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"In den langen Wochen haben wir gemeinsam ein Haus mit Worten gebaut, wir haben ein Vaterland mit Worten gebaut und Frauen mit Worten." - In einem heruntergekommenen Wüstenlazarett erzählt ein Mann am Bett seines verwundeten Freundes gegen dessen Tod an. Er erzählt, um nicht zu verzweifeln und um nicht zu vergessen. Im Mosaik zahlreicher Lebensläufe von dem Krieg im Jahr 1948 bis weit in die 90er Jahre erkennt man auch das Portrait einer Stadt: Beirut.
Elias Khoury durchleuchtet den palästinensisch-israelischen Konflikt mit Mut und Weitsicht. Ihm gelingt es, Krieg, Zerstörung und Leid auf
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Produktbeschreibung
"In den langen Wochen haben wir gemeinsam ein Haus mit Worten gebaut, wir haben ein Vaterland mit Worten gebaut und Frauen mit Worten." - In einem heruntergekommenen Wüstenlazarett erzählt ein Mann am Bett seines verwundeten Freundes gegen dessen Tod an. Er erzählt, um nicht zu verzweifeln und um nicht zu vergessen. Im Mosaik zahlreicher Lebensläufe von dem Krieg im Jahr 1948 bis weit in die 90er Jahre erkennt man auch das Portrait einer Stadt: Beirut.

Elias Khoury durchleuchtet den palästinensisch-israelischen Konflikt mit Mut und Weitsicht. Ihm gelingt es, Krieg, Zerstörung und Leid auf die Geschichten von Menschen zurückzuführen, die ineinandergreifen und jede simple Schuldzuweisung unmöglich machen.
Das Tor zur Sonne ist mehr als eine Höhle im besetzen Gebiet Palästinas, es ist ein Ort der begrabenen Hoffnungen und ein Rückzugsraum für Verliebte in einem vielstimmigen Epos: Elias Khoury, einer der weltweit anerkanntesten Autoren aus dem Libanon, setzt dem Schicksal der Palästinenser im 20. Jahrhundert ein bleibendes Denkmal des Erzählens.

Der Roman wird zur Zeit verfilmt. Übersetzungen ins Hebräische, Französische, Englische, Italienische, Niederländische und Norwegische.
Autorenporträt
Elias Khoury, geboren 1948 in Beirut, Studium der Geschichte und Soziologie und Unterricht an zahlreichen Universitäten im Libanon und an der Columbia University in New York. Er ist Kulturredakteur der Beiruter Tageszeitung An-Nahar, zahlreiche Romanveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2004

Wie du mir, so ich mir
Zweiseitig: Elias Khourys Palästina-Roman "Das Tor zur Sonne"

Zwei Männer verbindet eine tiefe Freundschaft. Beide sind Palästinenser, die im libanesischen Exil leben. Beide, jeder auf seine Art, haben sich in den Dienst der palästinensischen nationalen Revolution gestellt. Khalil, der achtunddreißigjährige Jüngere, pflegt in einem Beiruter Krankenhaus den wesentlich älteren Yunus, der infolge eines Schlaganfalls schon seit einigen Monaten im Koma liegt. Tag für Tag spricht er zu ihm in der Hoffnung, ihn so wieder ins Leben zurückzuholen.

Khalils Selbstgespräch, bald von den Erzählungen zahlreicher Nebenfiguren durchwoben, bildet die Rahmenhandlung des Romans "Das Tor zur Sonne" des libanesischen Schriftstellers Elias Khoury. Laut Angaben des Verlags gehörte der Verfasser selbst dem palästinensischen Widerstand an. Das Buch resultiert ganz offensichtlich aus dieser Erfahrung und scheint als literarische Hommage an die Palästinenser konzipiert zu sein. Khoury hat ohne Zweifel intensive Recherchearbeit geleistet und viele palästinensische Flüchtlinge befragt. Anhand ihrer Zeitzeugnisse entwirft er ein facettenreiches Panorama des palästinensischen Schicksals von Flucht und Vertreibung als Folge des Arabisch-Israelischen Krieges von 1948: ein durch und durch politisches Thema, das der Autor keineswegs mit Samthandschuhen anfaßt.

