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"Seid glücklich! Gibt es, so liebenswürdig dieser Satz klingt, einen paradoxeren, schrecklicheren Befehl? Wie soll man wissen, ob man glücklich ist? Wer legt die Norm fest? Warum muß man es sein, weshalb wird die Empfehlung zu einem Befehl? Und was soll man denen antworten, die kläglich eingestehen: Ich schaffe es nicht?" Das Glück, unsere uralte Sehnsucht, ist zum Werbeslogan verkommen und das Glücklichsein zum gesellschaftlichen Pflichtprogramm geworden. Ein Leben lang jagt der moderne Mensch ihm nach, wohl wissend, daß seine Nichterfüllung einem persönlichen Scheitern gleichkommt. Wie aber…mehr

Produktbeschreibung
"Seid glücklich! Gibt es, so liebenswürdig dieser Satz klingt, einen paradoxeren, schrecklicheren Befehl? Wie soll man wissen, ob man glücklich ist? Wer legt die Norm fest? Warum muß man es sein, weshalb wird die Empfehlung zu einem Befehl? Und was soll man denen antworten, die kläglich eingestehen: Ich schaffe es nicht?" Das Glück, unsere uralte Sehnsucht, ist zum Werbeslogan verkommen und das Glücklichsein zum gesellschaftlichen Pflichtprogramm geworden. Ein Leben lang jagt der moderne Mensch ihm nach, wohl wissend, daß seine Nichterfüllung einem persönlichen Scheitern gleichkommt. Wie aber konnte eine so große Idee der Aufklärung sich in ein Dogma, in einen für alle verbindlichen Katechismus verwandeln? Pascal Bruckner schrieb mit dieser brillanten Beobachtung der Welt, in der wir leben, das Gegenstück zu seinem vielbeachteten Essay "Ich leide, also bin ich".
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hannelore Schlaffer bespricht zwei Neuerscheinungen, die sich eines immer aktuellen Themas annehmen, dem Glück, die ihr beide aber zu sehr ins moralische Fahrwasser geraten sind.
1) Pascal Bruckner: "Verdammt zum Glück. Der Fluch der Moderne"
Wer über Glück spricht oder schreibt, "maßt sich die Rolle des Weisen an", schreibt Hannelore Schlaffer und hat für diese Anmaßung des französischen Philosophen Pascal Bruckner wenig Sympathie. Sein moralisches Traktat über die auf puren Materialismus ausgerichtete Glückssuche der Menschen heutzutage, die das Unglück aus ihrem Wort- und Erfahrungsschatz verbannt haben, atmet für Schlaffer das Flair eines Caféhauses, in dem ein auf Lebenshilfe hoffendes Publikum sitzt. Zwar gebe sich Bruckner kritisch, schreibt Schlaffer, aber jede Klage dämpfe er durch eine Gegenklage, jede Kritik hebele er durch Gegenkritik aus - ein Autor, der es allen recht machen will, lautet ihr böses Urteil. Für die Praxis interessiere sich Bruckner gar nicht, so dass auch neuere soziologische Untersuchungen über das Zusammenspiel von materiellem Wohlstand und psychischen Wohlbefindens leider ausgespart blieben.
2) Annemarie Pieper: "Glückssache. Die Kunst, gut zu leben"
Die Baseler Philosophin Annemarie Pieper nähert sich dem Thema recht wissenschaftlich und liefert zunächst mal eine kleine Geschichte der Glücksphilosophie von der Antike bis heute ab, die vor den Augen der Rezensentin stand hält. Allerdings erwähnt sie geschichtliche Lücken, ohne diese näher zu präzisieren, und ereifert sich über die "missgeleitete" Kritik der Negativvisionen Aldous Huxleys und Jewgenij Samjatins. Im Fortlauf der philosophischen Abhandlung geraten der Autorin leider dann doch "philosophische Geschichtsschreibung und moralische Unterweisung" durcheinander, bemängelt Schlaffer. Auch bei Pieper erhebe sich schließlich der mahnende Zeigefinger des Weisheitslehrers, der die ethische Lebensform als glückbringenden Triumph über die leibliche Existenz verheißt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2001

Trost der Erbsenzählerei
Glückssache: Pascal Bruckner und Annemarie Pieper sorgen sich

Die Rede vom Glück ist ebenso Teil der Weisheitslehre wie das Nachdenken über das Alter, über Einsamkeit, Tugend, Wahrhaftigkeit und deshalb ein "ewiges" Thema der Popularphilosophie: Alle Epochen der Geistesgeschichte reden stets aufs neue davon, die Lösungen aber widerstehen jeglichem epochalem Wandel. Die zeitgebundene Bestimmung dessen, was Glück sei, ist dennoch immer an die Vorstellung von einer zeitlosen Befindlichkeit des Menschen gebunden.

