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Lamms Lebensgeschichte spiegelt die Geschichte des Linkssozialismus in Deutschland wider. Im Mittelpunkt des Buches von Michael Benz steht der politische Lebensweg eines Nonkonformisten, der eine Position zwischen dem doktrinär-kommunistischen und dem evolutionär-reformistischen Flügel der Arbeiterbewegung einnahm. Lamm, eine couragierte Persönlichkeit, scheute sich nie, pointiert Farbe zu bekennen - auch wenn dies für ihn nachteilig oder gar lebensgefährlich war. Als Jude und in gewisser Weise als Homosexueller wie auch als undogmatischer Marxist und Angehöriger einer oppositionellen…mehr

Produktbeschreibung
Lamms Lebensgeschichte spiegelt die Geschichte des Linkssozialismus in Deutschland wider. Im Mittelpunkt des Buches von Michael Benz steht der politische Lebensweg eines Nonkonformisten, der eine Position zwischen dem doktrinär-kommunistischen und dem evolutionär-reformistischen Flügel der Arbeiterbewegung einnahm. Lamm, eine couragierte Persönlichkeit, scheute sich nie, pointiert Farbe zu bekennen - auch wenn dies für ihn nachteilig oder gar lebensgefährlich war. Als Jude und in gewisser Weise als Homosexueller wie auch als undogmatischer Marxist und Angehöriger einer oppositionellen linkssozialistischen Kleingruppe in der Weimarer Republik war er gesellschaftlich und politisch ein Außenseiter, innerhalb der Arbeiterbewegung vertrat er häufig Minderheitenpositionen. Er und seine direkten Weggefährten können in ihrem Existenzkampf im Exil während der Zeit des Nationalsozialismus als Beispiele für die "kleinen" Exilanten dienen. Nach seiner Remigration im Herbst 1948 spielte er innerhalb der Stuttgarter Arbeiterbewegung eine maßgebliche Rolle wie auch als Spiritus rector in der Naturfreundebewegung auf Landes- und Bundesebene; für die Studentenbewegung der sechziger Jahre war er eine Kristallisationsfigur und ein wichtiger Mentor der "Neuen Linken".

"Benz ist eine beeindruckende und erhellende Biographie gelungen." - Martin Rooney, Geschichte für Heute 4/2010
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.08.2008

