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Mit der 'Pie Bible' lässt das Künstlerduo M+M ein fiktives Buch aus dem amerikanischen Film 'American Pie' Realität werden: Eine stetig wachsende Sammlung an Erfahrungen, Tipps und Eindrücken in Sachen Liebe und Sexualität. Im Spielfilm kursiert die Bibel an einer Highschool. Sie wird je einem auserwählten, 'würdigen' Schüler von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben, der sie durch einen eigenen Beitrag erweitern kann. Für die 'Pie Bible' baten M+M ausgewählte Künstlerinnen und Künstler, persönliche Erlebnisse, raffinierte Techniken und Fantasien zu offenbaren, die in die geheimen Bereiche der…mehr

Produktbeschreibung
Mit der 'Pie Bible' lässt das Künstlerduo M+M ein fiktives Buch aus dem amerikanischen Film 'American Pie' Realität werden: Eine stetig wachsende Sammlung an Erfahrungen, Tipps und Eindrücken in Sachen Liebe und Sexualität. Im Spielfilm kursiert die Bibel an einer Highschool. Sie wird je einem auserwählten, 'würdigen' Schüler von Jahrgang zu Jahrgang weitergegeben, der sie durch einen eigenen Beitrag erweitern kann. Für die 'Pie Bible' baten M+M ausgewählte Künstlerinnen und Künstler, persönliche Erlebnisse, raffinierte Techniken und Fantasien zu offenbaren, die in die geheimen Bereiche der Welt sinnlicher Lust oder erotischer Abgründe führen. Denn entsprechend der allgemeinen gesellschaftlichen Vorstellung gelten Künstler als Experten in Sachen sexueller Erfahrungen und auf dem Gebiet von Initiationsriten. Der Wunsch war, möglichst unmittelbar und direkt an das Thema heranzugehen, ähnlich wie in einem Brief an einen vertrauten Freund. Die veröffentlichten Beiträge reichen dabei von Texten bis zu Collagen, Zeichnungen oder Fotos mit handschriftlichem Kommentar. Die teilweise sehr intimen Beiträge sind im Buch nicht unmittelbar den Künstlern zuzuordnen. Das Erscheinungsbild der 'Pie Bible' orientiert sich an Bibelausgaben bzw. Gesangsbüchern. Das erotische Kompendium ist annähernd in Faksimile-Manier gedruckt, damit die individuellen Spuren, z.B. Pentimenti, eventuelle Schmutzflecken und der Papiercharakter spürbar bleiben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2008