Sehr viel weiter als Heraklit, der sich dagegen verwahrt, das Ergötzen des Leibes ein Glück zu nennen, da sonst ein Ochse, der ein paar Erbsen finde, glücklich sei, konnte denn auch der französische Schriftsteller und Philosoph Pascal Bruckner nicht kommen mit seiner Mahnung an den heutigen Leser, der sich angeblich "verdammt zum Glück" sieht: "Es triumphiert das profane Leben, von dem nach dem Rückzug Gottes nur die prosaische Seite übrigbleibt. Die Banalität oder der Sieg der bürgerlichen Ordnung: Mittelmäßigkeit, Geistlosigkeit, Gewöhnlichkeit." Die Furcht, im Zustand des Glücks in den Niederungen der Gewöhnlichkeit zu versumpfen, beherrscht seit alters jede Definition von Glück. Das wahre Glück wird aus der Distanz zur leiblichen Existenz und aus der Würde der Kontemplation gewonnen. Wer über Glück spricht, maßt sich die Rolle des Weisen an, für den die übrige Menschheit zu einer vom Irrtum geleiteten und zur Lust verführten Herde herabsinkt.

Auch Pascal Bruckner gibt sich als der besorgte Mentor, der die Gefahren unserer Zeit erkannt habe; seine apokalyptische Vision vom Verlust des echten Glücksvermögens durch die Hingabe an die materiellen Güter dieser Welt gehört selbst in die Topologie des Glücksdiskurses seit der Antike. Die lauteste Stimme, die sich gegen die sich steigernde Lebenslust der Nachkriegsgeneration erhob, war die von Neil Postman mit seiner Warnung, daß wir uns zu Tode amüsieren. Bruckner gibt vor, dieselbe Diagnose durch philosophisches Nachdenken gewonnen zu haben. Sein Buch beginnt mit Definitionen, Unterscheidungen, Vergleichen, "Paradoxien", um aber schließlich bei einer Kritik der bürgerlichen Gesellschaft anzugelangen. Der Bourgeois "geht gänzlich im süßen Gewerbe des Handels auf, dem die Aufklärung die doppelte Mission zuwies, die Gewalt zu beseitigen und deren Triebkräfte in eine methodische Aktion umzuleiten". Solch ironische Distanz zur ökonomischen Rationalität schlägt die Chance der bürgerlichen, aufgeklärten Gesellschaft aus, die sogar die amerikanische Verfassung als Menschenrecht auf "the pursuit of happiness" garantierte.

Vermeintlich ist die Glückssuche in der bürgerlichen Gesellschaft immer nur auf den materiellen Reichtum gerichtet. Da sich die philosophischen Postulate nicht gern auf die Praxis einlassen, bleiben in der geläufigen Kritik am oberflächlichen Lebensgenuß soziologische Forschungen, die vielleicht einen neuen Ton in die alte Leier bringen könnten, unbeachtet. Von den statistischen Untersuchungen des "Instituts für Glücksforschung" unter Alfred Bellebaum - zum Beispiel über den Zusammenhang von materiellen Gütern und Wohlbefinden, von Gehaltserhöhung und unglückstiftendem Konkurrenzverhalten - will ein Konzept nichts wissen, das voraussetzt, daß Glück zu den Entscheidungen des freien Willens eines jeden einzelnen gehört. In Paris haben sich sogenannte "Philosophische Cafés" etabliert, in denen amateurhafte Schüler von "Meisterphilosophen" mit einer buntgemischten Zuhörerschaft lebensphilosophische und politische Probleme diskutieren. Die Sturmluft auf den Straßen von achtundsechzig ist dort ein bißchen stickig geworden.