Seine Darstellung des Kriegsgeschehens in Galiläa, die auf historischen Tatsachen basiert, trägt zwar der arabisch-palästinensischen "politischen Korrektheit" Rechnung, indem den Israelis so gut wie ausschließlich die Rolle von Kriegsverbrechern und Folterern zugewiesen wird. Die Erzählung aber, ein riesiges Mosaik von Erinnerungsbruchstücken, geht gleichzeitig auch äußerst kritisch mit den Palästinensern um. Wer hier plakative Heldenverehrung erwartet, wie sie bei dieser Thematik noch in den sechziger und siebziger Jahren in der arabischen Belletristik gang und gäbe war, sucht sie im Buch vergeblich.

Diese kritische Grundhaltung spiegelt sich bereits in der Auswahl des alten Kämpfers Yunus zum Hauptprotagonisten, der, dem Tod geweiht, als Symbol für die Gründerphase der nationalen Revolution interpretiert werden kann, die sich nun allmählich dem Ende zuneigt. Und daß der nationale Befreiungskampf den Beteiligten nur allzuoft einen zu hohen Preis abverlangt hat, macht die tragische Liebesgeschichte von Yunus und seiner in der palästinensischen Heimat zurückgebliebenen Frau Nahila deutlich: Es ist die Tragödie zweier sich liebender Menschen, die sich nur selten und dann auch nur heimlich in einer Höhle außerhalb des Dorfes in Galiläa treffen können, dem "Tor zur Sonne". Das universelle Motiv von unerfüllter und durch den Lauf der Geschichte verhinderter Liebe prägt auch das Verhältnis des Icherzählers Khalil zu seiner Geliebten Schams. Dies ist der künstlerische Kitt, mit dem Khoury die zahlreichen Handlungsstränge in seinem mehr als siebenhundert Seiten langen Roman zusammenzuhalten sucht.

Gelungen ist ihm dies indes nur streckenweise. Die biographische Gestaltung der Figuren, die deren mangelnde psychologische Ausformung als Charaktere nicht ersetzen kann, bleibt häufig viel zu fragmentarisch. Viele Details, die des besseren Verständnisses halber in einen Abschnitt zusammengehört hätten, sind über das ganze Buch verstreut. Das macht die Lektüre bisweilen recht mühsam. Nicht wenige Figuren, die eine nur kleine, oft belanglose Geschichte zu erzählen haben, durchqueren den weitverzweigten Erzählfluß, mit dem Khoury offenbar der Lebendigkeit, aber auch der Widersprüchlichkeit der palästinensischen Erinnerung ein literarisches Denkmal setzen will. In der Vielstimmigkeit der divergierenden persönlichen Geschichtsversionen geht die Historie nicht selten verloren - ein trauriges Gleichnis über die Befindlichkeit eines entwurzelten Volkes, das sich nach seiner zerstörten Heimat sehnt, deren Bild nur noch aus Erinnerungsfetzen rekonstruierbar ist.

Trotz der nichtlinearen Erzählstruktur kann der Leser gut nachempfinden, was es seinerzeit bedeutete, als hungernder palästinensischer Flüchtling im gewaltsam entvölkerten Galiläa umherzuirren, immer in der Angst, von israelischen Soldaten erschossen zu werden. Khourys Blick ist auch hier nüchtern. Seine Protagonisten schieben nur selten ausschließlich den Israelis die Schuld für die palästinensische Nakba, die nationale Katastrophe, zu, sie zeigen sich weit mehr erzürnt über den "Verrat" der arabischen Länder oder werfen sich und ihren palästinensischen Volksbrüdern vor, im Krieg von 1948 nicht mit der nötigen Härte gekämpft und ihre Heimat viel zu schnell aufgegeben zu haben.

