Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 5,50 €
  • Gebundenes Buch

Die Türkei hat nach dem Ende des Kalten Krieges an geopolitischer Bedeutung gewonnen und seit dem 11. September 2001 wird ihr eine neue strategische Rolle innerhalb der NATO zugewiesen. Als Beitrittskandidat für die Europäische Union muss die Türkei zu durchgreifenden Veränderungen ihrer Politik bereit sein, sonst wird sie nicht Mitglied werden können.
Doch wie wurde die Türkei zu dem Staat, der sie heute ist?Wer war dieser Mustafa Kemal Atatürk, in dessen Namen innen- wie außenpolitisch bis heute türkische Politik betrieben wird?
Als junger nationalistischer Militär war Mustafa Kemal
…mehr

Produktbeschreibung
Die Türkei hat nach dem Ende des Kalten Krieges an geopolitischer Bedeutung gewonnen und seit dem 11. September 2001 wird ihr eine neue strategische Rolle innerhalb der NATO zugewiesen. Als Beitrittskandidat für die Europäische Union muss die Türkei zu durchgreifenden Veränderungen ihrer Politik bereit sein, sonst wird sie nicht Mitglied werden können.

Doch wie wurde die Türkei zu dem Staat, der sie heute ist?Wer war dieser Mustafa Kemal Atatürk, in dessen Namen innen- wie außenpolitisch bis heute türkische Politik betrieben wird?

Als junger nationalistischer Militär war Mustafa Kemal maßgeblich beteiligt, die Türkei in ihren heutigen Grenzen zu schaffen. Als Politiker betrieb er später eine Öffnung zur westlichen Welt, sorgte für die Abschaffung des Sultanats und die Gründung der Republik mit einer klaren Trennung von Staat und Religion. Er führte die lateinische Schrift ein, revolutionierte die Kleiderordnung und gab den Frauen das Wahlrecht. Er gewährte zahlreichen Flüchtlingen faschistischen Europas Exil und modernisierte mit ihrer Hilfe das Schul- und Universitätswesen sowie das Gesundheitswesen. Gleichwohl verfolgte er Oppositionelle und ethnische Minderheiten im eigenen Land skrupellos. Bis heute führt das türkische Militär in den kurdischen Gebieten eine Krieg gegen die eigene Bevölkerung.

Halil Gülbeyaz stellt in dieser kritischen Biografie das Leben und Wirken eines der umstrittensten Politiker des 20. Jahrhunderts umfassend vor. Der Autor recherchierte an Originalschauplätzen und wertete dort Archive und Bibliotheken aus. Zahlreiche türkische Quellen werden damit erstmals dem deutschen Publikum zugänglich gemacht und eröffnen neue Perspektiven auf den Politiker und Privatmann Mustafa Kemal Atatürk.

Autorenporträt
Halil Gülbeyaz wurde 1962 in Iskenderun (Türkei) geboren und kam 1979 nach Deutschland. Er studierte Film an der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt am Main. Heute lebt er als freier Fernsehjournalist in Hamburg. Neben Beiträgen für Fernsehmagazine hat er zahlreiche Dokumentarfilme veröffentlicht. Beim Internationalen Filmfestival in Parma erhielt er beim »Prix Leonardo für Wissenschaftsdokumentation« das goldene Zertifikat für seinen Film »Schätze im nassen Grab« (NDR 2002).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2003

