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Die Stoffe der Tragödien stammen aus der Wirklichkeit - der Komödiendichter hingegen erschafft seine Figuren in ihrer Gesellschaft mit allen Beziehungskonflikten und glücklichen Erfüllungen aus der reinsten Phantasie; seine Stoffe sind Erfindungen des freiesten Geistes für eine Welt der Möglichkeiten, die noch nicht wirklich sind. In Shakespeare und seinen Menschen, diesen »natürlichen und doch geheimnisvollsten und zusammengesetztesten Geschöpfen der Natur« (Goethe), hat die Komödie ihre höchsten Gipfel erreicht, für Hegel die Erfüllung der Weltgeschichte, »von der sie selbst die schönste…mehr

Produktbeschreibung
Die Stoffe der Tragödien stammen aus der Wirklichkeit - der Komödiendichter hingegen erschafft seine Figuren in ihrer Gesellschaft mit allen Beziehungskonflikten und glücklichen Erfüllungen aus der reinsten Phantasie; seine Stoffe sind Erfindungen des freiesten Geistes für eine Welt der Möglichkeiten, die noch nicht wirklich sind. In Shakespeare und seinen Menschen, diesen »natürlichen und doch geheimnisvollsten und zusammengesetztesten Geschöpfen der Natur« (Goethe), hat die Komödie ihre höchsten Gipfel erreicht, für Hegel die Erfüllung der Weltgeschichte, »von der sie selbst die schönste Seite und den besten Lohn für die sauren Mühen der Erkenntnis ausmacht.« Jede der Shakespeareschen Komödien hat ihre eigene Gestalt, ihre eigene poetische und dramaturgische Physiognomie, die sowohl ein möglichst genaues als auch ein sehr spezifisches Sich-Einlassen auf jeweils ein Stück nahelegen, den sorgfältigen Leser und die Leserin dafür aber aufs Reichste belohnen mit Einsichten und Erkenntnissen über das Menschliche, wie sie nur die Dichtung vermittelt. Shakespeare gehört natürlich auf die Bühne - aber die Vieldimensionalität und die Komplexität, die sich unter der emotional anrührenden und komödiantischen Oberfläche auch noch der geglücktesten Aufführung verbergen, beginnen sich erst einer über die reichhaltige Interpretationsliteratur vermittelten Lektüre zu erschließen. Zu diesen Dimensionen gehört auch eine politische, die aber gerade dadurch ausgezeichnet ist, dass sie Politik als Umgang mit Macht, Herrschaft und Gewalt, wie sie den Tragödien und Historien zugrunde liegt, zugunsten eines radikal anderen, eines im Reiche der Freiheit möglichen Verständnisses des Politischen transzendiert und überwindet.
Autorenporträt
Ekkehart Krippendorff, geb. 1934, lehrte bis zu seiner Emeritierung (1999) Politikwissenschaft an der FU Berlin. Jüngste Veröffentlichungen »Goethe - Theaterarbeit«, 2005 und »Ma'at - Konfuzius - Goethe« (mit Assmann/Schmidt-Glintzer, 2006). Im Kulturverlag Kadmos 2007 »Shakespeares Komödien. Spiele aus dem Reich der Freiheit«. 2008 »Franz von Assisi. Zeitgenosse für eine andere Politik« (mit P. Kammerer und W.-D. Narr).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Das Orakel der Aufklärung
Ekkehart Krippendorff begeistert sich für Shakespeares Komödien
Dieses Buch ist ein Werk der Liebe. Der emeritierte Politologe Ekkehart Krippendorff hat es sich vorgenommen, über Shakespeares Komödien als „Spiele im Reich der Freiheit” (dies der Untertitel) zu sprechen; und frei bewegt er sich auch selbst, unter Einbeziehung der wahrlich nicht zu knappen Shakespeare-Forschung, doch ohne sich allzu sehr von dem binden zu lassen, was in der Philologie als wissenschaftliches Arbeiten gilt. Ihn interessieren diese Stücke nicht unter ihrem historischen Aspekt, sondern insofern sie unsere heutige Aufmerksamkeit beanspruchen können, wie es ja auch das Theater tun muss, wenn es sich zur Neu-Inszenierung entschließt; so darf man Krippendorffs Buch, das in Einzeldarstellungen verfährt, als ein Komplement der Bühne verstehen, ja geradezu als eine Handreichung für sie. Dem verdankt es seinen lebendigen und anregenden Charakter.
