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In den »Beleidigungen des Glücks« zeichnet Bruno Preisendörfer zutiefst menschliche Figuren, die mit unvorhersehbaren Ereignissen ebenso umgehen müssen wie mit den lähmenden Gewohnheiten des Alltags. Da ist beispielsweise die Rede von Hans, der ein Leben lang an seinem Haus baut. Im Obergeschoß soll später einmal seine Tochter Silvia mit ihrer Familie leben. Doch als Silvia erwachsen ist, zieht sie mit ihrer unehelichen Tochter in eine andere Stadt und kehrt erst nach Hans Tod in ihr Elternhaus zurück. Oder die Geschichte von Winfried und Bettina, die zusammen eine Affäre haben. Bettina…mehr

Produktbeschreibung
In den »Beleidigungen des Glücks« zeichnet Bruno Preisendörfer zutiefst menschliche Figuren, die mit unvorhersehbaren Ereignissen ebenso umgehen müssen wie mit den lähmenden Gewohnheiten des Alltags. Da ist beispielsweise die Rede von Hans, der ein Leben lang an seinem Haus baut. Im Obergeschoß soll später einmal seine Tochter Silvia mit ihrer Familie leben. Doch als Silvia erwachsen ist, zieht sie mit ihrer unehelichen Tochter in eine andere Stadt und kehrt erst nach Hans Tod in ihr Elternhaus zurück. Oder die Geschichte von Winfried und Bettina, die zusammen eine Affäre haben. Bettina verläßt ihren Lebensgefährten, kehrt aber nach einiger Zeit zurück, schließlich haben sie während ihrer Trennung öfter miteinander geredet als vorher. Winfried hingegen verheimlicht seiner Frau die Affäre, denn mit seiner Ehe hatte das nichts zu tun. Vom Seitensprung seiner Frau weiß er nichts. Meisterhaft lotet Bruno Preisendörfer das Miteinander von Männern und Frauen aus, ob als Liebespaar, Ehepartner oder Familienangehörige. Dabei verleiht seine ebenso pointierte wie poetische Sprache den »Beleidigungen des Glücks« eine melancholische Schönheit, die uns Vertrautes in neuem Licht zeigt und Unbekanntes vertraut werden läßt.
Autorenporträt
Bruno Preisendörfer, geb. 1957 in Unterfranken, lebt als Schriftsteller und freier Publizist in Berlin. Er arbeitete jahrelang als Redakteur beim Berliner Stadtmagazin Zitty, danach als Kolumnist beim Tagesspiegel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2006