Revolution von oben
Eine neue Biographie des türkischen Staatsgründers Atatürk
Am Ende des Ersten Weltkriegs, den das Osmanische Reich als Verbündeter Deutschlands verloren hatte, rückten neben Engländern und Italienern auch französische Truppen in Istanbul ein. General Franchet d’Ésperey ließ sich an jenem 8. Februar 1919 die Gelegenheit zu einer historischen Anspielung nicht entgehen. Auf einem Schimmel ritt er über teppichbelegte Straßen zur Hagia Sophia und imitierte so Sultan Mehmet den Eroberer, der nach der Einnahme Konstantinopels im Jahre 1453 genau auf diese Weise feierlich Besitz von der byzantinischen Kapitale genommen hatte.
Diese beeindruckende, aber auch beklemmende Szene erzählt Halil Gülbeyaz in seiner Biographie Mustafa Kemals, genannt Atatürk, des Gründers des modernen türkischen Staates, ja der modernen türkischen Gesellschaft. Man kann der Episode eine gewisse Symbolkraft nicht absprechen: Denn mit dem definitiven Untergang des lange schon geschwächten osmanischen Ancien Régime in der Niederlage von 1918 hielt tatsächlich der Westen Einzug in jenem Land, das nun erst aus einem übernationalen Völkeragglomerat zum Nationalstaat Türkei wurde.
Dieser Prozess – eine der schmerzhaftesten und erfolgreichsten Umwälzungen der Weltgeschichte – ist das Werk eines einzigen Mannes, eben des als Feldherr wie als Staatsmann gleichermaßen überragenden Mustafa Kemal. Ohne ihn hätte es einen türkischen Staat vielleicht gar nicht gegeben. Die siegreichen Alliierten hatten 1919 in einem ihrer schändlichen Pariser Vorortverträge das am Boden liegende Osmanische Reich mit einem Exzess von Rache überzogen, der noch weit über die Strafbestimmungen gegen Deutschland hinausging. Nicht nur wurden die arabischen und afrikanischen Gebiete der Osmanen endgültig abgetrennt und unter britische und französische Verwaltung gestellt – die heute noch bestehenden missratenen Ländergrenzen im Nahen Osten gehen auf diese Aufteilungen zurück –, sondern auch das kleinasiatische türkische Kernland trennten die Siegermächte in Einflusszonen auf, vor allem für Griechen und Italiener. Istanbul und die Dardanellen sollten internationalisiert werden.
Der General räumt auf
Diese im Namen des Völkerrechts getroffenen Bestimmungen von Sèvres waren allerdings so haarsträubend, dass ihre Annahme das osmanische Schattenregime seiner letzten Legitimität beraubte. In dem nun entstehenden Vakuum gelang es dem erfolgreichsten türkischen Weltkriegsgeneral, im Inneren Anatoliens und am Schwarzen Meer aus dem Nichts eine schlagkräftige Widerstandsarmee aufzubauen. Mustafa Kemal verjagte die fremden Besatzer, vor allem die grausame griechische Armee, in einem zweijährigen, ebenfalls unerhört grausamen Krieg. Die aus dem Westen im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Völker importierte Manie der ethnischen Säuberung fand hier ihren ersten Höhepunkt: Hunderttausende von kleinasiatischen Griechen wurden von den Türken buchstäblich ins Meer gejagt, während die thrakischen Türken nach Kleinasien umsiedeln mussten.
Ein neuer Friede wurde geschlossen, nicht zuletzt weil den Engländern der ungerechte erste Vertrag selbst peinlich geworden war. Unterdessen hatte im Inneren der Türkei selbst eine Revolution begonnen, die an Radikalität ohne Parallele ist. Mit dem letzten Sultan und Khalifen setzte man gewissermaßen Papst und Kaiser gleichzeitig ab; die arabische Schrift wurde durch das europäische Alphabet ersetzt; der Julianische Kalender wurde eingeführt; die Frauen wurden rechtlich gleichgestellt. Unter der Führung Mustafa Kemals wurden fremde Gesetzbücher, aus der Schweiz und aus Italien, einfach übersetzt und dem neuen Land übergestülpt. Innerhalb weniger Jahre verfielen so eine uralte Kultur und eine ganze Staatspraxis aus den Angeln der Nichtachtung. Über Nacht verlor die traditionelle Religion den größten Teil ihrer öffentlichen Geltung – und all das geschah mit minimalen Anknüpfungen innerhalb der umgestürzten Gesellschaft. Es war ein General, der dies im Verein mit einer westlich geprägten, hauchdünnen militärisch-technischen Elite bewerkstelligte, und so blieb es die Armee, die bis heute die nie ganz heimisch gewordene Ordnung garantiert.
Import westlicher Soziologie
Dieses Drama erzählt Halil Gülbeyaz farbig und faktenreich, doch ohne hinreichende Hintergründe. Der Leser folgt einigermaßen atemlos einer Chronik, die den erstaunlichen Aufstieg Mustafa Kemals, seine militärischen Leistungen und seine Reformen zuweilen sogar von Tag zu Tag vergegenwärtigt – und hat doch die ganze Zeit das Gefühl, gar nicht recht zu verstehen, was vorgeht. Denn Gülbeyaz gibt kein Bild der osmanisch-türkischen Welt, die zur Knetmasse dieses Willensmenschen wurde; aber auch Kemals eigene Motive bleiben im Sturm der Ereignisse undeutlich. So erfahren wir nicht, dass dieser hochbegabte, eigensinnige und überaus großmütige Offizier ein Anhänger der Theorien Auguste Comtes gewesen ist. Damit entgeht uns die schöne Pointe, dass es 1917 in Sankt Petersburg und 1920 in Ankara die westeuropäische Soziologe von 1850 war, die den Geist lieferte: eine beunruhigende Disziplin, die noch nach Jahrzehnten solche Wirkungen ausüben kann!
Im Augenblick ist jedes Buch zur türkischen Geschichte willkommen – schließlich wird die Debatte über den EUBeitritt der Türkei derzeit noch von deutschen Nationalhistorikern bestimmt. Gülbeyaz gut geschriebenes Buch verdient Leser, die allerdings mindestens ein weiteres Handbuch daneben legen sollten. Wer Atatürks Werk, die von oben geplante Verwestlichung eines islamischen Landes, betrachtet, begreift, warum der so gewaltsam angestoßene Prozess bis heute noch nicht abgeschlossen sein kann. Die Versöhnung muss erst noch kommen.
GUSTAV SEIBT
HALIL GÜLBEYAZ: Mustafa Kemal Atatürk. Vom Staatsgründer zum Mythos. Parthas Verlag, Berlin 2003. 255 Seiten, 28 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2003