Nicht jeder dieser Anregungen muss man folgen. Zuweilen versucht der Autor zu retten, was schwer zu retten ist. Es ließe sich sagen, dass Krippendorff die Komödien systematisch überschätzt. Sie alle sind mindestens ebenso sehr Spiele im Reich der Konvention; und man muss schon ein Auge zur Hälfte zukneifen, um, wie der Autor es tut, ihren Gehalt für einen demokratischen erklären zu können. Stärker als die Königsdramen bedienen sie die Selbstverständigung einer aristokratischen Klasse, und darin bleiben sie Gefangene ihrer Zeit. Wenn Krippendorff behauptet, der Spott des Hofs über die schauspielernden Handwerker im „Sommernachtstraum” entlarve sich selbst als blasierte Attitüde, und wir würden aufgefordert, über die Lachenden zu lachen, oder es finde in „Wie es euch gefällt” zwischen Bauern und Edelleuten eine Kommunikation auf Augenhöhe statt, so darf man Zweifel anmelden. Krippendorff selbst muss einräumen, dass auffälliger- und peinlicherweise die Akteure aus den unteren Schichten bei den großen Schlusstableaus immer schon abserviert sind.
Wunderbar ist Shakespeares Sprache in den Komödien, und diese liefern Schauspielern die herrlichsten Rollen; als ihren sterblichen Teil indessen muss man in vielen Fällen den Plot bezeichnen. „Maß für Maß” etwa hängt von drei Voraussetzungen ab, die einem heutigen Publikum unter keinen Umständen mehr einleuchten werden: dass ein Mädchen seine Jungfräulichkeit für ein höheres Gut ansieht als das Leben ihres Bruders, welches sie dafür einhandeln könnte (und als dieser Bruder schwache Einwendungen zu machen wagt, schreit sie ihn an, er sei eine Bestie und verdiene den verhängten Tod); dass man einem Mann in der Brautnacht eine andere Frau unterschieben könnte, ohne dass er es merkt; und dass ein Ende, bei dem zwei von drei geschlossenen Ehen auf fürstlichem Zwang beruhen, ein Happy End wäre. „Maß für Maß” hat, obwohl Krippendorff das Gegenteil zu beweisen sucht, möglicherweise sein Haltbarkeitsdatum für den aktuellen Genuss überschritten.
Die Mitte des heiligen Bezirks
Aber es kommt dem Buch zugute, dass das Drama nun einmal die offenste aller Formen der Literatur ist und, viel weniger noch als ein Gedicht (vom Roman zu schweigen), schlechterdings keine Deutung ablehnen kann, sofern sie sich in der jetzigen Umsetzung Präsenz zu verschaffen weiß. Krippendorff verwendet diese Lizenz, um aus Shakespeare sein Bestes herauszuholen und für uns nutzbar zu machen. Seine Methode erläutert er in einer knappen Schlussnotiz: „Der Gedanke mag kühn, aber doch nachdenkenswert sein: den möglichen Umgang mit Shakespeare-Parabeln den Sprüchen des Delphischen Orakels zu vergleichen, das (. . .) dem früh-europäischen Kulturraum eine Quelle der Lebens- und Verhaltensweisen gewesen ist und dessen ‚rätselhafte‘ Sprüche nicht nur immer auf die reflektierende Selbsterkenntnis des Menschen und die Warnung vor seiner Hybris setzten, sondern das ihnen vor allem Angebote zur Konfliktlösung machte und dazu einen geistigen Freiraum des Friedens bereitstellte: Die Mitte des Heiligen Bezirkes von Delphi bildete das Theater.” Daraus spricht eine große aufklärerische Zuversicht, dass Überlieferung sich ins Licht der Gegenwart heben lässt wie ein vergrabener Schatz. BURKHARD MÜLLER
EKKEHART KRIPPENDORFF: Shakespeares Komödien. Spiele aus dem Reich der Freiheit. Kadmos Verlag, Berlin 2007. 277 Seiten, 22,50 Euro.
Ein lupenreiner Demokrat war Shakespeare wohl eher nicht. D. Brack/IPN
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr sympathisch findet Burkhard Müller die Leidenschaft, mit der sich Ekkehart Krippendorff Shakespeares Komödien zuwendet. Als erfrischend lobt er, dass sich der emeritierte Politologe dabei nicht allzu sehr von der Literaturwissenschaft beeindrucken lässt, wenn er die Forschungsliteratur auch nicht außer Acht lässt. Nicht allen Einschätzungen des Autors will der Rezensent folgen. Beispielsweise bleibt Müller skeptisch, was den vom Autor behaupteten demokratischen Gehalt der Komödien angeht. Überhaupt hat er das Gefühl, dass etwa der Plot des Stückes "Maß für Maß", dem der Autor Aktualität zuzusprechen versucht, heute kaum mehr nachvollziehbar ist. Trotzdem stellt der Rezensent angetan fest, dass Krippendorff das, was heutige Theaterbesucher an den Komödien ansprechen kann, bestens herausarbeitet und hier sieht er auch das Verdienst des Buches.

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