Gleichzeitig wird Selbstüberschätzung als die Achillesferse des palästinensischen Widerstands enthüllt, über dessen terroristische Methoden man bei Khoury allerdings kaum etwas erfährt. Typisch dafür ist, daß Yunus, ein führender Fedaji der ersten Stunde, als Rache für den gewaltsamen Tod seines kleinen Sohnes eine jüdische Schule in die Luft sprengen will, das Vorhaben aber in letzter Sekunde aufgibt. Die Realität sah jedoch etwas anders aus: Palästinensische Terroristen töteten vorsätzlich immer wieder israelische Zivilisten - es gab auch gezielte Angriffe gegen Schulen.

Der innere Konflikt, dem mündlich Überlieferten möglichst treu zu bleiben, gleichzeitig daraus aber auch gute Literatur zu machen, tritt bei Khoury besonders dort deutlich zutage, wo er dem Icherzähler am nächsten zu sein scheint, nämlich in jenen Passagen, in denen das Spannungsfeld zwischen Geschichte und Fiktion zur Geschichtsreflexion gerät: "Du möchtest", tadelt Khalil seinen Ziehvater Yunus, "daß alles klar und einfach ist. Es soll eindeutig feststehen, wer der Mörder und wer der Ermordete ist ... So einfach, daß es ein genau festgelegtes ,wir' und ,sie' gab, waren die Dinge leider nicht. Die Realität sah anders aus, aber sie war nur schwer zu bestimmen."

Am Ende ist es jedoch die Geschichte, die den Sieg über den einzelnen davonträgt, und gerade in der Tragik dieses aussichtslosen Kampfes ist das große Thema von Khourys Roman zu sehen, ein Thema, in dessen Schatten auch ungewöhnlich scharfe Kritik an manchem Mißstand in der arabischen Gesellschaft geübt wird: die Unterdrückung der Frau, der blinde Märtyrerkult, politische Repressionen und Folter oder auch die Leugnung des jüdischen Holocaust. Im arabischen Kontext erfordert es schon viel Mut, im Hinblick auf den libanesischen Bürgerkrieg dem Icherzähler die Worte in den Mund zu legen: "Verflucht, sagte ich mir, als man die Menschen aus Tel al-Zaatar in dem ehemals christlichen Ort Damur ansiedelte, dessen Bewohner alle vertrieben worden waren. Genau das gleiche haben die Juden mit uns gemacht, dachte ich. Und nun wiederholen wir es mit den Menschen aus Damur." Solche selbstreflexiven Passagen gehören mit zum Besten an Khourys Roman.

JOSEPH CROITORU

Elias Khoury: "Das Tor zur Sonne". Roman. Aus dem Arabischen übersetzt von Leila Chammaa. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2004. 742 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Jörg Plath hatte viel erwartet und ist enttäuscht. Elias Khoury, berichtet er, wird hoch gehandelt und gilt vielen als einer, der "das palästinensische Drama" literarisch in die Wahrnehmung der Welt einschreiben wird. Vertreibung, Flüchtlingslager, Folter, Wahnsinn, Entwurzelung - all das, so Plath, ist Teil des langen Monologes, den der Arzt Khalil Ayub am Krankenbett eines im Koma liegenden alten Fedajin-Kämpfers hält. Unzählige Einzelschicksale verknüpfe Ayub in seiner unentwegten Rede zum Mosaik eines "kollektiven Schicksals", doch es tue sich ein Riss auf zwischen Arzt und Patient, der mitten durch das palästinensische Volk geht. Denn Ayub ist ein "Nachgeborener", der zwar selbst gekämpft hat, aber den ewigen Heroismus der vertriebenen Generation nicht ertragen kann, der die Lebensgeschichte des Greises hinterfragt. Elias Khouri, schreibt der Rezensent, ergreift "Partei für die postheroische Generation, die aus dem Gefängnis der Erinnerungen an eine Heimat, die sie nie kennen gelernt hat, ausbrechen will". Doch seine Kritik, meint Plath, ist - so sehr sie die palästinensiche Leserschaft spalten mag - zu generell, zu "kraftlos". Khouri setze allein auf die "Kraft der Schicksale", doch diese ähneln einander. Und weil auch die Personen bloß Staffage in der kollektiven Tragödie sind", so Plath weiter, "wälzt sich der Monolog mit erschreckender Eintönigkeit dahin". Fazit: literarisch ein Misserfolg.

© Perlentaucher Medien GmbH
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