Der Mann aus Saloniki
Halil Gülbeyaz beschreibt das bewegte Leben von Mustafa Kemal Atatürk

Halil Gülbeyaz: Mustafa Kemal Atatürk. Vom Staatsgründer zum Mythos, Parthas Verlag Berlin 2003, 251 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, 28 Euro.

Rechtzeitig zum 80. Jahrestag der Türkischen Republik sowie zum 65. Todestag ihres Gründers (10. November 1938) ist eine neue Atatürk-Biographie erschienen. Es ist die erste Darstellung in deutscher Sprache seit Dietrich Gronaus Arbeit aus dem Jahre 1994. Der Autor, Halil Gülbeyaz, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Weg Mustafa Kemal "Paschas" vom "Staatsgründer zum Mythos" nachzuzeichnen. Dabei ist ein ebenso lehrreiches wie lesbares Buch entstanden.

Die große wissenschaftliche Biographie des "Grauen Wolfes" ist auch diese Arbeit nicht. Doch bemüht sich der Verfasser erfolgreich um die Lichtung so manchen Nebels, den verklärende Darstellungen um diese unbestreitbar große Figur gewoben haben. Allzu Anekdotisches wird weggelassen oder kritisch befragt. Das Buch enthält sich im allgemeinen der üblichen Lobhudeleien, die vor allem in vielen türkischen Darstellungen den Heldenkult befördern. Das hat Atatürk, einer der bedeutendsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts, nicht nötig.

In zwei Teilen schildert Gülbeyaz den mehr als bewegten Lebenslauf des "Mannes aus Saloniki", der - zum Militär ausgebildet - zeitlebens strategisch dachte, von eisernem Willen beseelt war und ihn seinem Volk aufdrückte - zu dessen Nutzen. Was die Türkei heute ist, verdankt sie, wenn auch nicht ohne ihre spätosmanische Vorgeschichte, in der manches schon angelegt war, Atatürk, der seine Karriere unter dem Einfluß der Jungtürken begann, später eigene Wege ging, dabei viele Gleichgesinnte um sich scharend. Im Ersten Weltkrieg war er so ziemlich der einzige osmanische Truppenführer, der militärische Erfolge vorzuweisen hatte (etwa auf Gallipoli, wo er die Engländer scheitern ließ). Mit dem damaligen starken Mann des Reiches, dem Kriegsminister und Schwiegersohn des Sultans und Kalifen, Enver Pascha, verband ihn eine herzliche Abneigung. Von Enver wird ein Spruch über Atatürk überliefert: "Ihr kennt ihn nicht. Wenn man ihn zum General befördert, wird er Sultan sein wollen, wenn man ihn zum Sultan macht, wird er Gott sein wollen."

Daß Kemal Pascha brennend ehrgeizig war, ist richtig. Doch er war auch ein Mann der Vision. Es grenzt tatsächlich ans Unglaubliche, wie sehr es diesem vom Balkan stammenden Türken gelang, seine schon am Ende des 19. Jahrhunderts im Kopf entworfenen radikalen, die gesamte türkische Kultur umwälzenden Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Lebendig, immer wieder ergänzt durch die Zeugnisse der Gefährten Atatürks, schildert der Verfasser, wie Kemal nach dem Zusammenbruch des Reichs die nationalen Kräfte vom Osten Anatoliens aus um sich scharte, die Truppen der westlichen Mächte, das Kalifatsheer und schließlich die griechischen Invasionstruppen, die weit nach Anatolien vorgedrungen waren, vertrieb, die Einheit der Türkei rettete und 1923 die Republik ausrief.

