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"Kubik"- das sind zwei Kinder auf Entdeckungsreise. Die Etablierten, die den Zaubergarten Kindheit nicht mehr finden. Ein verwöhnter Pudel, der eines Tages beißt. Eine verlassene Geliebte. Und ein Kellner, der auf den Pariser Barrikaden kämpfen wird.
"Kubik" - das ist eine literarische Überraschung! Klar wie ein Kristall, verschlüsselt wie eine Geheimschrift, phantastisch wie ein Mondflug. Kubik ist "... weder Erzählung noch Roman, noch Beschreibung, noch Reisetagebuch ..., ganz einfach ein Fagottsolo mit Orchesterbegleitung. Das können Sie ruhig weitersagen."

Produktbeschreibung
"Kubik"- das sind zwei Kinder auf Entdeckungsreise. Die Etablierten, die den Zaubergarten Kindheit nicht mehr finden. Ein verwöhnter Pudel, der eines Tages beißt. Eine verlassene Geliebte. Und ein Kellner, der auf den Pariser Barrikaden kämpfen wird.

"Kubik" - das ist eine literarische Überraschung! Klar wie ein Kristall, verschlüsselt wie eine Geheimschrift, phantastisch wie ein Mondflug. Kubik ist "... weder Erzählung noch Roman, noch Beschreibung, noch Reisetagebuch ..., ganz einfach ein Fagottsolo mit Orchesterbegleitung. Das können Sie ruhig weitersagen."
Autorenporträt
Valentin Katajew (1897 - 1986), in Odessa geboren, war einer der bedeutendsten Vertreter der Sowjetliteratur und Verfasser zahlreicher autobiografischer Werke.

Swetlana Geier, die "Grande Dame der russisch-deutschen Kulturvermittlung", geboren 1923 in Kiew, hat Lew Tolstoj übersetzt, die Modernisten Belyi und Bulgakow, den "russischen Kafka" Platonow, neben Bunin den Nobelpreisträger Solschenizyn, die großen Romane von Fjodor Dostojewskij und das Gesamtwerk von Andrej Sinjawskij. Für ihre Übersetzungen wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2001 mit dem Wilhelm Merton-Preis. 2010 verstarb Swetlana Geier.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.05.2005

Liebe in der Wasserleitung
Kubistische Erzählkunst: Ein Meisterstück von Valentin Katajew

Als Valentin Katajew - Erzähler, Dramatiker, Publizist - 1986 in hohem Alter starb, hatte in der früheren Sowjetunion gerade ebenjene große Wende eingesetzt, die nach jahrzehntelangem behördlichem Zensurdruck zu einer "neuen Transparenz" und, darüber hinaus, zum radikalen "Umbau" des Sowjetsystems führen sollte. Noch 1984 war Katajew mit einer zehnbändigen Werkausgabe gewürdigt und als Klassiker des sozialistischen Realismus herausgestellt worden. Er galt als ebenso begabter wie willfähriger Allzweckschreiber, der mit leichter Hand jedes gewünschte Thema in jeder gewünschten Form aufzuarbeiten wußte und der sich, als loyaler Kommunist und linientreuer Kulturfunktionär, verläßlich instrumentalisieren ließ, wenn es darum ging, irgendwelche Mißstände im kapitalistischen Westen anzuprangern oder unbotmäßige Autoren wie Pasternak, Solschenizyn oder Sinjawski öffentlich zu verunglimpfen.

Heute, knapp zwanzig Jahre nach seinem Tod, ist Katajew weitgehend vergessen, und selbst in Literaturgeschichten und einschlägigen Handbüchern hat er nur noch marginale Präsenz. Dem postsowjetischen Publikumsgeschmack vermögen seine Kriegs- und Aufbauromane, seine Jugend- und Abenteuergeschichten nicht mehr zu entsprechen, und seine langjährige aktive Unterstützung des sowjetischen Unrechtsregimes, die ihm nebst zahlreichen staatlichen Auszeichnungen und Privilegien auch den Stalin-Preis eingebracht hat, macht ihn, den einstigen Vorzeige- und Schulbuchautor, untauglich als moralische Instanz.

