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Neben seinen großen Büchern hat der international bekannte Philosoph Giorgio Agamben kleinere Texte und Essays verfasst, die ebenso nachhaltig die jeweiligen Diskussionen beflügelt haben. Die wichtigsten aus den letzten 20 Jahren hat er in einem Buch versammelt, das nun zum ersten Mail vollständig auf Deutsch vorliegt. Darin begegnen uns alle Motive seines Denkens in überraschender, neuer Form: Ob es sich um die Auseinandersetzung mit Walter Benjamin, Aby Warburg, Max Kommerell oder Martin Heidegger handelt oder um Themen wie Ursprung und Vergessen, Bildlichkeit, Immanenz und Faktizität, immer…mehr

Produktbeschreibung
Neben seinen großen Büchern hat der international bekannte Philosoph Giorgio Agamben kleinere Texte und Essays verfasst, die ebenso nachhaltig die jeweiligen Diskussionen beflügelt haben. Die wichtigsten aus den letzten 20 Jahren hat er in einem Buch versammelt, das nun zum ersten Mail vollständig auf Deutsch vorliegt. Darin begegnen uns alle Motive seines Denkens in überraschender, neuer Form: Ob es sich um die Auseinandersetzung mit Walter Benjamin, Aby Warburg, Max Kommerell oder Martin Heidegger handelt oder um Themen wie Ursprung und Vergessen, Bildlichkeit, Immanenz und Faktizität, immer gelingt es Agamben, seinem Gegenstand ungewöhnliche und überraschende Einsichten abzugewinnen - ein Meister auch der kleinen Form.
Autorenporträt
Agamben, Giorgio
Giorgio Agamben, geboren 1942, lehrt heute als Professor für Ästhetik an der Facoltà di Design e Arti der Universität Iuav in Venedig, an der European Graduate School in Saas-Fee sowie am Collège International de Philosophie in Paris. Sein Werk ist in zahlreiche Sprachen übersetzt. Im S. Fischer Verlag sind zuletzt erschienen 'Nacktheiten' (2010), 'Höchste Armut. Ordensregeln und Lebensform' (2012), 'Das unsagbare Mädchen. Mythos und Mysterium der Kore' (2012, gemeinsam mit Monica Ferrando), 'Opus dei. Archäologie des Amts' (2013), 'Die Macht des Denkens' (2013), 'Stasis. Der Bürgerkrieg als Paradigma' (2016) sowie 'Die Erzählung und das Feuer' (2017).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.09.2013

Der Ursprung muss
gelöscht werden
Giorgio Agamben legt beeindruckende Essays vor
Nachdem Giorgio Agamben unlängst mit seiner Forderung nach einem lateinisch-südlichen Imperium, das der schnöden protestantischen Geschäftswelt der Germanen wahre Werte entgegensetzen solle, einigen Staub aufgewirbelt hat, kann man nun endlich wieder seriöse Texte von ihm lesen. Mehr noch: die philosophischen Essays des Autors, die in den vergangenen zwanzig Jahren entstanden und im vorliegenden Band zusammengefasst sind,lesen sich als beeindruckendes Panorama eines abendländischen Denkens, das immer wieder nach seinen eigenen Möglichkeiten fragt und um die Formulierung der sich dabei einstellenden Aporien ringt.
  Die Aufsätze sind zu drei Abteilungen geordnet: Sprache, Geschichte und Vermögen. Agamben setzt ein mit einer Lektüre des siebten platonischen Briefs, der nach der Sache des Denkens fragt. Bereits Platon konstatiert eine Schwäche des Logos, die Sache zum Ausdruck zu bringen, und fasst den Diskurs als eine Rede über etwas, was sich nicht sagen lässt. Schon bei ihm deutet sich eine Nähe zu Heidegger an. Agamben wendet sich sodann dem Begriff der Offenbarung zu. Nichts Offenbartes ist dabei zu entdecken außer der Tatsache selbst, dass es Sprache gibt. Das anfängliche Wort setzt nichts voraus außer sich selbst, enthüllt nichts, offenbart nur sich selbst. Die zeitgenössische Philosophie ist dann vollends zur Einsicht gelangt, dass sie Anschauung der Sprache sein muss. Für sie rangieren Begriffe wie Gott, Sein, Geist und Unbewusstes längst als bloße Namen für die Sprache.
  In einem weiteren Aufsatz untersucht Agamben den Zusammenhang von Sprache und Geschichte bei Walter Benjamin. Für den mit kabbalistischen Theorien vertrauten Deutschen kann die Vernunft den Grund der Namen nicht erreichen, weil die Sprache historisch vermittelt ist. In seiner Vision einer reinen Sprache vermag am messianischen Ende der Geschichte das von allen Sprachen Gemeinte ans Licht zu kommen, indem Sinn und Intention erlöschen. Auch er denkt das nicht meinende Wort, das einfach nur spricht.
  Das Sein spricht bei Heidegger bekanntlich mit lautloser Stimme, und so muss am Ende alles um die Frage kreisen, ob der Mensch, von der Sprache angesprochen, selbst zu einer Stimme finden kann oder umgekehrt die Abwesenheit von Stimme erfahren muss. An Texten von Descartes, Wittgenstein, Valéry und Mallarmé zeigt Agamben, wie Philosophen und Dichter das Phänomen des Sehens umkreist, auf eine Differenz zwischen Ich und Auge hingewiesen, Bewusstsein als Leerstelle erkannt und an der Überwindung des Ichs gearbeitet haben. Er erinnert schließlich an den hierzulande wohl weniger bekannten, früh verstorbenen Mythenforscher Furio Jesi. Dessen Schriften über Rilke entdecken gleichfalls die Residualität des Subjekts und ein asemantisch werdendes dichterisches Wort. Für die Moderne hat sich Kafkas Ahnung erfüllt: die Sirenen schweigen.
