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Martin Mosebach ist Vertreter einer raren Gattung: Unter den zahllosen, über Kunst schreibenden Autoren gehört er zu den sehr wenigen, die ihrer eigenen Wahrnehmung trauen. Die theoriebeladenen Endlosschleifen selbstverliebter Kritiker sind ihm zuwider. Denn Kunst braucht weder Manifeste noch konzeptuelle Krücken, sie liegt auf der Oberfläche. Martin Mosebachs hier versammelten Erkundungen in die Bilderwelt sind getragen von hoher ästhetischer Sensibilität und stilistischer Brillanz, sowie von einer stupenden Kenntnis der europäischen Geistesgeschichte. Diese ebenso seltene wie glückliche…mehr

Produktbeschreibung
Martin Mosebach ist Vertreter einer raren Gattung: Unter den zahllosen, über Kunst schreibenden Autoren gehört er zu den sehr wenigen, die ihrer eigenen Wahrnehmung trauen. Die theoriebeladenen Endlosschleifen selbstverliebter Kritiker sind ihm zuwider. Denn Kunst braucht weder Manifeste noch konzeptuelle Krücken, sie liegt auf der Oberfläche. Martin Mosebachs hier versammelten Erkundungen in die Bilderwelt sind getragen von hoher ästhetischer Sensibilität und stilistischer Brillanz, sowie von einer stupenden Kenntnis der europäischen Geistesgeschichte. Diese ebenso seltene wie glückliche Verbindung eröffnet dem Leser wahrhaft unerhörte, die Neugier stets aufs neue entfesselnde Einblicke: Ingres, José Maria Sert, Miró, Meredith Frampton, Hrdlicka, Fabius von Gugel, Schermuly, Marcel Broodthaers, selbst die Schöpfer des American Pin up - sie alle sind Protagonisten dieser außerordentlich unterhaltsamen, durch unerwartete Wendungen faszinierenden Reise ins Reich der Kunst.
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Autorenporträt
Mosebach, MartinMartin Mosebach, Jahrgang 1951, Erzähler und Essayist, lebt in Frankfurt am Main. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter 2005 den Kranichsteiner Literaturpreis des Deutschen Literaturfonds sowie im Jahr 2007 den Büchner-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei zu Klampen veröffentlichte er »Du sollst dir ein Bild machen« (2005) und »Das Rot des Apfels« (2011).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2005

Kein Glück ohne Verbote
Wie ein gut gearbeitetes Gebiss: Martin Mosebachs Künstler-Essays
Die beiden Bücher, die Martin Mosebach in diesem Herbst publiziert, sollte man zusammenlesen, nacheinander, nebeneinander oder durch eine Gleitsichtbrille gleichzeitig. Sie gehören schon äußerlich zusammen, weil derselbe Maler (Peter Schermuly - keine Erfindung des Autors!) die Motive zum Umschlag geliefert hat, sie könnten aber auch aus inneren Gründen sehr ähnlich heißen, wenn man den neuen Roman „Das Beben” umtauft in „Du sollst dir ein Bildnis machen” - in Analogie zu dem hier zu besprechenden Essay-Band „Du sollst dir ein Bild machen”. Und wenn dessen Untertitel „Über alte und neue Meister” lautet, dann ließe sich mit demselben Recht das ganze erste Buch des Romans unter den Titel stellen: „Über ‚neue‘ Meister”.
Denn auf den ersten hundert Seiten dieses Romans (SZ vom 27. August 2005) geht man eine Schießbudengalerie der Künstlerdarsteller ab. Ein Stararchitekt, der „ganzen Kontinenten ein neues Gesicht zu geben” gewohnt ist, macht den Anfang; der „Meister”, der danach auftritt und „organische Bahnhöfe und von russisch-bayerischen Goldkuppeln überragte Kraftwerke” errichtet, das ist natürlich Hundertwasser, den Mosebach jedoch mit André Heller kreuzt, denn der Alleskünstler ist gerade damit beschäftigt, ein „Fest der Phantasie” zu organisieren, einen „Triumphzug aus Akrobatik, Zauberei, Gaukelei, Dressur”. Dann trifft man auf den Künstlerfriseur Haag, die Hohlform für die in den Haarhochburgen Hamburg und München tätigen Maestri, und schließlich gelangen wir zum Dichter Ivan Schmidt, dessen Selbstinszenierung als Mannsbild und Kommunikator dafür entschädigt, dass der „große Roman” („über eine Nullposition im großen Weltkoordinatensystem”) von ihm noch nicht geschrieben wurde.
