Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 1,50 €
  • Gebundenes Buch

In einer nordfranzösischen Hafenstadt plant die örtliche Gaunerbande den Überfall auf das Casino. Der Plan ist ebenso verrückt wie perfekt Ein filmischer Roman in Schwarz-Weiß über den Traum vom großen Glück.

Produktbeschreibung
In einer nordfranzösischen Hafenstadt plant die örtliche Gaunerbande den Überfall auf das Casino. Der Plan ist ebenso verrückt wie perfekt Ein filmischer Roman in Schwarz-Weiß über den Traum vom großen Glück.
Autorenporträt
Tanguy Viel, geboren 1973 in Brest, lebt heute in Meungsur- Loire und Paris. Er hat bereits mehrere Romane geschrieben und gilt nicht nur in Frankreich als einzigartiger, musikalischer Stilist. Geprägt von cineastischen Vorbildern des film noir steht er literarisch in der Tradition der erzählerischen Moderne.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.04.2009

Die Spannung stets geöffneter Türen
Der französische Autor Tanguy Viel und sein Roman „Unverdächtig”
Was unterscheidet das „absolut perfekte” Verbrechen vom bloß gelungenen? Ist das Gelingen, also die geglückte Durchführung, gekoppelt an dauerhaftes Entkommen, nicht schon hinreichend perfekt? Was kann man noch anstreben? Vielleicht die scheinbar mühelose Eleganz, die die Einfachheit der kriminellen Arbeit vortäuscht. Und vielleicht, dass besagtes Verbrechen alle Beteiligten auf einen Schlag finanziell unabhängig macht.
So wenigstens ist es bei der Provinz-Verbrecherbande, die in Tanguy Viels zweitem ins Deutsche übertragenen Roman „Das absolut perfekte Verbrechen” plant, ein französisches Küstencasino auszurauben, wobei das Geld mit einer Montgolfiere ausgeflogen werden soll.
Man kann gleich erzählen, dass dies gelingt, denn das ist nicht der Spannungsmotor dieses verzwickten Romans. Schon etwas wichtiger ist, was mit Jeanne und den vier Männern, die bei dem Überfall dabei sind, danach geschieht: sie werden nach der Teilung der Beute verhaftet. Wobei Lucho, der als ausgefuchster Casino-Experte zur Bande stieß und ein alter Freund des Bandenmitglieds Marin ist, noch im Moment der Festnahme die Hand eines Polizisten schüttelt.
Von „perfekt” kann demnach nur auf sehr verdrehte Weise die Rede sein. Doch vermutlich spielt Tanguy Viel, der 1973 in Brest geborene Bretone, ohnehin damit, dass der Leser das Attribut nicht dem Verbrechen, sondern seinem Text zuordnet. Schnittig, elegant und spannend geschrieben (und von Hinrich Schmidt-Henkel auch so übersetzt), ist dieser schmale Roman dem Leser immer einen Schritt voraus, und wenn er ihm etwas erklärt, gibt er ihm damit sogleich neue Rätsel auf, deren mögliche Antworten er schnell wieder vergisst. Was hat es mit dem offensichtlichen Verrat durch Lucho auf sich? Die Frage wird nicht behandelt, der Ich-Erzähler Pierre erklärt als guter Macho und Menschenkenner nur, dass er Lucho gleich anfangs nicht die Hand geben wollte, worauf mit einem Schnitt sofort das dritte Groß-Kapitel beginnt, in dem Pierre nach Jahren aus dem Gefängnis kommt.
Die besondere Kunst von Tanguy Viel zeigt sich darin, dass er alle klassischen Motive eines Krimis stimmungsvoll ausspielt, ohne davon in irgendeiner Weise abhängig zu werden. Ständig wird etwa das Motiv der Verbrecher-„Familie” zitiert, die eine Bande zu bilden hat und die natürlich auch ein über neunzigjähriges, patriarchalisches Zentrum hat: den „Onkel”, der aber im Verlauf der Vorbereitungen des Casino-Raubs stirbt. Nie weiß der Leser in der Folge, ob es womöglich nur der Tod dieses Patriarchen ist, der den Verrat entstehen lässt, die „Familie” entzweit und damit das Unheil ihrer Mitglieder vorantreibt. Ob die Treue zum Familienthema also ein Hinweis auf die konservative Grundhaltung des Buches ist oder doch nur das Hauptmerkmal für seinen Trickcharakter. Auf eigenwillige Weise „postmodern”, verwendet Tanguy Viel die Krimi-Muster, schwirrt zugleich aber über ihnen herum.
Ein gnadenloser Ich-Erzähler
Eine der souveränsten Spielereien in diesem Buch ist, dass es das Verbrechen, den Überfall selbst, nicht zeigt, sondern lediglich vor Gericht nachstellen lässt. Doch dieser deutliche „V-Effekt” bestimmt keineswegs den Stil des ganzen Texts. Er wird nur kurz aus der Mottenkiste des durchtriebenen Erzählens geholt, um sogleich wieder in ihr zu verschwinden. Denn bei Tanguy Viel ist das Formenspiel auf subtile Weise pragmatisch. Die Verfolgungsjagd zweier großer Autos hingegen, die im letzten Kapitel über Seiten dominiert, ist trotz aller Rivalität mit dem Kino so real gemeint und auf so elementare Weise spannend wie nur irgendetwas in diesem Buch.
Gern schiebt Tanguy Viel zunächst einige Wände zwischen seinen Text, die Wirklichkeit und die Leser, dann aber reißt er sie ganz selbstverständlich wieder ein, zieht sein Publikum in seine Geschichte, als hätte er nie an etwas anderes gedacht, als sei er ein traditioneller, auf Einfühlung bedachter Autor.
Ein so ungewöhnlicher wie geschickter Schachzug ist es zudem, dass der Ich-Erzähler, der die Anteilnahme des Lesers erreicht, einer der Gauner ist. Von einem Kommissar oder Detektiv ist kaum die Rede. Und da das Gericht „den Falschen” verhaftet, nämlich den Ich-Erzähler, der erst nach Jahren wieder freikommt, und nicht den oder anderen Verräter, sorgt der Ich-Erzähler in Alleinregie auch für die Gerechtigkeit, die er für die richtige hält.
Trotz aller anderen Fragwürdigkeiten, die etwa den gebildeten Gangster Marin umgeben, der seine Tür nie abschließt, weil jeder im Ort weiß, was passiert, wenn man sie ungebeten passiert, ist der Ich-Erzähler das eigentliche Geheimnis des Romans. Anfangs wirkt er noch wie ein langsamer, gutmütiger Bär, der die Geschehnisse eher von außen schildert. Am Ende jedoch dreht er planvoll und konsequent durch. Er muss nicht viel nachdenken, was die anderen falsch gemacht haben. Es geht ihm bei seiner Rache schlicht und einfach darum, dass man Menschen weder verraten noch in irgendeiner Weise ausnutzen soll. Die Verletzung dieser Grundregeln empört ihn so sehr, dass er zum Mörder wird.
HANS-PETER KUNISCH
TANGUY VIEL: Das absolut perfekte Verbrechen. Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel. Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 152 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2009

