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Wenn zwei Schriftsteller einen Roman schreiben ... ... dann ist die Arbeit ein schwieriges Unterfangen, besonders wenn es sich dabei um eingefleischte Eigenbrötler wie Ford Madox Ford und Joseph Conrad handelt - aber das Ergebniss ist märchenhaft und abenteuerlich. Erzählt wird die Geschichte eines englischen Schiffsarztes, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Karibik von Piraten entführt, in ihre Dienste gezwunden und später in England wegen Piraterie vor Gericht gestellt wurde (Happy-end garantiert). "Bezauberung" besitzt modellhaften Charakter, ist stellenweise eine abstrakte…mehr

Produktbeschreibung
Wenn zwei Schriftsteller einen Roman schreiben ...
... dann ist die Arbeit ein schwieriges Unterfangen, besonders wenn es sich dabei um eingefleischte Eigenbrötler wie Ford Madox Ford und Joseph Conrad handelt - aber das Ergebniss ist märchenhaft und abenteuerlich. Erzählt wird die Geschichte eines englischen Schiffsarztes, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Karibik von Piraten entführt, in ihre Dienste gezwunden und später in England wegen Piraterie vor Gericht gestellt wurde (Happy-end garantiert).
"Bezauberung" besitzt modellhaften Charakter, ist stellenweise eine abstrakte Erforschung der Bedingungen des Abenteuerlichen und Romantischen. Gerade durch die holzschnittartige Typisierung der Figuren könnte man es heute als so etwas wie einen "virtuellen Abenteuerroman" lesen, in dem der Held von einem Entscheidungspunkt zum anderen "gestoßen" wird und in eine Kette von Abläufen gerät, die er nicht mehr überblickt. Regelmäßig wird ihm schwarz vor den Augen.
Autorenporträt
Joseph Conrad, geb. 1857 in der Ukraine, war Sohn polnischer Landadliger. Ab dem siebzehnten Lebensjahr fuhr er für französische und englische Handelsgesellschaften zur See, Erwerb des Kapitänspatents zwölf Jahre später, 1884 Annahme der englischen Staatsbürgerschaft. Zahlreiche Roman-Veröffentlichungen. Der Autor verstarb 1924 in England.Ford Madox Ford wurde 1873 in Merton in Surrey geboren. Bis 1910 führte er eine ebenso glänzende wie schillernde Existenz im Kreis der Londoner Intelligenz. Er war mit Henry James, D. H. Lawrence, H. G. Wellls und Ezra Pound befreundet. Vor allem aber arbeitete er eng mit Joseph Conrad zusammen, mit dem er mehrere Bücher verfasste. Nach dem Ersten Weltkrieg zog er nach Paris, wo er die Transatlantic Review gründete. Halbvergessen und von Geldsorgen geplagt, schlug er sich als Vortragsreisender in Amerika durch. 1939 ist er in Deauville gestorben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.06.2001