Von diesem Caféhausflair hat auch Bruckners Epistel über das Glück manches abbekommen. Kritiker ist er zwar durch und durch, doch weiß er nicht so recht, was er am schärfsten angreifen soll, denn er ist nicht sicher, was eigentlich das herbeigeströmte und der Lebenshilfe bedürftige Publikum braucht, dem er es auf jeden Fall recht machen will. Für jeden Geschmack hält er eine Klage bereit, die er aber sogleich mit einer Gegenklage dämpft. Spielt er einmal eine Art marxistischer Ideologie gegen den Bourgeois aus, so verhöhnt er gleichzeitig im Namen der bürgerlichen Vernunft die marxistischen Utopien; setzt er kirchliche Dogmen dem ehrlichen inneren Glauben gegenüber herab, so verteidigt er aber auch wieder die Lehre gegen die Unlogik des privaten Glaubens. Bruckner ist klar, daß es heute einen "Marktplatz für Leid" und eine "Demagogie der Verzweiflung" gibt. Von solcher Schwarzmalerei, die auf jedes kleine Vergnügen eifersüchtig ist, distanziert er sich, plädiert aber doch selbst dafür, daß wir "das Unglück in unser Dasein zurückholen und es wieder in den allgemeinen Sprachgebrauch einführen", denn so "bändigen wir es, indem wir es integrieren". Bruckners Buch richtet sich durchweg an ein unbestimmtes "Wir", welches der unbegrenzte Kreis derer sein dürfte, die der Salbung durch solche Worte bedürfen.

Dem Mißtrauen gegen das Glück entkommt auch die Baseler Philosophin Annemarie Pieper nicht, der "Glückssache" mehr ist als nur "die Kunst, gut zu leben". Mit dem saloppen Titel "Glückssache" stellt sich die Autorin als eine ihrer Zeit zugewandte Beobachterin vor. Gleichzeitig genügt sie der wissenschaftlichen Selbstverpflichtung, eine kleine Geschichte der Glücksphilosophie zu liefern. Als ein Propädeutikum für Anfänger, zumal höheren Alters, darf man die Abhandlung durchaus gelten lassen.

Pieper beschreibt zunächst verschiedene Arten von Glücksvorstellungen, unterscheidet die "Glücksexperten" - Philosophen, Dichter und Psychologen -, setzt geistige und sinnliche Glückskategorien wie Lust und Glück gegeneinander ab, fragt nach den Grundbedingungen des Glücks, um dann mit einer allerdings lückenhaften geschichtlichen Darstellung zu beginnen. Diese engagiert sich für bestimmte Philosophen und gleitet damit schließlich doch in die übliche Weisheitslehre hinüber. Camus gewinnt die besondere Aufmerksamkeit der Autorin, denn auch er hat das Leben melancholisch untermalt und "wie kein anderer unter den modernen Existenzphilosophen die absurde Befindlichkeit des heutigen Menschen beschrieben".

Damit ist Pieper wie so viele vor ihr bei einem der Topoi der Glücksphilosophie angekommen, der sich auf die Sünden auch dieser Zeit anwenden läßt: "Die Sinnlosigkeiten, mit denen wir tagtäglich in den Berichten der Medien über Greueltaten, Hunger, Naturkatastrophen, Unfälle, Seuchen und so fort konfrontiert werden, lassen daran zweifeln, ob wir wirklich in der besten aller Welten leben." Engagiert kritisiert die Autorin Aldous Huxleys "Schöne neue Welt" und Jewgenij Samjatins "Wir", so als seien diese Anti-Utopien und Albtraumwelten des Fortschritts verfehlte Wirklichkeiten. Die Kritik an diesen Fiktionen ist so mißgeleitet, wie wenn ein Naturwissenschaftler Stanislaw Lem nachweisen wollte, daß die Raumstation Solaris eine Fehlkonstruktion sei.

Immer öfter gleiten mit dem Fortgang von Piepers Abhandlung philosophische Geschichtsschreibung und moralische Unterweisung ineinander über. Was Referat einer christlichen Lehre sein wollte, verwandelt sich, indem der wissenschaftliche Duktus ganz aufgegeben wird, in die Ermahnung eines Weisheitslehrers: "Die ethische Lebensform ist das Höchste, was der Mensch aus eigener Kraft durch Bildung eines guten Willens vollbringen kann. Aber die innere Zerrissenheit der beiden Willen in ihm vermag er nicht zu heilen. Dies kann allein Gott." Die Philosophiegeschichte wird so zum Repertoire für ermahnende und tröstende Worte - und was braucht ein Leser mehr, der in dieser glücksgesättigten Zeit noch immer nicht glücklich genug ist?

HANNELORE SCHLAFFER

Pascal Bruckner: "Verdammt zum Glück". Der Fluch der Moderne. Ein Essay. Aus dem Französischen von Claudia Stein. Aufbau Verlag, Berlin 2001. 266 S., geb., 39,90 DM.

Annemarie Pieper: "Glückssache". Die Kunst, gut zu leben. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 315 S., geb., 39,90 DM.

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