Bis zur letzten Stufe
Haarrisse im Gefühl: Bruno Preisendörfer warnt vor den „Beleidigungen des Glücks”
Kaum etwas ist schwerer fassbar als das Glück. Wer vom Unglück redet, ist auf der sicheren Seite. Vom Glück aber sollte man besser schweigen. Den glücklichen Moment scheint es zu geben, aber ein ganzes glückendes Leben? Oder auch nur einen geglückten Tag, dem Peter Handke einmal versuchsweise auf den Grund gegangen ist? Man sollte das Glück nicht herausfordern, und gut beraten ist, wer es nicht beleidigt. Worin aber könnte eine solche Beleidigung bestehen? In einem Nichterkennen des Glücks, oder darin, dass man es verschmäht, sich womöglich gar nicht erst darum schert?
Von der Wiege an die Bahre
Der Berliner Autor und Journalist Bruno Preisendörfer hat einen Erzählband mit dem Titel „Die Beleidigungen des Glücks” vorgelegt, und die Frage, was es mit dem Glück und dessen Beleidigungen auf sich hat, hält er in einer irisierenden Schwebe. Das Glück nämlich ist immer der Ort, an dem man noch nicht war. Die Titelgeschichte in Preisendörfers eindrucksvollem Buch - kein Debüt, denn der Autor veröffentlichte vor vier Jahren unter dem Pseudonym Bruno Richard den Roman „Desaster” - schildert lange und gleichmütig eine Lebensbahn, die in ihrem ganz und gar gewöhnlichen Verlauf schon wieder staunen macht. In einem kursiv gesetzten Prolog erfährt man alles, was auf 70 Seiten folgt: „Hans wird geboren, wächst auf, geht vom Land in die Stadt, arbeitet in einer Fabrik, tanzt mit einem Mädchen, heiratet, geht zur Arbeit, baut ein Haus, zeugt eine Tochter, baut weiter an seinem Haus, geht zur Arbeit, bestellt den Garten, renoviert das Haus, geht in Rente. Dann pflanzt er einen Birnbaum, der ihm nicht mehr über den Kopf wächst, und stirbt.”
Geburt, Arbeit, Tod - ein Lebenslauf in hedonistischer Selbstverwirklichung sieht anders aus; mehr hat das mit der Unhintergehbarkeit des Alltäglichen zu tun. Die sehr simple Form des Erzählens scheint die Gleichmütigkeit des Geschehens fast zu überhöhen: Alles wirkt schicksalhaft und beliebig zugleich, es geht treppauf und treppab, bis „endlich die letzte Stufe” geschafft ist. Das Glück aber liegt immer um die Ecke, ist unerreichbar. Gleichwohl ist da eine unabweisbare Zuversicht: „Hans wird Johanna immer lieben, lange begehren und nie betrügen, und ihr wird es mit ihm genauso gehen.” Als seine Frau Johanna vor ihm stirbt, hört die Liebe nicht auf. Hans führt Selbstgespräche, aber eigentlich spricht er mit der Toten, spinnt einen Dialog fort. In ein anrührendes Schlussbild ist das gefasst: Er isst die Vorräte nach und nach auf, die noch von Johanna eingemachte Marmelade, das eingelegte Gemüse, „aber nach drei, vier Jahren war doch alles weg, erst wollte ich gar nichts mehr davon essen, als ich merkte, dass es immer weniger wurde, habe die Gurken rationiert und die Marmelade im Supermarkt gekauft, aber dann habe ich die letzten Gläser aufgebraucht, siehst du, da stehen sie im Regal, allesamt leer gegessen und kein Nachschub in Sicht”.
Preisendörfer schreibt eine Präzisionsprosa, die, paradoxerweise, den Erzählungen unendlich viel Freiraum lässt, sich in den Köpfen des Lesers auszubreiten, weiterzuwuchern in die eigenen Lebenserfahrungen hinein. Es geht vor und zurück, die Vergangenheit ist in der Zukunft und Gegenwart, die Gegenwart in der Vergangenheit und Zukunft aufgehoben. Es ist auf anrührende Weise unspektakulär, was hier erzählt wird: sachlich und von Deutungswut kein bisschen getrübt, sodass einem die Figuren nahe kommen wie sonst nur Nachbarn, die am Küchentisch ihr Herz ausschütten.
Es ist eben vorbei
Die Temperatur dieser Sachlichkeitsprosa liegt gleichwohl knapp unter null, als ob die in den Protagonisten zweifellos brodelnden Leidenschaften heruntergekühlt werden müssten, um die offensichtliche Traurigkeit erträglich machen zu können. Preisendörfers Sätze scheinen in eine Leere hineingestellt, aus der es keinen Ausgang gibt: „Wenn sie einander in die Augen schauen, sehen sie nichts Feindseliges. Es ist eben vorbei.” Kunstfertigkeit muss hier nicht ausgestellt werden; sie besteht vielmehr in einer unaufgeregten Beiläufigkeit. Besonders schön lässt sich das in der ersten von insgesamt neun Geschichten beobachten. In „Ringe” erzählt Preisendörfer vom Lebenslauf der Triebe, ein Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel zweier Paare in mittleren Jahren, deren scheinbar vorbestimmte Wege sich dann doch noch einmal kreuzen oder abrupt eine Biegung machen. „Das ist das Schlimmste am Leben, man hechelt immer hinterher”, heißt es einmal, und tatsächlich versuchen die Figuren Anschluss an die Geschehnisse zu halten. Immer sind die Gefühle den Handlungen oder die Handlungen den Gefühlen voraus. Es geht bei Preisendörfer nicht um die großen Erschütterungen, sondern um „Haarrisse im Gefühl”: Sie sind das Gefährlichere, denn sie zerstören schleichend. Den Figuren sind die Ereignisse, die ihren ganzen Lebensentwurf durcheinanderwirbeln, kein Rätsel; aber doch haben sie kaum Lösungen parat. Was sie sehen und lesen, hat immer mit der eigenen Situation zu tun, selbst ein Buch über Astrophysik: „In der Nähe eines Schwarzen Lochs kann ein Partner des Teilchenpaars ins Schwarze Loch fallen und es den anderen Teilchen ermöglichen, ins Unendliche zu entweichen.”
Nicht in allen Geschichten geht das Projekt einer Phänomenologie des Glücks oder Unglücks so gelungen auf. Wenn Preisendörfer über ein Paar schreibt, das ein Kind erwartet, dann aber erfährt, dass die Frau an Krebs erkrankt ist, wird deutlich, was mit dem Titel des Bandes gemeint ist. „Wie gerührt man von sich selber sein kann, wenn man glücklich ist und sich ein wenig darüber lustig macht. Dann fängt der Arzt wieder an, von ‚dem anderen‘ zu sprechen, da ist noch etwas anderes, Frau Mai.” Das andere ist immer das Bedrohliche, das Willkürliche. Das andere ist die Beleidigung des Glücks.ULRICH RÜDENAUER
BRUNO PREISENDÖRFER: Die Beleidigungen des Glücks. Erzählungen. Liebeskind Verlag, München 2006. 268 Seiten, 18,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als "Urszenen des Lebens" feiert Rezensent Gustav Mechlenburg Bruno Preisendörfers neue Erzählungen. Das Besondere an ihnen ist für ihn das Fehlen von jeglichem Pathos. Stattdessen glänzt der Autor Mechlenburgs Ansicht nach mit einem "klage- und schnörkellosen Stil", verheddere sich nie im "tragischen Potenzial seiner Figuren", obwohl es denen in den Geschichten meistens "dreckig" gehe, sie krank, verliebt oder ohne Hoffnung seien. Außerdem gingen die Erzählungen niemals indiskret mit dem Unglück der Figuren um.

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