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»Die Vertragschließenden Parteien bestätigen, dass Völkermord, ob im Frieden oder im Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist, zu dessen Verhütung und Bestrafung sie sich verpflichten.« Trotz dieser Formulierung war Artikel I der Völkermordkonvention von 1948 lange Zeit nichts anderes als eine Absichtserklärung.
Die Schaffung internationaler Strafgerichte sowie die Rechtsprechung nationaler Gerichte zeigen jedoch, dass die Staaten die Pflicht aus Artikel I ernst zu nehmen beginnen. Dabei handelt es sich, wie William A. Schabas an vielen Beispielen zeigt, um einen
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Produktbeschreibung
»Die Vertragschließenden Parteien bestätigen, dass Völkermord, ob im Frieden oder im Krieg begangen, ein Verbrechen gemäß internationalem Recht ist, zu dessen Verhütung und Bestrafung sie sich verpflichten.« Trotz dieser Formulierung war Artikel I der Völkermordkonvention von 1948 lange Zeit nichts anderes als eine Absichtserklärung.

Die Schaffung internationaler Strafgerichte sowie die Rechtsprechung nationaler Gerichte zeigen jedoch, dass die Staaten die Pflicht aus Artikel I ernst zu nehmen beginnen. Dabei handelt es sich, wie William A. Schabas an vielen Beispielen zeigt, um einen vielschichtigen Vorgang, der mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden ist und zugleich eine Reihe neuer Fragen aufwirft.

Das Buch ist ein eindringliches Plädoyer für eine von der gesamten Staatengemeinschaft unterstützte internationale Strafgerichtsbarkeit.
Autorenporträt
William A. Schabas ist Professor für internationales Recht an der Middlesex University in London und Professor für Internationale Menschenrechte und Menschenrechte an der Universität Leiden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.2003

Im Angesicht des Grauens
William Schabas hat das Verbrechen des Völkermordes wissenschaftlich durchdrungen

William A. Schabas: Genozid im Völkerrecht. Aus dem Englischen von Holger Fliessbach. Hamburger Edition, Hamburg 2003. 792 Seiten, 40,- [Euro].

"Es steckt mehr Leidenschaft in diesem Buch, als auf den ersten Blick sichtbar wird." So schreibt William A. Schabas, Leiter des Irish Center for Human Rights und Inhaber des Lehrstuhls für humanitäres Völkerrecht an der National University of Ireland in Galway, im Vorwort seines großen Werks über den "Genozid im Völkerrecht". In der Tat, wer es unternimmt, die als Völkermord zu brandmarkenden Greueltaten juristisch exakt zu vermessen, ohne dazu von Amts wegen als Richter eines nationalen oder internationalen Strafgerichts genötigt zu sein, bedarf dazu eines starken inneren Antriebs, der ihn nicht ruhen läßt, ehe er juristische Klarheit über das Grauenvolle gewonnen hat. Was Schabas antreibt, ist das bewußte Miterleben und Miterleiden zweier Völkermorde, des von Deutschen begangenen und von Deutschland insgesamt zu verantwortenden Völkermordes an seinem eigenen, dem jüdischen Volk, dem zahlreiche Verwandte zum Opfer fielen, und des Genozids in Ruanda, dessen Zeuge er 50 Jahre später werden sollte.

Doch Schabas ist es gelungen, das Mitleid, das daraus resultiert, "daß die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird" (Kant), in juristische Leidenschaft zu verwandeln. Völkermord, ob im Frieden oder im Krieg begangen, ist ein Verbrechen gemäß internationalem Recht, das es zu verhüten und wirksam zu bestrafen gilt. Die Aufgabe eines Rechtswissenschaftlers kann nur darin bestehen, den grauenerregenden Tatbestand und die sich daran anschließenden völkerstrafrechtlichen Rechtsfolgen juristisch nüchtern zu analysieren, so schwer dies fallen mag. Die juristische Tugend der Nüchternheit durchzieht denn auch Schabas' Darstellung, und sie bewährt sich gerade in den großen rechtlichen Streitfragen, von denen hier nur einige wenige gestreift werden können.

Ist Nötigungsnotstand eine zulässige Verteidigung gegen den strafrechtlichen Vorwurf der Beteiligung an Völkermord? Gewiß muß jeder Untergebene die Ausführung des verbrecherischen Befehls seines Vorgesetzten, eine Völkermordhandlung zu begehen, verweigern. Doch wenn nach einer solchen Weigerung der Befehl mit einer glaubhaften Bedrohung für Leib und Leben wiederholt wird, kann dann Nötigungsnotstand als Entschuldigung geltend gemacht werden? Die Völkermordkonvention schweigt zu diesem Thema. Im Fall Erdemovíc ließ die Berufungskammer des Jugoslawien-Tribunals die Berufung auf Nötigungsnotstand nicht zu. Das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aber schob - wohl zu Recht - diesen Präzedenzfall beiseite und akzeptiert gemäß Artikel 31 den Nötigungsnotstand als Grund für den Ausschluß strafrechtlicher Verantwortlichkeit.

Darf jeder Staat durch seine nationale Strafgerichtsbarkeit, Völkermord - wo immer und durch wen immer begangen - strafrechtlich verfolgen? Auch wenn Schabas sich völkerrechtspolitisch für die Geltung des Weltrechtsprinzips bei dem Verbrechen des Völkermordes stark macht, sieht er sich doch genötigt festzustellen, daß die Völkermordkonvention, die dem Territorialitätsprinzip folgt (Artikel VI), dieses Konzept ohne jeden Zweifel verwirft, es sich auch bei der Ausarbeitung des Römischen Statuts nicht durchsetzen konnte, und daher auch seine gewohnheitsrechtliche Geltung sich nicht nachweisen läßt. Um so wichtiger erscheint die durch das Römische Statut begründete Zuständigkeit eines Internationalen Strafgerichtshofs, eine Lösung, die von Artikel VI der Genozidkonvention bereits ins Auge gefaßt wurde, deren Realisierung aber ein halbes Jahrhundert auf sich warten ließ.