Im zweiten Teil werden die umfassenden Reformen behandelt, die nicht ohne Widerstände über die Bühne gingen. Sie machten aus dem osmanischen Religionsstaat einen modernen Nationalstaat, der den zivilisatorischen Sprung nach Westen, nach Europa hin unternahm - ein Weg, den die Türkei seither, trotz mancher Rückschläge, fortgesetzt hat.

Gülbeyaz verschweigt die dunklen Seiten in der Person Atatürks nicht: seinen Hang zum Autokratischen, ja Despotischen, zur Rechthaberei, seine Trunksucht, die ihm schließlich zum Verhängnis wurde, als er 1938 in auch für das Land zu jungen Jahren verstarb, seine sexuelle Unstetigkeit. Mitleidlos ging er bisweilen mit Gegnern um: der Widerstand von Minderheiten wie Kurden, Armeniern oder religiösen Traditionalisten wurde mit brutaler Gewalt gebrochen. Mit vielen seiner alten Kampfgefährten zerstritt er sich, etwa mit Rauf Orbay oder Ismet Inönü. Die Traditionen der orientalischen Despotie bekämpfte er oft genug gerade mit jenen Mitteln, welche diese zur Verfügung stellte: um des Fortschritts willen. An diesem autokratischen Charakter vieler Reformen, die freilich von der großen Mehrzahl der Türken begrüßt wurden und werden, leidet das Land in gewisser Weise bis heute. Man denke nur an die teils förderliche, teils hemmende Rolle der Armee. Zahlreiche historische Fotos ergänzen den Band, der auf spannende Weise zeigt, was historische Größe sein kann, mit ihren Höhepunkten, aber auch den kaum vermeidlichen Schattenseiten.

WOLFGANG GÜNTER LERCH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Das öffentliche Interesse an der Türkei ist seit dem 11. September 2001 und dem Irak-Krieg so groß wie schon lange nicht mehr. Der mögliche Beitritt zur EU und eine gewachsene strategische Rolle in der NATO lassen Fragen nach dem Land, seiner Geschichte und dem politischen System entstehen: Wie wurde die Türkei zu dem Staat, der sie heute ist? Wer war dieser Mustafa Kemal Atatürk, in dessen Namen innen- wie außenpolitisch bis heute türkische Politik betrieben wird? Seit dem Tode Mustafa Kemal Atatürks 1938 war die Türkei noch nie so zerrissen, so voller Widersprüche wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Ein Land zwischen zwei Kontinenten, zwei sozialen Welten, ein Leben zwischen dem Halbmond des Islam und dem kemalistischen Laizismus, der Trennung von Staat und Religion.
Der Autor stellt in seiner kritischen Biografie das Leben und Wirken eines der umstrittensten Politiker des 20. Jahrhunderts umfassend vor. Er recherchierte an Originalschauplätzen und wertete dort Archive und Bibliotheken aus. Zahlreiche türkische Quellen werden damit erstmals dem deutschen Publikum zugänglich gemacht und eröffnen neue Perspektiven auf den Politiker und Privatmann Mustafa Kemal Atatürk.

(Gisela Mohr, Parthas Verlag, Presse)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wolfgang Günther Lerch ist voll und ganz überzeugt von diesem ebenso lehrreichen wie lesbaren Buch über den türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk. Spannende und lebendig, meint Lerch, erzähle Halil Gülbeyaz den bewegten Lebenslauf dieses brennend ehrgeizigen Militärs, der seinen eisernen Willen einem ganzen Volk aufdrückte - zu dessen eigenem Vorteil allerdings. Für Lerch grenzt es auch nach der Lektüre ans Unglaubliche, wie es dieser Mann geschafft hat, seine Vorstellungen, die die gesamte türkische Kultur umwälzen sollten, in die Tat umzusetzen. Dankbar ist Lerch dem Autor, dass er auf allzu Anekdotisches und jegliche Lobhudelei verzichtet, ohne dabei Atatürks Schattenseiten zu verschweigen. Dass das Buch nicht "die große wissenschaftlich Biografie" geworden sei, wie Lerch einräumt, scheint ihm dabei gar nicht zum Nachteil zu gereichen. Denn Gülbeyaz zeige, so der FAZ-Kritiker, was historische Größe sein kann.

© Perlentaucher Medien GmbH