  In der Abteilung zur Geschichte versucht der Autor, die eigentliche Aufgabenstellung von Aby Warburgs kunstgeschichtlicher Forschung zu umreißen. Der Hamburger Gelehrte hatte seinen Entwurf einer ikonologischen Wissenschaft, die die herkömmlichen Grenzen der Disziplin sprengen sollte, ja selber namenlos gelassen. Anhand von Textauszügen von Platon, Heidegger, Plotin, Wittgenstein, Hegel und Nancy beschreibt er die Problematik einer Überlieferung von Wahrheit. Auch diese ist in Paradoxa verstrickt. Es folgt die Analyse des Ereignis-Begriffs bei Heidegger und seine Verbindung zum Selbst. Die Einkehr des Denkens in sein Eigenstes – sein schwierigstes Unterfangen – führt paradoxerweise zu einer Spaltung des Selbst. Das Eigene bleibt ohne Namen, stellt eine nicht mitteilbare Mitteilung dar. In einer ähnlichen Schiene ist Victor Segalen zu sehen, der für das Problem der Schrift ebenfalls empfindlich war: „Der Ursprung muss vergessen, muss gelöscht werden . . ., damit der solcherart außer Kraft gesetzte Ursprung von der Literatur auf ihrer Suche nach einem Ursprung als Grund erinnert und angenommen werden kann.“
  In der dritten und letzten Abteilung geht es um die Frage nach der Macht des Denkens, nach dem menschlichen Vermögen. Agamben geht von Aristoteles aus, der die Potenz als privative Präsenz denkt: eine Kraft, die auch nicht aktuell sein kann. Jedes Vermögen ist wesentlich Unvermögen. So kann auch das Nicht-Sein sein gelassen werden. Den Begriff der Faktizität bei Heidegger umrundet ein weiterer Essay; er stellt ihn in einen Zusammenhang mit der Preisgabe des Begriffs der Intentionalität und dem Liebesbegriff. Agamben erinnert verdienstvollerweise an das wohl Intelligenteste, was über die Frage einer inneren Verwandtschaft zwischen Heideggers Philosophie und dem Faschismus geschrieben worden ist, nämlich Levinas’ Essay über die Philosophie des Hitlerismus. Der fatalen Nähe wäre erst zu entrinnen, wenn eine Philosophie entwickelt würde, in der die Menschheit keinen geschichtlichen Auftrag mehr hätte.
  Natürlich darf in diesem Kontext Nietzsche nicht fehlen, und so wird dessen These vom Willen zur Macht und zur perspektivischen Sicht befragt und in ihrem Ergebnis als ebenfalls paradox analysiert. Die Konzeption der différance wird referiert, die, ähnlich wie vieles hier Gesagte, die Auflösung der Identität der Bedeutung mit sich selbst meint.
  Akademische Prosa muss in diesen Skizzen keine Schande sein; von solchen Professoren gibt es zu wenige, die in der Lage sind, auf zweitausend Jahre Geistesgeschichte zurückzublicken. Selbständig entwickelt Agamben freilich dann nichts mehr – die Überlieferung ausdeuten mit der Tiefe, Stringenz und Originalität eines Derrida kann er nicht. Seine Sache ist, die Dinge zu rekonstruieren, ein Bewusstsein dafür herzustellen, dass wir immer schon, um ein mittelalterliches Bild zu gebrauchen, auf den Schultern von Riesen stehen, und unsere Aufgabe zunächst einmal bescheiden sein muss, nämlich die Texte der Alten wie der Zeitgenossen aufmerksam zu lesen und in ihrer Bedeutungsfülle zu entfalten.
EBERHARD GEISLER
Giorgio Agamben: Die Macht des Denkens. Gesammelte Essays. Aus dem Italienischen von Francesca Raimondi. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 464 Seiten, 24,99 Euro.
Agambens Sache: ein Bewusstsein
herzustellen, dass wir immer auf
den Schultern von Riesen stehen
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auch wenn Giorgio Agamben auf den Schultern von Riesen steht und weniger selbständig als vielmehr rekonstruierend vorgeht, wie uns Eberhard Geisler erklärt, machen die hier versammelten philosophischen Aufsätze aus 20 Jahren Eindruck auf ihn. Als Zeugnis abendländischen Denkens, das mit den eigenen Möglichkeiten und Aporien ringt und, in diesem Band, Sprache, Geschichte und das eigene Vermögen untersucht. Ob mit Descartes und Valéry den Sehsinn, mit Heidegger den Ereignis-Begriff oder mit Aby Warburg die Wahrheit und ihre Überlieferung - immer geht es dem Autor laut Geisler um die Macht des Denkens. Wie Agamben sie, akademisch zwar, aber umsichtig, geistesgeschichtlich verortet, findet Geisler doch bemerkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH
beeindruckendes Panorama eines abendländischen Denkens, das immer wieder nach seinen eigenen Möglichkeiten fragt und um die Formulierung der sich dabei einstellenden Aporien ringt. Eberhard Geisler Süddeutsche Zeitung 20130913