Können Staaten Völkermord begehen? Zwar ist angesichts der Natur des Verbrechens seine Begehung ohne staatliche Beteiligung oder Urheberschaft schwer vorstellbar, andererseits läßt sich eine strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen nicht konstruieren (societas delinquere non potest). Die Verantwortlichkeit eines Staates für Völkermord, von der Artikel IX der Genozidkonvention spricht, kann daher nur die allgemeine völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Staates für ihm zurechenbare völkerrechtswidrige Handlungen sein, die sich insbesondere in der Pflicht zur Wiedergutmachung des begangenen völkerrechtlichen Unrechts ausdrückt. Ob sich die obligatorische Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs nach Artikel IX der Völkermordkonvention darauf erstreckt, ist allerdings nach wie vor umstritten und vom IGH selbst noch nicht abschließend entschieden.

Was bedeutet schließlich die Verpflichtung zur Verhütung des Völkermordes gemäß Artikel I der Konvention? "Der Sinn des rätselhaften Wortes ,verhüten'" ist nach Schabas "die größte ungelöste Frage in der Konvention". Artikel VIII der Konvention berechtigt die Vertragsparteien lediglich dazu, sich zur Verhütung von Völkermord an die zuständigen Organe der Charta der Vereinten Nationen zu wenden. Dürfen, ja müssen die Staaten darüber hinaus, notfalls auch ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates, bei drohendem Völkermord außerhalb ihres Hoheitsgebietes präventiv humanitär intervenieren, um Völkermord an jedem denkbaren Schauplatz zu verhüten?

Schabas wendet sich gegen die Vorstellung, daß eine humanitäre Intervention zur Verhütung von Völkermord zulässig sei, weil sie eine jus-cogens-Norm sei. Dies gelte für das allgemeine Gewaltverbot in gleicher Weise. Er warnt: "Das Tolerieren von individuellen Initiativen ohne Genehmigung des Sicherheitsrates ist eine abschüssige Bahn, die ins Chaos führt. Die Folgen für die internationalen Menschenrechte sind potentiell ebenso gravierend wie die eines Völkermordes." Hinsichtlich der Intervention der Nato im Kosovo vertritt Schabas die Auffassung, daß die dortigen "ethnischen Säuberungen" von März bis Mai 1999 "nicht dem Erfordernis von Artikel II der Konvention" entsprochen hätten, "wonach die Absicht der Handlung die physische Zerstörung der Gruppe sein muß".

Selbst wenn man dies anders sieht, muß man aufgrund der Reaktion der Staatengemeinschaft vor und nach der Intervention schließen, daß sie mehrheitlich einseitige Gewaltmaßnahmen zur Verhütung selbst von Völkermord nicht akzeptieren. Schabas möchte, daß sich dies ändert: "Der Preis für ihre Verpflichtung, wirksame Präventivmaßnahmen zu ergreifen", aber ist, so betont er zu Recht, "den Staaten die Sicherheit zu geben, daß der Begriff des Völkermordes eine präzise, restriktive und unveränderliche Definition hat". Dazu hat Schabas mit seiner minutiösen, die travaux préparatoires der Genozidkonvention ebenso wie die Spruchpraxis nationaler und internationaler Strafgerichte erschöpfend auswertenden Darstellung einen großartigen Beitrag geleistet. Noch nie zuvor ist das Verbrechen des Völkermordes rechtswissenschaftlich so durchdrungen worden.

Im Sondervotum der Richter Guerrero, Sir Arnold McNair, Read und Hsu Mo zum Gutachten über die Zulässigkeit von Vorbehalten zur Genozidkonvention von 1951 heißt es: "In conclusion, the enormity of the crime of genocide can hardly be exaggerated, and any treaty for its repression deserves the most generous interpretation; but the Genocide Convention is an instrument which is intended to produce legal effects by creating legal obligations between the parties to it, and we have therefore felt it necessary to examine it against the background of law." Dies darf auch Schabas für sich in Anspruch nehmen, und es gereicht ihm als Angehörigen eines Volkes, das Opfer eines Völkermords geworden ist, zur besonderen Ehre.

CHRISTIAN HILLGRUBER

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Die völkerrechtliche Studie über die Schwierigkeiten, die 1948 von der UN - Vollversammlung verabschiedete Konvention zur Ächtung des Völkermords umzusetzen, lese sich zwar "über weite Strecken wie ein juristischer Kommentar", meint Horst Meier. Dabei sei das Buch aber weniger als üblich mit fachjuristischen Umständlichkeiten befrachtet, und er lobt die juristischen Analysen von William A. Schabas als "subtil" und ihren Umgang mit Literatur und Rechtsprechung als "kritisch". Der Autor, der humanitäres Recht lehrt und als Berater von Nichtregierungsorganisationen in Ruanda tätig war, bemängele die fehlenden Maßnahmen, einem Völkermord vorzubeugen, wie das Beispiel Ruanda zeige, so der Rezensent. Die Konvention formuliere nur vage und sei "ein leeres Blatt, das darauf wartet, durch Rechtsprechung und Staatenpraxis beschrieben zu werden", zitiert Meier Schabas. Der Rezensent plädiert für ein "Frühwarnsystem" in Gestalt eines unabhängigen Instituts und für eine zur Intervention entschlossene UN. Meier lobt das Buch als "völkerrechtliches Nachschlagewerk zum Genozid", zu dem es derzeit "nichts Vergleichbares" gebe.

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