerzeit - in den fünfziger und sechziger Jahren - weiß Gott nichts zu lachen. Scharfzüngig, polemisch, temperamentvoll und mit messerscharfer Analyse brachte er die Naturlyriker (etwa Wilhelm Lehmann und Oda Schäfer) ebenso wie die von ihm so genannten "Abstrakten" (etwa Claus Bremer) zur Strecke.

Relikte eines solchen Schlacht-Festes finden sich noch in dem Kollegenalphabet, das Susanne Fischer und Stephan Opitz aus Essays und Gedichten, Rezensionen und Vorträgen, Tagebuchnotizen und Interpretationen, Interviews und Briefen Rühmkorfs zusammengestellt haben. Einige Kernsätze dieser üblen Nachreden seien hier zum Beispiel zitiert: "ich schätze ihn hoch, aber ich kann ihn nicht leiden", heißt es über Rilke; und über Thomas Bernhard: "Eigentlich ist mir B. noch übers Grab hinaus unsympathisch. Eine Art von spezifisch österreichischem Allürentheater und zum Fußaufstampfen ständig bereites Drohverhalten." Aber solche schönen Frechheiten sind, wie gesagt, Relikte einer jugendlichen Unbedingtheit und eines Nonkonformismus, den Rühmkorf zum Glück nie ganz abgelegt hat.

Doch davon wollen die Herausgeber nicht viel wissen. Sie datieren Rühmkorfs Eintritt in die Literatur erst in das Jahr 1959, als sein zweiter Gedichtband "Irdisches Vergnügen in g" erschien. Und sie favorisieren eindeutig die späteren, gewissermaßen endgültigen Urteile Rühmkorfs seit den späten siebziger Jahren über seine Kollegen, die sich vor allem in den Dankesreden für erhaltene Literaturpreise und in Jubiläumsartikeln zu Gedenktagen manifestieren. Diese Entscheidung für Rühmkorfs Äußerungen "letzter Hand" gibt dem Buch eine etwas problematische Seriosität. Es kommt zu Revisionen früherer harscher Urteile und zur vorsichtigen Distanzierung oder gar Ironisierung einstiger Idole, wie im Falle Benns und Arno Schmidts. Um solche nivellierenden Konversionen gebührend würdigen zu können, müsste man Rühmkorfs juvenile Arbeiten mit ihren Ecken und Kanten nachlesen. Aber sie fehlen hier.

Dabei wäre die Gelegenheit, sie vorzuzeigen, günstig gewesen: Die Herausgeber haben in Marbach den Nachlass Rühmkorfs eingesehen und ihn zu mancherlei Zusatzinformationen und zur Mitteilung unbekannter Textfassungen genutzt. Aber sind sie denn im Literaturarchiv nicht auf die von Werner Riegel und Rühmkorf herausgegebene hektographierte Zeitschrift "Zwischen den Kriegen" (1952 bis 1956) gestoßen? Darin finden sich Artikel beispielsweise über Hans Henny Jahnn, Jakob van Hoddis und über Gottfried Benn, die authentischer Auskunft geben über die in der Nachkriegszeit wiederentdeckten expressionistischen "Kollegen" als die ausgewogeneren späteren Akademie- und Preisreden. Auch im Hinblick auf Georg Heym, der im Rühmkorf-Alphabet fehlt, hätten die Herausgeber in dieser Zeitschrift fündig werden können.

Stattdessen kaprizieren sie sich - wohl um das Alphabet einigermaßen voll zu machen - mehrfach auf Kurz- und Kürzesttexte aus den unter dem Titel "Tabu" publizierten Tagebüchern Rühmkorfs. Die reinste Schnipseljagd! Sogar das wegen des Reims auf die Zeile "Die schönsten Reime der Menschen" berühmte dreistrophige "Lied auf die Benn-Epigonen" wird erbarmungslos auf die erste Strophe zurückgeschnitten - ein faux pas! Aber auch Beckett, Friedell, Musil und andere geraten durch diese Scherenschnitte in einen Kontext, in den sie nicht eigentlich gehören. Denn den wirklichen "Göttern" Rühmkorfs - das sind die mittelalterlichen Minnesänger, dazu Klopstock, Heinrich Heine, Gottfried Benn, Bertolt Brecht, Erich Kästner, Ringelnatz, Kurt Tucholsky, Wolfgang Borchert, Arno Schmidt, Günter Grass und Werner Riegel - gelten die gründlichsten und ausführlichsten Charakterisierungen des Bandes.

In ihnen entfaltet sich die ganze stilistische und argumentierende Meisterschaft des Porträtisten Rühmkorf. Hier verbindet er seine intimen und weitreichenden Literaturkenntnisse mit originellen Fragestellungen, mit präzisen Textdeutungen, mit deutlichen Wertungen und mit einer Formulierungskunst, die selbst Kompliziertes in eine metapherngesättigte Sprache zu verwandeln weiß. Die zwischen diese ausgeführten Studien eingestreuten kurzen Texte über Erich Fried, Elfriede Jelinek, Peter Handke, selbst über Ernst Jünger und Kurt Hiller, von Heinz Kahlau einmal ganz abgesehen, erscheinen im Vergleich dazu nur als amüsante Piecen, wenn nicht gar als Lückenbüßer.

Und Goethe, Schiller, Hölderlin und Konsorten? Fehlanzeige. Mit den sogenannten Klassikern hatte es Rühmkorf nicht so. Immerhin fand sich aber in seinem Nachlass ein hier erstmals publiziertes Konvolut mit Goethe-Notizen, aus denen vielleicht einmal etwas Fulminantes hätte werden können. Rühmkorf schwankt, was Goethe und seine Rezeption betrifft, zwischen Bewunderung und Diffamierung; "Goethe als Erlösungsfigur des mit zusammengekniffenen Arschbacken dozierenden Katheterprofessors . . . ich glaube, ich hätte niemals bei ihm antichambriert." Vermutlich war Rühmkorf durch seinen ungeliebten akademischen Lehrer, den bräunlich angehauchten Barock- und Goethe-Forscher Hans Pyritz, für Goethe ein für alle Mal verdorben. Sonst hätte er wohl kaum über ihn sagen können: "Sein bestes Buch stammt von Eckermann."

WULF SEGEBRECHT

Peter Rühmkorf: "In meinen Kopf passen viele Widersprüche". Über Kollegen.

Mit Dichterporträts von F. W. Bernstein. Hrsg. von Susanne Fischer und Stephan Opitz. Wallstein Verlag, Göttingen 2012. 364 S., geb., 24,90 [Euro].

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