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In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Welt in Elementarteilchen zu zerfallen droht, wird die Frage akut, was die Individuen noch zusammenhält.
Die Antwort: die Paarliebe als anthropologisches Radikal, das den Menschen von der tierischen Horde getrennt hat. Die Rekonstruktion der Entstehung des Individuums aus dem Paar ist der Versuch, die anthropologische Dimension kommunikativen Handelns jenseits der Dualismen von Individuum und Gesellschaft, von Bewusstsein und Sprache zu erschließen.
Nicht im Verhältnis von Mutter und Kind, sondern in der Beziehung zwischen Mann und Frau bilden
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Produktbeschreibung
In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Welt in Elementarteilchen zu zerfallen droht, wird die Frage akut, was die Individuen noch zusammenhält.

Die Antwort: die Paarliebe als anthropologisches Radikal, das den Menschen von der tierischen Horde getrennt hat. Die Rekonstruktion der Entstehung des Individuums aus dem Paar ist der Versuch, die anthropologische Dimension kommunikativen Handelns jenseits der Dualismen von Individuum und Gesellschaft, von Bewusstsein und Sprache zu erschließen.

Nicht im Verhältnis von Mutter und Kind, sondern in der Beziehung zwischen Mann und Frau bilden sich die Muster aus, nach denen Menschen zueinander, zu sich selbst und zur Welt in Verbindung treten. Auch außerhalb der Institutionen von Ehe und Familie ist die erotische Liebe das kommunikative Medium, das durch Diskurs allein nicht zu ersetzen ist. So findet sich auch der flexible Mensch der Postmoderne durch das normale Chaos der Liebe gerechtfertigt: eine Lebensform, die an Dramatik der christlichen Rechtfertigung allein durch den Glauben in nichts nachsteht.
Autorenporträt
Ferdinand Fellmann, geboren 1939, von 1980 - 1993 Professor für Philosophie an der Universität Münster, seit 1993 Gründungsprofessor an der TU Chemnitz, derzeit Gastprofessor am Institut für Philosophie der Universität Wien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2006

Die große Koalition der liebevollen Affekte
Zur erotischen Rechtfertigung des Menschen gehört das Kind: Ferdinand Fellmann über das Paar

Die Rückführung erotischer Phänomene auf metaphysische und damit für alle gültige Grundannahmen mag das Menschenbild insgesamt nicht berühren, fügt aber den drei Menschheitskränkungen eine weitere, sich immer nur individuell äußernde hinzu: Niemandem kann es angenehm sein, wenn ihm philosophisch nahegelegt wird, daß all seine Verliebtheit nur dunkler Wahn ist, ein Trick, mit dem die Natur den Menschen immer wieder aufs neue überlistet, damit er sich fortpflanze. Der Biologismus, der am Ende auf einen Determinismus hinausläuft, gerät wie jede Degradierung des Menschen zum reinen Samenspender oder zur Gebärmaschine schnell unter Verdacht des Menschfeindlichen. Er kennt, wie der sexbesessene Boulevard, keine Spiritualität.

Man mag einwenden, in Zeiten höchster Scheidungs- wie überhaupt Trennungsraten gibt es auch keine mehr. Doch man muß beim Bohren dieses nach wie vor dicken Bretts nur Geduld haben. Ferdinand Fellmann hat sie. Seine Studie fängt philosophisch gewissermaßen bei Adam und Eva, also bei Platon/Sokrates, an und führt, immer entlang am biblischen Sündenfall, über die Vorläufer der Lebensphilosophie (Schopenhauer, Nietzsche, Freud) hin zu den wichtigsten Positionen des zwanzigsten Jahrhunderts (Husserl, Heidegger, Gehlen, Blumenberg, Habermas). Niemand von ihnen hat eine gebrauchsfertige Theorie zum "Paar" geliefert. Doch wie jeder gute Philosoph sucht Fellmann, emeritierter Gründungsprofessor der TU Chemnitz, sich überall das Beste, das heißt: Passende heraus und ergänzt das, was beim einen fehlt, durch das, was er beim anderen findet. Ein Beispiel: Wenn wir von Interpersonalität sprechen (um die es sich beim Paar ja handelt), kommt man zwar um die "Theorie des kommunikativen Handelns" nicht herum, muß sich aber klarmachen, daß der Begriff des Einverständnisses eine Kategorie der trockenen Vernunft ist, die deshalb mit Ernst Tugendhat bewässert werden muß - es geht nicht um bloßen Interessenausgleich, sondern um "Harmonie der Affekte".