Daß Valentin Katajew - bei allen Vorbehalten, die man einem angepaßten Sowjetliteraten gegenüber haben kann - dennoch seine Meriten hat, ist belegt durch eine schmale Prosaarbeit aus dem Jahr 1969, die unter dem Titel "Kubik" eine kleine, autobiographisch grundierte Trilogie abschließt, zu der außerdem "Der heilige Brunnen" (1965) und "Das Kraut des Vergessens" (1967) gehören. Mit "Kubik" legt Katajew einen Mustertext "mauvistischen" Erzählens vor, einer Technik des schlechten Stils gewissermaßen, die darin bestehen sollte, möglichst "lustvoll" und möglichst "kompromißlos" alles aufzuschreiben, "wie's gerade kommt", ohne auf eine vorgegebene literarische Form zu achten.

Der von Katajew kokett propagierte "Mauvismus" ist mit dem Kanon des sozialistischen Realismus in keiner Weise vereinbar, und der Autor tut denn auch alles, um einen möglichen poetologischen Konflikt zu vermeiden. Also schreibt er denn doch nicht so riskant und vorbehaltsfrei, wie der "Mauvismus" es fordert, vielmehr tut er nur so, als ob er es täte. "Ich tue so, als würde ich es wagen. Ich tue so, als würde ich gerade das schreiben, worauf ich Lust habe . . ." Das ist eine für Katajews Opportunismus typische Rede- beziehungsweise Ausredefigur: Statt den "Mauvismus" als neuen Erzählstil zu riskieren und durchzusetzen, läßt er den Leser wissen, daß alles bloß eine literarische Versuchsanordnung ist, den "schlecht formulierten Worten" Ossip Mandelstams entsprechend, wonach "echte Prosa Zerstückelung ist, Dissonanz, Vielstimmigkeit, Kontrapunkt . . ."

Doch bei all seinem künstlerischen Kleinmut und seiner ideologischen Angepaßtheit, zu der auch das obligate Lenin-Zitat gehört, gelingt Katajew mit "Kubik" ein kleines Meisterwerk. Meisterhaft sind seine ebenso präzisen wie poetischen Gegenstands- und Situationsbeschreibungen, etwa die Vergegenwärtigung einer kleinen Montgolfière aus Seidenpapier, die aus den erhobenen Händen eines Mädchens schwankend in die Luft steigt, um alsbald brennend abzustürzen, oder die verbale Momentaufnahme eines Konzertflügels, in dessen poliertem hochgestelltem Deckel sich "das Innere des Instruments von unten spiegelt, wie das Modell einer kompletten mittelasiatischen Stadt mit abgeschlossenen Innenhöfen, aber ohne Dächer, durchzogen von den gespannten Saiten der inneren Kommunikationswege". In manchen derartigen Passagen erreicht Katajew einen geradezu magischen "Anwesenheitseffekt", wie man ihn sonst nur bei Iwan Bunin oder bei Wladimir Nabokow mit vergleichbarer Intensität erfahren kann.

Katajews kindliche Protagonisten sind einem Geheimnis auf der Spur, das sich in den Buchstaben OW konkretisiert. Diese finden sich da und dort auf Kellermauern eingeritzt, verweisen aber nicht, wie die Kinder vermuten, auf irgendeine Verbrecher- oder Verschwörerbande, sondern - was ihnen freilich nicht einsichtig ist - auf die russischen Begriffe für "Wort" (sl-OW-o) und "Liebe" (ljub-OW). Der Zauber verfliegt in dem Moment, da das Rätsel zur banalen Gewißheit wird: Die geheimnisvollen Initialen bedeuten nicht mehr und nicht weniger als "Odessaer Wasserleitung". Um die Relativität jedweden sprachlichen Ausdrucks vorzuführen, läßt Katajew das Kunstwort "Brambacher" immer wieder neue, durchweg willkürliche Verbindungen mit einem Mineralwasser, mit dem Fußball oder dem Brandenburger Tor eingehen, bis einem aufgeht, daß "Brambacher" generell zur Bezeichnung typisch "deutscher" Dinge verwendet wird - selbst Goethe scheint ein "Brambacher" zu sein.