Nach dem ersten Buch (von dreien) hat man sich an diese Struktur des Romans als Galerie gewöhnt und ist bereit, mit dem Erzähler als Führer gerne weiter Bildnis für Bildnis abzuschreiten, denn er wird den Modellen und ihren Kernsätzen („Ich brauche keine Wände für Bilder, ich brauche Lichträume um meine Objekte”) nicht nur unerbittlich gerecht, es schreien ja noch so viele Künstlerchargen nach Berücksichtigung - die Kanzleramtsausstatter und Nationalkünstler, die Cracks des Computerimagineering, die Lichtkünstler und Sammler-Magnaten, Gastkuratoren, Holocaustikonographen und wer da noch um diesen großen Narzissus-Pool, Kunst heute genannt, herumsitzt. Aber nein, die Erzählung verlässt nach dem ersten Buch die westliche Institution der Galerie und widmet sich auf einem fernen Subkontinent dem schwierigen Geschäft der indogermanischen Völkerfreundschaft.
Man wechselt zum Essayband, der eine Reihe literarischer Porträts von bildenden Künstlern aneinanderreiht und nach dem hochironischen Modus des Romans in einem ganz anderen Ton verfasst ist: ernsthaft, klug, engagiert, solidarisch und mit demselben Einsatz für Berühmtheiten und No-Names. Diese Scheidung in zwei Wertsphären und Vortragsarten ist ein Schwachpunkt, der weniger dem Autor Mosebach als generell der Verfassung unserer Kunstschriftsstellerei anzulasten ist. Es kann und darf eigentlich nicht sein, dass ein Dutzend Essays über meist zeitgenössische Künstler rundum positiv ausfällt und sie im Roman alle ihr Fett wegkriegen. Und diese Unwahrscheinlichkeit ermächtigt uns Leser, die hier gezogene Grenze auf ihre Durchlässigkeit zu testen.
Mosebach stellen wir uns immer ein wenig wie den Arnheim Robert Musils vor, vor allem, wenn er sagen darf: „Eine Zeit, in der alles erlaubt ist, hat noch jedesmal die in ihr gelebt haben unglücklich gemacht. Zucht, Enthaltsamkeit, Ritterlichkeit, Musik, die Sitte, das Gedicht, die Form, das Verbot, alles das hat keinen tieferen Zweck, als dem Leben eine eingeschränkte und bestimmte Gestalt zu verleihen. Es gibt kein grenzenloses Glück. Es gibt kein großes Glück ohne große Verbote.” Der gutsitzende Konservativismus Mosebachs verlangt nach echter Meisterschaft, nach Handwerklichkeit, nach Gegenständlichkeit, nach historischem Bewusstsein, nach Klassizität, nach Werkgeschlossenheit.
Stempel der Zeit auf Blättern
Aber wenn man sich dann genauer den in diesem Band abgesteckten Kanon anschaut, dann passen Alice im Wunderland und James Joyce genauso hinein wie Rebecca Horn, Marcel Broodthaers und Alfred Hrdlicka, und dann wird einem über „die Wirkung lebendiger Tradition” mitgeteilt: „Wo sie am meisten befremdet, ist man ihrem Ursprung am nächsten.” Wenn das aber so ist, dann darf das Verschieben über die Grenze zwischen den Wertungen und Büchern beginnen. Den ersten, den wir zum Beispiel in den Roman hinübergeleiten würden, das wäre Alfred Hrdlicka, der in den Fächern High-Kitsch und verhaltensauffälliges Künstlertum die exakte Entsprechung zu Hundertwasser verkörpert - nur umgekehrt eben, die Bereiche des Sauren, Verkrampften und des ewigen Nein bearbeitend. Mosebach sieht das ganz anders, aber er muss auch nicht so oft an einer von Hrdlickas grausam missratenen Gedenkstätten vorbei.
