Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 8,71 €
  • Gebundenes Buch

Ihre Kriegseinsätze kommen in den Geschichtsbüchern nicht vor, und ihre Gefallenen sind nirgends aufgelistet. An ihre Opfer erinnert kaum ein Monument und an den Bombenterror in ihren Städten keine Fernsehserie. Die meisten ihrer Zwangsarbeiter erhalten keine Entschädigung und die meisten ihrer Veteranen keine Kriegsrente. So hoch der Preis auch war, den die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg zahlte, so konsequent wurde er seitdem vergessen und verleugnet. Millionen Soldaten aus Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien kämpften und starben in diesem Krieg, den der deutsche und der italienische…mehr

Produktbeschreibung
Ihre Kriegseinsätze kommen in den Geschichtsbüchern nicht vor, und ihre Gefallenen sind nirgends aufgelistet. An ihre Opfer erinnert kaum ein Monument und an den Bombenterror in ihren Städten keine Fernsehserie. Die meisten ihrer Zwangsarbeiter erhalten keine Entschädigung und die meisten ihrer Veteranen keine Kriegsrente. So hoch der Preis auch war, den die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg zahlte, so konsequent wurde er seitdem vergessen und verleugnet.
Millionen Soldaten aus Afrika, Asien, Südamerika und Ozeanien kämpften und starben in diesem Krieg, den der deutsche und der italienische Faschismus sowie der japanische Großmachtwahn verursacht haben. In Abessinien standen sich Afrikaner auf beiden Seiten der Front gegenüber, in Burma kämpften hunderttausend Soldaten aus West- und Südafrika gegen die japanischen Streitkräfte, in Frankreich Zehntausende Inder gegen die Wehrmacht. Brasilianer kamen in Italien zum Einsatz, Koreaner im Südpazifik. Von China über Vietnam bis nach Indonesien und den Philippinen operierten einheimische Guerillatruppen gegen die alten Kolonialherren und die neuen Besatzer.
Viele Länder der Dritten Welt wurden zu Schlachtfeldern, andere lieferten Rohstoffe für die Kriegsproduktion. Millionen Menschen dienten den Krieg führenden Streitkräften als Lastenschlepper und Bauarbeiter, Pfadfinder und Küstenwächter, Aufklärer hinter feindlichen Linien und Bergungstrupps für verwundete Soldaten. Hunderttausende Frauen wurden Opfer sexueller Gewalt. Allein die Japaner verschleppten 200.000 Filipinas und Koreanerinnen in ihre Militärbordelle.
Die Hilfstruppen und Hilfsarbeiter aus der "Dritten" Welt wurden schlechter entlohnt, verpflegt, untergebracht und behandelt als ihre "Kameraden" aus der "Ersten". Streiks und Revolten gegen diese Ungleichbehandlung wurden mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Allerdings war die Dritte Welt nicht bloß Opfer in diesem Krieg. Antikoloniale Bewegungen im Nahen Osten (von Ägypten über Palästina bis in den Irak und den Iran) und in Asien (von Indien und Burma bis Thailand und Indonesien) sympathisierten mit den faschistischen Mächten und stellten Hunderttausende Freiwillige für deren Krieg. 3000 Rekruten der von den Nazis ausgehobenen "Indischen Legion" ließen sich 1944 sogar in die Waffen-SS eingliedern und verübten Massaker an der französischen Zivilbevölkerung. Auch davon berichtet dieses Buch.

Auf der Basis langjähriger Recherchen der AutorInnen in über dreißig Ländern Afrikas, Asiens und Ozeaniens werden die Folgen des Zweiten Weltkrieges für die Dritte Welt in diesem Buch erstmals aus Sicht von Betroffenen beschrieben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.04.2005