Unbequemer Wanderprediger
Fritz Lamm und die „undogmatische Linke”
Sozialdemokraten, Kommunisten und dann die 68er. Ist die politische Linke in den westdeutschen Nachkriegsjahren auf diese wenigen Etiketten zu reduzieren? Wo bleiben da die vielen ideologischen Schattierungen zwischen den Parteien oder die eigensinnigen Einzelgänger, die in keine dieser bis heute so gängigen Schablonen passen? Alles Stalinisten, Stasi-Spitzel, Sympathisanten des Terrors? Wo soll man etwa den Stuttgarter Gewerkschafter Fritz Lamm, Funktionär der „Naturfreundejugend‘‘, Gegner der Nazis ebenso wie der „realen Sozialisten” jenseits der Mauer einordnen?
Für Sozialdemokraten wie zum Beispiel den Parteivorsitzenden Erich Ollenhauer waren Lamm und die linke innerparteiliche Opposition nichts als „Katzendreck”. In den Stasi-Akten der SED, der die westdeutsche DKP servil zuarbeitete, wird Lamm als „antikommunistisches Element” aufgeführt. Ein, wie die Geschichte gelehrt hat, durchaus ehrenhafter Titel für einen Menschen, der
sich immer in der an Rosa Luxemburg orientierten antistalinistischen Tradition der deutschen Arbeiterbewegung verortete.
Sein Leben, das Michael Benz in einer sehr sorgfältig ausgearbeiteten Biographie Station für Station nachzeichnet, passt tatsächlich nicht in die gängigen Schubladen eines linken Politikers und Intellektuellen in Deutschland. Lamm war jüdischer Herkunft, hat sich aber zeitlebens dem Judentum nur mäßig
verbunden gefühlt. Schon früh trat er der SPD bei, die den unruhigen Anti-
kapitalisten bald wieder ausschloss. Zusammen mit Willy Brandt gehörte er zu den Gründern der SAP, die sowohl zu den Sozialdemokraten wie zu den stalinistischen Kommunisten auf Distanz ging.
Vor den Nazis flüchtete Lamm zunächst in die Schweiz, später dann nach Österreich, Prag, Frankreich, Kuba. Nach dem Krieg kehrte er nach Stuttgart zurück und begann dort sogleich wieder mit der politischen Arbeit. Vor allem aber engagierte er sich in den Gewerkschaften und in pazifistischen Kreisen. Der Sozialdemokratie stand er auch nach seiner Rückkehr kritisch gegenüber, aber er bekämpfte sie nicht. Während der fünfziger Jahre edierte der leidenschaftliche Publizist Fritz Lamm die Zeitschrift funken, mit der er die linke Opposition innerhalb der SPD zusammenfügen wollte. Die sich um den SDS gruppierende linke studentische Opposition der sechziger Jahre unterstützte Lamm mit großer Sympathie. Innerhalb der Gewerkschaft IG Druck und Papier war der langjährige Betriebsratsvorsitzende bei der Stuttgarter Zeitung eine einflussreiche graue Eminenz. Beliebt bei vielen jüngeren Mitgliedern, aber misstrauisch beäugt vor allem vom Gewerkschaftsapparat. War er doch eng befreundet mit der zeitweise im Mercedes-Werk sehr erfolgreichen Gewerkschaftsopposition um den späteren grünen Bundestagsabgeordneten Willi Hoss (Vater der Schauspielerin Nina Hoss).
Auf vielen Kundgebungen der „Neuen Linken” in den 60er/70er Jahren gegen den Vietnamkrieg, gegen die „Berufsverbote”, gegen die Einschränkung von Bürgerrechten, repräsentierte Lamm jene ältere Generation, die ihre biographischen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus an die Jüngeren weitergab. Als politischer Funktionär, gar als Agitator, verstand er sich nie. Er selber nannte sich einmal einen „Wanderprediger”. Im heutigen Vokabular würde man einen wie Lamm vielleicht einen Networker der linken Opposition zuerst gegen die Restauration der Adenauer-Jahre, später dann gegen die Große Koalition und den sozialdemokratischen Pragmatismus unter Helmut Schmidt nennen.
Michael Benz breitet dieses spannende Leben eines „unbequemen linken Streiters” in allen – manchmal zu vielen – Details in seiner Biographie aus. Welche
dieser großen Hoffnungen, vielleicht waren es oft auch einfach nur Illusionen,
haben Fritz Lamm überlebt? Nichts ist geblieben von diesem linken Traumtänzer, sagen sarkastisch und im Jargon der Sieger die Realisten des heutigen kapitalistischen Status quo. Ein Glück, einen so integren Menschen wie Fritz Lamm persönlich gekannt zu haben, sagen die anderen. Ein Vorbild jedoch wollte Lamm nie sein. Er wusste selber sehr genau, dass sein Leben voller Irrungen und selten nach außen getragener persönlicher Konflikte gewesen ist. Um die politische Kultur der Deutschen nach 1945 und nach 1989 stünde es aber auf jeden Fall schlechter, hätte es diese heute gerne vergessenen und verdrängten unbequemen Streiter wie Fritz Lamm nicht gegeben. CARL WILHELM MACKE
MICHAEL BENZ: Der unbequeme Streiter Fritz Lamm. Jude, Linkssozialist, Emigrant. 1911–1977. Eine politische Biographie. Klartext-Verlag, Essen 2007. 552 Seiten, 29,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Heinrich Senfft begrüßt es außerordentlich, dass dreißig Jahre nach dem Tod dieses Sozialdemokraten nun endlich eine Biografie vorliegt und verschlingt die aus seiner Sicht ebenso ergreifende wie exemplarische Darstellung von Fritz Lamms Lebensgeschichte entsprechend interessiert. Beim Lesen des 500 Seiten-Konvoluts musste er dennoch immer wieder seufzen. Denn der Biograf Michael Benz liefert für den Geschmack (und das Informationsbedürfniss) des Rezensenten manchmal dann doch deutlich zu viele Daten. Doch weil sich in der Geschichte des jüdischen Politikers die ganze Misere des 20. Jahrhunderts spiegelt, beeindruckt ihn das Werk insgesamt doch sehr. Auch wegen des darin geschilderten "im besten Sinne tapferen politischen Lebens".

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