Lesetipp zum Wochenende
Mit Gebrumm
Ford Madox Ford, Joseph Conrad
und ihr Roman „Romance”
Es muss eine eigentümliche Stimmung gewesen sein, als die beiden Literaten sich das erste Mal begegneten. „Ich bin Hueffer”, sagte der eine – er machte sich gerade am Kamin seines Hauses zu schaffen, auf dem Land in Kent, und klärte damit die Situation – der andere, der Besucher, hatte ihn für den Gärtner gehalten.
Momente der Irritation hat es weiter gegeben in dieser kreativen Beziehung, und immer wieder Differenzen, zwischen Hueffer, der sich später Ford Madox Ford nannte, und Joseph Conrad, der eben seine ersten englischen Arbeiten vorgelegt hatte. Sie wollten zusammenarbeiten, um des Geldes und der Reputation wegen. 1901 brachten sie gemeinsam den Zukunftsroman „The Inheritors” heraus, ein Jahr später kam „Romance”, der seit vorigem Jahr auch in deutscher Übersetzung vorliegt unter dem Titel „Bezauberung”. Conrad arbeitete in dieser Zeit bereits am „Heart of Darkness”, Ford Madox Ford hat Leute wie Joyce und Gertrude Stein gefördert und mit „The Good Soldier – Die allertraurigste Geschichte” ein kleines spätes Meisterwerk vorgelegt.
„Romance” ist ein Hybride, ein merkwürdiges literarisches Gewächs – was die Konstruktion angeht und das Gewebe des Textes. „Seraphina” war der Titel, als Ford Conrad seine erste Version präsentierte. In der Rückschau dominieren bei beiden angesichts dieser Teamarbeit Verunsicherung und Frustration, aber das Buch, das dabei entstanden ist, erweist sich von einer unglaublichen Lebendigkeit – gerade dann, wenn es zwiespältig, dissonant, spröde ist.
Es ist ein Buch im Schatten der Jahrhundertwende. Gezeichnet von der Ahnung einer noch ungeformten Moderne, und vibrierend von einem Schauder vor ihr. Man darf die romance des Titels nicht wörtlich auf die Romantik beziehen – das Buch benutzt vor allem barocke Momente. Es ist die reine Sensation, ist Kolportage, aber immer am Rande des Abgrunds, des Wahnsinns. Der junge Held, John Kemp, kommt mit dem Gesetz in Konflikt, in seiner Heimat, dem romantischen Kent, er flieht nach Übersee, landet in Rio Medio, wird aufgenommen im Hause des Don Riego und dessen Tochter Seraphina. Er kommt mit den Piraten in Konflikt, ihr Anführer, der Ire O’Brien wird sein Gegenspieler, sein Gegenbild – auch in der Liebe von Seraphina.
Eine Atmosphäre von unberechenbarer Aggressivität entsteht, ein mentaler Belagerungszustand. Die Paralyse des Geschehens findet ihre Höhepunkte auf der Flucht der Liebenden, im dichten Nebel lavieren sie, außer Sicht, aber immer in Hörweite, an den Feinden vorbei. Später verbergen sie sich in einer Höhle, deren Eingang vom Feind versperrt wird. „In meiner Erinnerung ist diese Szene voller Lücken; ich setze sie mir aufgrund einiger Worte zusammen, die mich, von großen Zwischenräumen des Schweigens durchbrochen, unversehens erreichten, als ob ich ab und zu aus einer tiefen Ohnmacht erwacht wäre. Bisweilen erhob sich ein ungeduldiges und grimmiges Gebrumm vieler Stimmen, das Trappeln von Füßen nahe der Felskante; oder, inmitten einer düsteren und erwartungsvollen Stille, sprach Manuel mit sanfter, einschmeichelnder Stimme mit seinem ,geliebten Opfer‘, das vor Begierde leicht zu zittern schien. Ob er genug gegessen und getrunken habe? Sie hätten ihre Versprechen gehalten, sagte er. Das Wasser sei kühl gewesen – und jetzt würde er, Manuel-del-Popolo, mit seiner Gitarre und seiner Stimme die letzten Augenblicke seines Opfers begleiten. Lachsalven unterstrichen seine Hänseleien. Ah! Dieser Manuel, dieser Manuel!”
„Was bedeuten mir schon gestern und heute?” Das Buch markiert einen gewaltigen Übergang – die Passage vom Erzählen Stevensons zu dem Erzählen Conrads. Von den Tagen der Unschuld zu jenem monologischen, monomanen Erzählen, das dann im Kurtzschen „The horror, the horror” seinen Höhepunkt finden wird. Im Schatten schlummert die verfluchte Erinnerung – und nur das Pathos, scheint es, vermag noch den Schauder vor ihr zu bannen.
FRITZ GÖTTLER
JOSEPH CONRAD, FORD MADOX FORD: Bezauberung. Abenteuer-Roman. Aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Rainer G. Schmidt. Achilla Presse, Bremen 2000. 624 S., 56 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2000

Schlacke unterm Aschenhimmel
Düsteres Duo: Joseph Conrad und Ford Madox Ford laufen Amok

Kaum ein Buch ist so einhellig als Wechselbalg verschrien wie der von Ford Madox Ford und Joseph Conrad gemeinsam verfasste Abenteuerroman "Bezauberung", der nach fast hundert Jahren nun zum ersten Mal auf Deutsch erscheint. Henry James nannte die Kooperation einen Albtraum, den man sich beim Frühstück erzählt. Und auch für die Ehefrauen der beiden Autoren, die das Arbeiten der dialogischen Phantasie nächtelang in ihren Betten ertrugen, summierte sich das Knarren hektisch begangener Dielen, das Lachen und Schelten der Männer zu einem vier Jahre anhaltenden Nachtmahr.