Für Dinge unterschiedlichster Art steht auch das Titelwort "Kubik". Abgesehen davon, daß es auf Katajews multiperspektivische, gleichsam "kubistische" Erzähloptik verweist, ist es der Name eines schlechterzogenen Schoßhunds und bedeutet außerdem soviel wie "Blitzlichtwürfel", "Würfelzucker", "Eis-", "Holz-" oder "Metallwürfel".

Trotz zahlreicher short cuts, Rückblenden und Exkurse läßt sich im "Kubik"- Text eine mehr oder minder lineare Lebensgeschichte erkennen, die vom frühen zwanzigsten Jahrhundert (in Odessa) bis zum turbulenten Jahr 1968 (in Paris) reicht, von einer ersten wundersamen Liebe bis zum grotesken Finale einer großbürgerlichen Ehe, von kindlicher Wortmagie bis zum kapitalistischen Faszinosum des schnellen Geldes.

Letzterem ist ein Großteil des schmalen Buchs gewidmet. Katajew ergeht sich - und erschöpft sich auch - in der bösartigen Satire auf kapitalistische Willkür und Verschwendung, wie er sie im "revolutionären" Paris von 1968 beobachtet haben will und wie man sie auch aus damaligen sowjetischen Karikaturen kennt. Viel zu ausführlich, dabei äußerst klischeehaft und ohne merklichen Erkenntnisgewinn macht der Autor "rechte" Reaktionäre und "linke" Revoluzzer lächerlich, verschweigt aber geflissentlich die gleichzeitig erfolgte, als "Bruderhilfe" gerechtfertigte Besetzung der damaligen Tschechoslowakei. Daß Katajews durchaus peinlicher politischer Konformismus letztlich doch, ob gewollt oder ungewollt, durch die "mauvistische" Schreibbewegung unterlaufen wird, ist eine tröstliche Bestätigung für den Eigensinn der Kunst, die sich weder vom Staat noch vom Autor selbst vollständig domestizieren läßt.

In Swetlana Geiers verläßlicher Übersetzung ist "Kubik" nun erneut greifbar. Daß der Text in gleicher Fassung und mit gleichem Nachwort bereits 1970 bei Zsolnay erschienen ist, wird in der Neuausgabe nicht vermerkt. Diese unterscheidet sich vom Erstdruck durch einige zusätzliche Druckfehler und durch einen hübschen Leineneinband, der leider schon beim zweiten Lesen auseinanderbricht.

FELIX PHILIPP INGOLD

Valentin Katajew: "Kubik". Aus dem Russischen übersetzt von Swetlana Geier. Dörlemann Verlag, Zürich 2005. 195 S., geb., 17,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Auch wenn Valentin Katajew durchaus als Kulturkader unangenehm aufgefallen ist, dürfe man ihn nicht als reinen "Apparatschik der sowjetischen Kulturverwaltung" abqualifizieren, meint Rezensent Ulrich M. Schmid. Schließlich habe der sowjetrussische Schriftsteller wesentlich zur postmodernen Literatur seines Landes beigetragen, wovon auch ein Werk aus den 60-er Jahren zeugt, das nun in neuer Übersetzung vorliegt. In dem Buch, das der Rezensent keinem Genre so recht zuordnen mag - aber "mit Sicherheit" sei es "kein Roman" - erzählt Katajew aus wechselnder Perspektive aus dem Leben zweier russischer Schriftsteller. Seine "Experimentierlust" geht dabei so weit, dass der Autor sogar unbekannte Worte anbringt und diese mit wechselnden Bedeutungen "auflädt". Neben der "kühnen" Sprache lobt der Rezensent auch den "kulturpolitischen Mut" Katajews und sein Bekenntnis zum "Mauvismus", der Kunst, schlecht zu schreiben, um sich von der Masse der "ordentlichen" Literatur abzuheben. Ein Buch, das dank Swetlana Geiers "souveräner" Übersetzung Katajews Ort im "literarischen Prozess" neu definieren könnte.

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