Geheimnisse der Jugend
„Pie Bible”: Eine Kinofiktion sexueller Phantasien wird Realität
In späteren Jahren verdrängt man es gern, aber die Pubertät ist eine unangenehme Zeit des Übergangs, voller Geheimnisse und quälender Fragen. Der erste Kuss ist da noch das Harmloseste. Zum Glück gibt es die seichten Produktionen des Hollywoodkinos, die über die Fragen und Ängste dieser Zeit hinwegalbern. Paul Weitz’ Film „American Pie” wurde 1999 eine der erfolgreichsten Teenie-Komödien, die dieses Genre so treffend zusammenfasste, dass sie mittlerweile sechs weitere Folgen nach sich zog. Der Stress zwischen dem Abschluss der Highschool und dem ersten sexuellen Kontakt mit einer Frau wird in diesem Film aus der Sicht einiger amerikanischer Provinzjungs erzählt.
Das die Phantasie stimulierende Geheimnis der sexuellen Erweckung hat im Film sein eher beiläufiges Zentrum in einem in der Schulbibliothek versteckten Buch, das von Schülergeneration zu Schülergeneration weitergegeben wird. Jedes Schuljahr darf ein Auserwählter das Buch lesen und mit eigenen Beiträgen ergänzen. So enthält es eine stetig wachsende Sammlung an Erfahrungen, Tipps und Eindrücken in Sachen Liebe und Sexualität. Nach vielen verzweifelten Versuchen findet der Film seinen Showdown im Abschlussball, einer amerikanischen Institution, die ihrerseits Schrecken und Glück zu verbreiten weiß. Und die halbreifen Protagonisten werden natürlich glücklich oder bekommen zumindest einen ersten Eindruck, was dies bedeuten könnte. Darüber gerät die „Sex Bible” aus den Augen.
Das Künstlerduo M+M hat jedoch einen Blick für derartige zentrale Randerscheinungen der Kinoerzählung. Seit bald 20 Jahren ersetzen sie das traditionelle Künstlerindividuum durch eine Art Büro für künstlerische Projekte, die aus dem Kunstbetrieb heraus in die unterschiedlichsten Bereiche unserer Lebenswelt von der Klimaforschung oder der Medizin bis in das System unserer Mobilität reichen. Nun haben sie das geheimnisvolle Buch des Films unter dem Titel „Pie Bible” Realität werden lassen, indem sie 57 Künstlerinnen und Künstler dazu bewegen konnten, ihre Phantasien und Erfahrung oder vielleicht auch „nur” deren Fiktion Realität werden zu lassen.
Begehren und Ekel
Das liebevoll gestaltete Buch kommt mit seinem Kunstledereinband und dem Lesebändchen wie eines der von Missionaren verschenkten Evangelienbüchlein daher. Der Verlag für moderne Kunst, der für die herausragende Druckqualität seiner Kataloge und Bücher bekannt ist, hat die unterschiedlichsten Beiträge in faksimileartiger Qualität reproduziert, sodass man den Eindruck hat, ein mit Collagen und eingeklebten Seiten gespickten Band in Händen zu halten. Von Tagebucheinträgen über Fotoinszenierungen bis zu Comicgeschichten sind die unterschiedlichsten Genres vertreten.
Manche Geschichte ist von rührender Unbeholfenheit, mancher Rückgriff auf die Produkte der Pornoindustrie von brutaler Dummheit, wie sie für die Pubertät dann ja auch wieder bezeichnend sein kann. Minimale Eingriffe wie die Verfremdung der erotisierten Werbefotografie mittels kleiner Collagen bleiben länger im Gedächtnis haften als die scheinbare Enthüllung aller Geheimnisse. Gleich mehrere Beiträge parodieren das Maskenspiel, wie es in den Fotografien von Cindy Sherman zum Klassiker der Gegenwartskunst wurde.
Die Begegnung von primären Sexualorganen mit den Resten eines Suppenhuhns lassen nicht vergessen, dass dem Begehren der Ekel sehr nah sein kann. Damit kommt das Buch weg von der Highschool-Komödie und zu der melancholischen, in endlosen Interpretationsversuchen immer noch nicht erklärten Stimmung von Don McLeans Song „American Pie” aus dem Jahr 1971 zurück, in dem ebenfalls ein Buch der Liebe eine Rolle spielt.
Stars des Kunstmarktes wie Jonathan Meese oder Atelier Van Lieshout waren ebenso zu Beiträgen zu bewegen wie eine Reihe weniger bekannter, aber dafür geistreicher Künstler. So entstand eine abwechslungsreiche Sammlung, die nur darin dem Kunstbetrieb Tribut zollt, dass die anonymen Beiträge der Filmbibel hier in einem Anhang personalisiert werden.
Der hartnäckige Voyeurist mag bei diesem Buch auch auf seine Kosten kommen, aber die überwiegend sehr persönlichen Geschichten und Inszenierungen von Geschichten ziehen den Leser doch eher in einen eigenartigen Strudel der Erinnerungen. Damit ist der bildenden Kunst eine kleine kulturgeschichtliche Bestandsaufnahme über „Sex und was sie immer schon darüber wissen wollten” gelungen. Ein weiterer Beweis, wie sinnlos es heute ist, zwischen „hoher” und „niedriger” Kunst zu unterscheiden, wurde nebenbei auch erbracht. ANDREAS STROBL
M+M (Hrsg.): Pie Bible. Verlag für moderne Kunst, Nürnberg 2008. 408 Seiten, 42 Euro.
Quälende Fragen: der Beitrag des japanischen Künstlers Noritoshi Hirakawa Abb. aus dem besprochenen Band
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Im Hollywood-Pubertätsfilm "American Pie" gibt es ein geheimes Buch, in das die Schüler der Highschool, an der der Film spielt, ihre Erfahrungen mit der Pubertät eintragen, auf dass die nachfolgenden Generationen daraus lernen. Das Künstlerduo M+M sammelt nun in diesem Band die Arbeiten von nicht weniger als 57 Künstlerinnen und Künstlern, die das geheime Buch, die "Pie Bible", nach eigenem Gusto für sich nacherfinden. Vom äußeren Eindruck fühlt sich Andreas Strobl gleich mal an ein "Evangelienbüchlein" erinnert. Aber auch die inneren Werte - die in Form, Gehalt und Niveau, hält er fest, extrem unterschiedlich sind - gefallen ihm durchaus gut. Mal gehe es in den Arbeiten pornografisch zu, dann rührend und mal beides gleichzeitig. Er lobt den Band denn auch als sehr gelungene "kleine kulturgeschichtliche Bestandsaufnahme" zum Thema pubertärer Nöte.

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