Vergessen, verdrängt und scheinbar unbedeutend
Eine Erinnerung an die im Weltkrieg kämpfenden Soldaten und zivilen Opfer aus ehemaligen Kolonien
In den Geschichtsbüchern ist von ihnen kaum die Rede, in den zahlreichen Fernsehsendungen über den Zweiten Weltkrieg kommen sie nicht vor: Die Soldaten, Piloten, Lastenträger, Küstenwächter, Funker und Kundschafter aus den ehemaligen Kolonien. Sie kämpften auf Seiten der Alliierten, zum Teil aber auch in den Armeen Deutschlands, Italiens und Japans. Wenig beachtet sind auch die zivilen Opfer in vielen Regionen der Dritten Welt oder die Zerstörung von Städten durch Bombenangriffe, etwa an der indischen Ostküste.
Für wie unbedeutend das Thema erachtet wird, zeigt sich nicht zuletzt auch an der knappen Finanzausstattung des zehnjährigen Rechercheprojektes, mit dem das „Rheinische JournalistInnenbüro Köln” zu kämpfen hatte. In über 30 Ländern haben die zwölf Autoren Mitglieder von Veteranenverbänden und andere Zeitzeugen interviewt, Schlachtfelder besucht und in Archiven geforscht. Die Ergebnisse liegen jetzt vor, und die Herausgeber des Buchs kommen zu dem Schluss: „Ohne den Beitrag der Kolonialisierten hätte der Zweite Weltkrieg einen anderen Verlauf genommen, und die Befreiung der Welt vom deutschen und italienischen Faschismus sowie vom japanischen Großmachtwahn wäre noch schwieriger und langwieriger gewesen.”
Die Soldaten aus den damaligen Kolonien waren keine ebenbürtigen „Kameraden” ihrer weißen Mitkämpfer, weder in der Militärhierarchie, in der Kleidung, in der Verpflegung und Besoldung noch in der Unterbringung. Die Ungleichbehandlung setzte sich auch nach dem Krieg fort: Veteranen erzählen, wie sie in ihr Land zurückkehrten und mit einer kleinen Abfindung abgespeist worden seien. Bis heute kämpfen sie für Kriegsrenten.
Der Hawaiianer Kekuni Blaisdell berichtet über den Angriff auf Pearl Harbour, wie das Kriegsrecht auf den Inseln ausgerufen und ein Viertel des Bodens, Kokosplantagen und Taro-Felder, von der US-Armee für Militäranlagen beschlagnahmt und nie wieder zurückgegeben wurde. Das Buch erzählt von Edouard Kouka Quédrogo aus Obervolta, der 1939 Unteroffizier des Sechsten Bataillons der Tirailleurs Sénégalais war, wie die Franzosen die Kolonialsoldaten aus Westafrika nannten. Nach Kämpfen an der Somme geriet er 1940 in deutsche Gefangenschaft. „Meine Gefangennahme durch die Boches habe ich bis heute nicht vergessen, ich hatte schon in Ouagadougou ,Mein Kampf‘ gelesen und wusste, dass ich für die Deutschen nicht besser war als ein Affe”, erzählt er. Nach knapp zwei Jahren Zwangsarbeit gelang es ihm zu fliehen, dann schloss er sich der Résistance an und gehörte 1944 zu den Befreiern von Paris. Wie viele andere zurückgekehrte Kriegsteilnehmer auch (zum Beispiel Léopold Senghor und Frantz Fanon), spielte er eine wichtige Rolle in den antikolonialen Bewegungen.
Kuma Ndumbe III., Professor an der Universität Yaoundé, fällt im Vorwort leider hinter die differenzierten Ausführungen der Herausgeber zurück, verliert den Holocaust aus den Augen und strapaziert den Opferbegriff sehr. So bezeichnet er die „Stimm- und Sprachlosen” aus den Kolonien als die „eigentlichen Verlierer” im Gegensatz zu Deutschland, Italien und Japan. Die eigenständige Entscheidung für den Kriegsdienst, die es neben den Zwangsrekrutierungen in vielen Fällen gab, lässt er unter den Tisch fallen. Und in Asien, von Indien und Burma bis Thailand und Indonesien, sympathisierten Hunderttausende mit den faschistischen Mächten und meldeten sich freiwillig für den Krieg. Die Autoren erwähnen auch die 3000 Rekruten der „Indischen Legion” innerhalb der Wehrmacht, die sich 1944 in die Waffen-SS eingliedern ließ und Massaker an der französischen Zivilbevölkerung verübte.
Das journalistisch gehaltene und engagiert geschriebene Buch ersetzt keine wissenschaftliche Arbeit zum Thema. Es bietet aber einen sehr profunden Überblick zu diesem vernachlässigten Kapitel der Weltgeschichte.
ANKE SCHWARZER
RECHERCHE INTERNATIONAL E.V. (Hg.): Unsere Opfer zählen nicht. Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg. Verlag Assoziation A, Berlin/Hamburg, 2005. 444 Seiten, 400 Fotos und 10 Karten, 29,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In über 30 Ländern haben die Autoren dieses Sammelbandes, der sich mit den Soldaten und den Opfern unter den Zivilisten aus den ehemaligen Kolonien beschäftigt, recherchiert, streicht Anke Schwarzer heraus. Die Ergebnisse ihrer Zeitzeugenbefragungen und ihre Forschungen auf Schlachtfeldern und in Archiven machen deutlich, dass die Menschen aus den ehemaligen Kolonien weder im Krieg noch danach ihren weißen Mitkämpfern gleichgestellt waren, so die Rezensentin. Sie findet, dass dies ein wichtiger Band ist, weil er die vergessenen Opfer des Zweiten Weltkrieges wieder ins Bewusstsein holt. Lediglich das Vorwort von Kuma Ndumbe III. hat die Rezensentin enttäuscht, denn er "strapaziert" ihrer Meinung nach den "Opferbegriff" allzu sehr und konzentriert sich ganz auf die Zwangsrekrutierten, während er die freiwilligen Soldaten und Nazi-Sympathisanten "unter den Tisch fallen" lässt. Trotzdem zeigt sie sich insgesamt sehr eingenommen und sie betont, dass wenn das "journalistisch gehaltene" Buch auch die "wissenschaftliche" Beschäftigung mit dem Thema nicht ersetze, so biete dieser "engagiert geschriebenen" Band dennoch einen "profunden Überblick".

© Perlentaucher Medien GmbH