Die Freundschaft von Ford und Conrad war von vornherein der Literatur gewidmet. Der Beschluss, sich auf dem Papier zusammenzutun, schien beiden Vorteile zu bieten. Der zweiundvierzigjährige Conrad brauchte trotz des Erfolgs seiner ersten beiden Romane Hilfestellung im Englischen, einen Dämon für seine Erfindungskraft und ein Vielschreibgenie wie den jungen Ford, um seinen Finanzen auf die Beine zu helfen. Sein sechsundzwanzig Jahre alter Partner hatte dem Licht der Öffentlichkeit bereits sechs Bücher anvertraut, ohne an Conrads Erfolg heranzureichen. Als er dem Älteren sein zunächst "Seraphina" getauftes Manuskript einer Piratenromanze vorlas, wurde die fruchtbare Differenz der beiden Talente augenblicklich deutlich. Während Ford eine leichte Hand für Stimmungen und Atmosphären hatte, forderte Conrad klare Handlungskonturen und einen dramatischen Aufbau.

Das Ergebnis ist ein süffig zu lesender Schwanengesang auf die romantische Sehnsucht, eine Epopöe des Gewissens und ein sentimentaler Bildungsroman in exotischem Gewand. Der junge Held, John Kemp, verlässt seine englische Heimat, um vor einer bösen Mutter und dem Verdacht der Schmuggelei auf die Westindischen Inseln zu fliehen. Nach schnell übergangenen Lehrjahren als Handelskaufmann findet er Anschluss an Carlos, einen kubanischen Verwandten, mit dem er aus ursprünglich England übersetzte. Carlos ist der lungenkranke Erbe eines spanischen Granden in Rio Medio, einem heruntergekommenen Küstenstädtchen, in dem Seeräuber die Macht besitzen. Kemp verliebt sich in Carlos' Cousine. Doch das schöne Kind mit dem üppigen Erbe ist für den Iren O'Brien bestimmt, einen machiavellischen Politiker, der die Regierungsgeschäfte in Rio Medio übernommen hat und zu Kemps Gegenspieler wird. Der Rest sind Flucht, Entführung, Belagerung und Seeabenteuer, ein atemloses Handlungstreiben, das den Helden schließlich vor ein britisches Gericht und um ein Haar an den Galgen bringt.

Wie ein didaktisches Hilfsmittel zur Abstimmung des Autorenteams wirkt die gebetsmühlenhaft beschworene Romantik der Handlung. Der Leser vergisst keinen Augenblick das Mantra des Buches: dass die Paradiese in der Ferne liegen und das Beste am Leben der Traum von ihm ist. Im Konflikt mit dieser Lizenz zur Unverantwortlichkeit steht eine starke moralische Strömung, die wohl vor allem auf Fords Konzept zurückgeht. John Kemp schreckt wiederholt davor zurück, seine skrupellosen Feinde aus der Welt zu schaffen, weil er die Gelegenheit, die sich ihm bietet, für unfair hält. Ritterlicher Stolz vermengt sich mit christlicher Scheu vor dem Mord und dem Urvertrauen, dass, wer nichts Unrechtes tut, seine Schutzengel nicht verärgert. Das Überleben der Widersacher bringt Kemp und seine Nächsten jedoch in eine Reihe von fatalen Lagen, die mehr als romantische Bredouillen sind, weil der Held in ihnen seinen Übermut verliert: "Wenn es unmöglich wäre, die Folgen unserer Taten voraussehen zu können", sinniert er düster, "wenn wir uns nicht sicher auf die Beweggründe in uns selbst verlassen könnten, was hätten wir dann zur Verfügung, um unser Leben zu führen?"