Darum geht es, könnte man sagen, in der Politik auch. Dort zählt der Stimmenanteil, der wiederum über Macht entscheidet. Der Proporzkuchen ist für Fellmann gewissermaßen gegessen: Er wußte vermutlich, wie heikel es ist, über Stärken und Schwächen der Geschlechter, über unterschiedliche Kräfteverteilungen zu spekulieren, deswegen läßt er es bleiben und begreift das Mann-Frau-Bündnis - daß es auch noch andere gibt, fällt für ihn nicht ins Gewicht - als eine Art großer Koalition, auch wenn es sich an einer Stelle anhört, als ginge es darum, ob die Türkei nun zu Europa gehören soll oder nicht: "Es gehört zur Natur des Menschen, sein Leben auf privilegierte Partnerschaften aufzubauen." Mit dieser Äußerung, die eine sanft-elegante Backpfeife für die Propagandisten und eigentlich auch schon die Dulder der Lebensabschnittspartnerschaften ist, markiert Fellmann seinen Standpunkt, der, uneingestanden, ein souverän altmodischer, als solcher aber schwer angreifbar ist: Es gibt bei ihm weder Anbiederungen an die Genderbewegung noch antifeministische Sticheleien.

Und es ist - anders, als man es bei dem Titel vielleicht erwartet hätte - auch keine Sittengeschichte, sondern ein in einer sehr lesbaren, klar-unprätentiösen Sprache gehaltener Großessay, dessen Stärke vor allem in der Vermittlung von Positionen liegt. Auf breiter Textbasis, unter Verzicht auf plakative Thesen gelingt Fellmann die Rettung (und damit mehr als eine Rechtfertigung) des Menschen aus dem Geiste beziehungsweise der unhintergehbaren Tatsache seiner erotischen Ausrichtung auf die Welt.

Besonders eindrucksvoll ist das Schlußkapitel über das Kind, "eine Herausforderung für die Anthropologie, sich dem Problem des Erwachsenwerdens zuzuwenden". Weit davon entfernt, ein pflichtschuldiger Anhang zu sein, schleudert uns dieser kapitale Überbau seine Imperative an den Kopf, die sicherlich zum Besten, Seriösesten gehören, was man von philosophischer Seite zum Thema derzeit lesen kann. "Zur erotischen Rechtfertigung des Menschen gehört das Kind": Was sich so selbstverständlich liest, dahinter steckt ein existentieller Ernst, der tiefer reicht als alle demographische Apokalyptik. Auf diese Weise wird der Generation der Kindsverweigerer ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausgestellt: "Zum Erwachsensein gehört mehr, als was sich die Ahnungslosen darunter vorstellen. Es ist in erster Linie die Erfahrung, das letzte Glied in einer Kette der Verantwortlichen zu sein. Als Erwachsener kann man sich für seine (Fehl-)Entscheidungen nicht mehr hinter Vater und Mutter verstecken. Daß diese Erfahrung so bitter wird, hängt damit zusammen, daß Erwachsene nicht nur Probleme haben, die sich relativ leicht lösen lassen, sondern auch solche, mit denen man dauerhaft leben muß. Sie heißen ,Sorgen'. Die meisten dieser Sorgen bereitet den Erwachsenen das Kind."

Heidegger hat das vorletzte Wort. Das letzte hat die Hoffnung, nicht direkt ausgesprochen, aber als Utopie einer sich ständig wandelnden Zeit hört man es gern: "Die Veränderung der Welt und des Menschen kann niemand aufhalten, es kommt nur darauf an, sie richtig zu interpretieren, damit wir den Glauben an die Liebe nicht verlieren." Give love a chance.

EDO REENTS

Ferdinand Fellmann: "Das Paar". Eine erotische Rechtfertigung des Menschen. Parerga Verlag, Berlin 2005. 340 S., br., 14,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ferdinand Fellmanns Studie über die Mann-Frau-Beziehung hat Rezensent Edo Reents sichtlich imponiert. Er lobt die gut verständliche Analyse philosophischer Ansichten und Theoreme über "das Paar", von Sokrates über Nietzsche und Freud zu Heidegger, Gehlen und Habermas. Eine der Stärken des Autors sieht er in der Vermittlung verschiedener Positionen. Die Ansicht Fellmanns, zur Natur des Menschen gehöre der Aufbau von privilegierten Partnerschaften, die auf den einen oder anderen etwas altmodisch wirken könnte, stört Reents nicht weiter - zumal sich der Autor weder der Genderbewegung anbiedert noch den Antifeministen mimt oder jemals schlagwortartig argumentiert. Besonders gelungen findet Reents das Schlusskapitel über das Kind, das für ihn zum "Besten" und "Seriösesten" gehört, was derzeit von philosophischer Seite zum Thema zu hören ist.

© Perlentaucher Medien GmbH