Ballon mit allzu kostbarer Fracht

Wo Angst ist, wächst die Präzision: Aus dieser Weisheit hat der französische Autor Tanguy Viel einen feinen Gangsterroman über Verrat und Rache gezaubert.

Tanguy Viel hat einen Gangsterroman geschrieben. Man könnte ihn bequem aus dem Kinosessel erleben, Klassiker wie "Der Profi" oder auch etwas brutaler "Der Pate" im Kopf, in denen lange nicht viel geschieht, außer dass ein Coup geplant wird, zur Rache oder nur aus Spaß. Und wenn dann kurz vor dem entscheidenden Moment die Scheinwerfer ausgehen und es so dunkel wird, dass man nur noch die Glut der Zigaretten und das Weiß des Kleides der begleitenden Frau sehen kann, geht auf einmal das Licht im Saal an und reißt einen aus der Versenkung, weil der Film gerissen ist oder die Maschine kaputt. Wie ginge es dann weiter?

Das Überraschende an diesem sonatenhaft dreiteilig gebauten Roman ist, dass man diese Unterbrechung bald wieder vergisst. Vielleicht liegt es an der vertrauten Kulisse, an den Versatzstücken aus Mafiakodex, Edelraub und westernfester Verfolgungsjagd, die so schnell alle Lücken füllen, dass man über den kleinen, absichtsvollen Perspektivwechsel des Erzählers hinwegsieht. Man will das Bild im Zentrum nicht zerstören. Denn schön, geradezu klassisch ideal ist diese Szene, auf die sich die Erzählung zubewegt, so langsam, wie ein sehr langsames Auto sich im Rückspiegel nähert. Man ist allerdings vorgewarnt: "Gegenstände können näher sein, als sie im Spiegel erscheinen", steht schon auf dem Rückspiegel des schwarzen Mercedes von Marin, der nach drei Jahren Gefängnis zur Mordaufträge erteilenden "Familie" zurückkehrt. Der Satz umreißt zugleich das Erzählprinzip, Tempo und Drosselung der Geschwindigkeit, die Viels wiegende, schnörkelige Sprache betten.