  In den Verliesen von Newgate ist Kemp gegen Ende des Buches ums Doppelte seiner Jahre gealtert. Fords junger Held hat Conrads reife Physiognomie angenommen. Und wie das zerknitterte Gesicht eines Draufgängers, dem übel mitgespielt wurde, erscheint auch der ganze Roman. Während Fords sittliche Ideale Kemp zu Erfahrungen zwingen, die er lieber nicht gemacht hätte, nötigt Conrads schriftstellerisches Ethos Fords Manuskript zu einer Odyssee durch literarisches Neuland, die den kecken Genius der Abenteuerpoesie in seinen bleichen Widergänger verwandelt. So bleibt das Buch eine Werft, auf der an verschiedenen Schiffsmodellen zugleich gearbeitet wird, an einer stolz dahinsegelnden Brigg und an einem Geisterschiff mit morschen Planken. Vor allem das weitgehend von Conrad verfasste vierte Buch verwandelt die schöne bunte Welt in eine Nacht- und Nebellandschaft der Grenzerfahrungen, der Sinnestäuschungen und der Begegnung mit dem Tod. In diesem Teil lassen Hunger und Durst Kemp an seiner Verehrung für Seraphina irre werden, er bekennt sich zu einem "unbestimmten, nagenden Gefühl der Feindseligkeit". Die See gleicht "einer ungeheuren Schlacke unter einem Aschenhimmel", der ganze Naturraum gebärdet sich mit feindlicher Lebendigkeit, als die Protagonisten "zu spät für ihren Seelenfrieden" einer Höhle entkommen, in der sie "wie Antigone" lebendig eingemauert waren.

   Die Versicherung des glücklichen Ausgangs, die dem Leser durch die Ich-Erzählung des Helden von Anfang an vermittelt wird, ist im Laufe der Lektüre schütter geworden. Freund und Feind haben den Tod gefunden. Von der Romanze blättert die Farbe, durch ihre Rippen scheint die "blasse Prosa" des englischen Alltags: "die dumpfe, dürre Öde des Heute". Auch für Ford, der mit diesem Buch einen publizistischen Piratenstreich à la Stevenson lancieren wollte, wurde das Experiment zu einer kalten Dusche. Die lernbegierige Auseinandersetzung mit dem älteren Kollegen verwirrte sein impressionistisches Talent. In den folgenden Romanen, die er wieder allein schrieb, treibt Conrads Objektivitätsdiktat sein Unwesen. Zu einem konsequenten Perspektivismus fand Ford erst in "The Good Soldier" zurück.

   Dritten gegenüber mokierte sich Conrad über seinen Zauberlehrling und ließ durchblicken, welche Strapaze die stilistische Überarbeitung des Ford'schen Entwurfs für ihn gewesen sei. Seinem Unmut macht er mit der Figur des Piratenbarden Manuel auch im Roman selbst Luft: "das unregelmäßige Geschrummel seiner Gitarre", heißt es im vierten Buch, "schwankte und torkelte weit hinter seiner Stimme hinterher, wie ein betrunkener Sklave, der in die delirierenden Fußstapfen seines Meisters tritt. Klirr, klirr, päng! Ein überstürzter Kuddelmuddel von Fingern, dann ein jähes Rums, wie ein schwerer Fehltritt." Weil Kemp es nicht über sich bringt, dieser "jämmerlichen Parodie" seiner musischen Vermögen den Todesstoß zu versetzen, ufern seine Abenteuer gegen Ende in eine Flucht der Höllenszenarios aus. In der Schwebe bleibt, wer Herr und wer Knecht in diesem Scharmützel ist. Der delirierende Fratzenschneider des heroischen Tons könnte durchaus auch ein amoklaufender Conrad sein.

INGEBORG HARMS

Joseph Conrad und Ford Madox Ford: "Bezauberung". Abenteuerroman. Aus dem Englischen übersetzt von Rainer G. Schmidt. Achilla Presse, Hamburg 2000. 624 S., geb., 56,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein spannendes. literarisch wertvolles Werk ist dieser Roman, den Joseph Conrad und Ford Madox Ford zusammen geschrieben haben, findet Fritz Göttler. Diese nicht spannungsfreie kreative Zusammenarbeit hat nach Ansicht der Rezensenten ein Werk geschaffen, dass von "einer unglaublichen Lebendigkeit ist" - "gerade dann, wenn es zwiespältig, dissonant, spröde ist". Der Roman markiert nach Göttlers Meinung einen beachtlichen literarischen Entwicklungssprung in der Zeit um die Jahrhundertwende, die "von der Ahnung einer noch ungeformten Moderne gezeichnet ist" und die Erzählung bewegt sich immer "am Rande des Abgrunds, des Wahnsinns". Ein spannendes und "ein merkwürdiges literarisches Gewächs", so lautet die Bilanz des Rezensenten.

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