Während Hrdlicka nur zu real ist, möchte man den englischen Society-Porträtisten Meredith Frampton für eine Erfindung Mosebachs halten. Aber diesen Schöpfer dünnpinselig-hyperpräziser Effigies hat es gegeben. Und wie viele von Mosebachs friends and relations arbeitet er seinem Entdecker direkt zum Beispiel, wenn er sagt: „Ich empfinde beim Anblick der Arbeit eines Dentisten, bei einem gutgearbeiteten Gebiss zum Beispiel ebenso viel Vergnügen wie beim Anblick eines Gemäldes.”
Den besten Traditionen der Essayistik folgend, erfindet Mosebach die Parameter zur Beurteilung eines Künstlerindividuums und seines Œuvres jeweils neu. Wenn es eine Autorität und einen Referenzrahmen für diese sprachlichen Kunststücke gibt, dann ist das jenes Europa, das früher das Abendland hieß. Wir mögen uns täuschen, aber das Bild auf dem Cover, das könnte die mythische Europa zeigen, die in dem von ihr beäugten Gemälde die Inkarnation des Stieres erwartet. Der Hinweis auf die so hergestellte Tiefe der Zeit ist dringend zu beachten, denn wenn Mosebach einen Maler einen „westlichen Maler” nennt, dann sollte man besser nicht an „westlich” im Sinne von „Ost-West-Konflikt” und „nach 45” denken. Mosebach meint einen Westen, der nach der Errichtung des Reiches von Byzanz übrigblieb.
Die Verfügung über Imperien und Perioden, die übrigens im zweiten Teil des Romans „Das Beben” ihr ideales Betätigungsfeld gefunden hat, erinnert manchmal an Gottfried Benn, verfolgt aber weder dekorative Zwecke wie bei diesem und ist auch nicht in kulturkritischer Melancholie als Sicherungskopie angelegt. Mosebachs Markenzeichen ist die Katalyse seines stupenden Wissens durch die strong opinion.
Diese produziert sich nicht als rechthaberische Ableitung aus scheinbar ewigen Prinzipien, sondern ist ein heftiger und oft gewagter Hinweis - auf die unnötigen Verluste, Verkennungen, Ängstlichkeiten und mangelnden Solidaritäten angesichts großer Reichtümer. „Griechischunterricht auf einem deutschen humanistischen Gymnasium konnte einem Griechen das Fürchten lehren - jedenfalls solange er erteilt wurde; das folgenreichste Buch der griechischen Antike, die Briefe des Apostels Paulus, wurde dort nicht gelesen, weil es nicht in der attischen Hochsprache abgefasst wurde.” Das sind Mosebach-Sätze.
„Wie heißt die Zeit, deren Stempel wir auf seinen Blättern lesen?” fragt er und meint den Graphiker Fabius von Gugel, von dem der Rezensent zuerst und zuletzt in Renée Hockes Manierismus-Buch Anfang der sechziger Jahre erfuhr. Die Frage stellt sich auch für andere „Revenants”, die in dieser Kollektion Urständ feiern, sie stellt sich nicht zuletzt für Mosebach selbst. In seinem Fall hielten wir die folgende Antwort für übertrieben: „Wäre da nicht in ihr ein lebensfreundlicher Funken von Lust und Spott, der wetterleuchtend die schwarz-weiße Szene vergoldet, man könnte meinen, es sei unsere eigene Gegenwart.” Irgendwann wird jemand über ihn schreiben: „Wo er am meisten befremdete, war er der Aktualität am nächsten.”
WOLFGANG KEMP
MARTIN MOSEBACH: Du sollst dir ein Bild machen. Über alte und neue Meister. Zu Klampen, Springe 2005. 230 Seiten, 19,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Durchaus zwiegespalten steht Rezensentin Brigitte Wernebach Martin Mosebachs zusammengetragenen Kunstbetrachtungen gegenüber. Zwar findet sie, ihm gelängen "originelle Funde", doch seine Würdigung hauptsächlich klassischer Genres wie Bildhauerei, Malerei und Zeichnung ist ihr zu konservativ. Großartig findet Wernebach allerdings den Aufsatz über den Muralisten Jose Maria Sert, der die Wände der Rothschild'schen Schlösser, des Waldorf Astoria oder des Rockefeller Centers illustrierte. Zumindest dieser Text sei, wie schon von Kollegen festgestellt wurde, "eine Einladung zum Denken", meint die Rezensentin.

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