Worum geht es? Marin, der Heimkehrer, ist auf den Ich-Erzähler Pierre sauer, weil der ihn nie hinter Gittern besuchte. Aber bald schon plant man gemeinsam den Überfall auf ein Hafen-Casino, mit Frau als Lockvogel und Mann in Smoking und einem Neuling, Marins Zellengenosse. Lucho heißt dieser Mann, begabt mit einer himmelweiten Phantasie: Er stellt sich vor, das gestohlene Geld vom Dach herab in die Nacht fliegen zu lassen, und zwar in einem ferngesteuerten Heißluftballon. Seine Idee entwaffnet die Komplizen wie die Leser, zumal der Ballon seine kostbare Fracht in mondloser Nacht überm Meer direkt in ein Ruderboot abwerfen wird. Vielleicht ist dieser Roman überhaupt nur wegen dieser Szene geschrieben worden, für die man, säße man im Kino, den Film hätte anhalten wollen. Obwohl längst klar ist, dass nichts ist, wie es scheint.

Schon in seinem letzten, vielgerühmten Thriller "Unverdächtig" um perfekte Eheanbindung hat der 1973 in Brest geborene Franzose, der einen ganz eigenen Stil pflegt, Erwartungen unterwandert. Sein neuer, übersichtlicher gebauter Roman "Das absolut perfekte Verbrechen" trägt das Scheitern schon im Superlativ des Titels. Die Hoffnung aber auch. Könnte das Verrückte nicht gelingen?

Den ganzen Zinnober, die kühle Poesie eines genial geplanten Coups, das die Vorfreude frecher Jungs beim Klingelstreich verströmt, veranstaltet der Autor aber nur aus einem einzigen Grund: Er schiebt mit spielerischer Leichtigkeit seinen Stoff einfach in den theatralen Raum zurück. In den Umbaupausen seiner Erzählung tauscht er nicht nur ständig Kulissen und Genres aus, sondern beatmet den Millionentraum überhaupt nur im inszenierten Raum: Die Nacherzählung macht ihn schöner als die Wirklichkeit. Und selbst dann, wenn er den Traum auf einmal wieder platzen lässt, pflanzt er Wehmut in diese Gaunerparodie und macht sie dadurch auf sympathische Art existentiell. "Einmal hatte ich zu Andrei gesagt, mit dem Geld würde ich endlich verschwinden, ein für alle Mal. Wohin denn, hatte er gefragt, ohne auf seine Antwort zu warten, so eindeutig stand schon in seiner Frage die Leere, und es stimmte, wohin denn."

Das alles ist raffiniert, elegant und verführerisch gemacht, und mit Pierre bleibt man immer einer Hauptfigur nah, die Zusammenhänge seiner Killerangestelltenseele nur ahnt, aber nie ganz versteht. Seine selbstbewusste Rede zerstreuen nach innen gekehrte, sanft stolpernde Sätze: "Wir waren wie kleine Kinder, wenn der Nieselregen und das Grau, wenn das früher genügt hätte, unseren Tagen ein Ende zu bereiten, manchmal, wegen des Risses, der sich in unseren Herzen auftat, wegen dieses Regens oder der allzu grünen Bäume, die sich auf uns zu erbrechen schienen, dann wurden wir nervös, arbeiteten schlecht und warteten auf die Nacht, um unsere Ängste zu ertränken." Wo Angst ist, wächst die Präzision. Tanguy Viel hat aus dieser Weisheit einen feinen Roman über Verrat und Rache gezaubert.

ANJA HIRSCH

Tanguy Viel: "Das absolut perfekte Verbrechen". Roman. Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Wagenbach Verlag, Berlin 2009. 160 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Peter Kunisch hat diesen Roman als ein Spiel gelesen, ein sehr souveränes Spiel genauer gesagt mit dem Genre, seinen Formen und den Erwartungen des Lesers. Denn absolut perfekt sei das Verbrechen, das hier geschildert wird, mitnichten. Alle an diesem Provinz-Coup gegen ein Küstenkasino Beteiligten werden verhaftet, sobald die Beute verteilt ist. Wie gelungen dagegen der anschließende Rachefeldzug des Ich-Erzählers gegen den mutmaßlichen Verräter ist, darüber äußert sich der Rezensent weniger eindeutig. Wie auch immer: "Schnittig, elegant und spannend" erzähle Viel seine Geschichte und spiele alle Motive des klassischen Krimis so "stimmunsgvoll" aus, dass dem Rezensenten sogar eine Autojagd bei Viel besser inszeniert vorkommt als im Kino.

© Perlentaucher Medien GmbH