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Wir alle haben über unsere Soziale Marktwirtschaft viel geredet, aber zu wenig über sie nachgedacht, über ihre Begründung, über die Voraussetzungen ihres Funktionierens und schließlich über die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit. Kurzum, es fehlt die gedankliche Klarheit, ohne die ihre Zukunft nicht gesichert werden kann. Roman Herzog gibt in diesem Buch Antworten auf Fragen, die sich für Anhänger wie für Kritiker unserer Wirtschaftsordnung gerade jetzt stellen müssen.

Produktbeschreibung
Wir alle haben über unsere Soziale Marktwirtschaft viel geredet, aber zu wenig über sie nachgedacht, über ihre Begründung, über die Voraussetzungen ihres Funktionierens und schließlich über die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit. Kurzum, es fehlt die gedankliche Klarheit, ohne die ihre Zukunft nicht gesichert werden kann. Roman Herzog gibt in diesem Buch Antworten auf Fragen, die sich für Anhänger wie für Kritiker unserer Wirtschaftsordnung gerade jetzt stellen müssen.
Autorenporträt
Roman Herzog, Jahrgang 1934, ist Jurist und Politiker. Von 1966 bis 1969 war er Professor an der FU Berlin, danach an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer; von 1978 bis 1980 war er Kultusminister und von 1980 bis 1983 Innenminister in Baden-Württemberg. 1983 wurde er Vizepräsident und 1987 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, von 1994 bis 1999 bekleidete er das Amt des Bundespräsidenten. Herzog veröffentlichte zahlreiche staatsrechtliche, politische und historische Bücher, u. a. "Vision Europa. Antworten auf globale Herausforderungen" (1996) und "Wider den Kampf der Kulturen. Eine Friedensstrategie für das 21. Jahrhundert" (2000).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2010

Regeln und Moral
Politik in der Finanzkrise: Problemanalyse und Entscheidungsbedarf

Was bleibt? Am 15. September 2008 ging die Lehman Brothers Bank pleite. Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise nahm mit diesem Datum Fahrt auf. Rund vier Wochen später traten die Bundeskanzlerin Merkel und ihr damaliger Finanzminister Steinbrück vor die Presse; sie versprachen, dass die Einlagen der privaten Konten in Deutschland sicher sind. Der öffentliche Diskurs durchlebt seit dieser Zeit Turbulenzen. Das Primat der Politik und des Staates kehrte plötzlich zurück. Die neue Staatsbedürftigkeit schien Krisengewinner zu werden. Sicherheit schlug Gerechtigkeit in der öffentliche Debatte. Doch mit der Gewöhnung an die Krise und dem gelungenen politischen Management der ersten Welle des Finanzmarkt-Desasters änderte sich der Diskurs erneut. Deregulierung und Privatisierung bleiben zwar als neoliberal öffentlich gegeißelt. Gleichwohl scheint nach dem symbolhaft verdichteten Opel-Spektakel die Einsicht gewachsen, dass auch Staatsinterventionismus ungerecht und ineffektiv ist. Der Bundestagswahl lagen all diese disparaten politischen Einstellungen zugrunde. Auch die kommende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen bleibt von diesem Grundrauschen beeinflusst: Wer sichert die Zukunft? Eher der Staat oder doch die Wirtschaft? Wie unterscheiden sich private von öffentlichen Interessen? Was gewinnt anstelle von Marktradikalität an neuer Prägekraft? Die Wähler wollen Antworten auf ihre Zukunftsängste, sie bewerten keine Leistungsbilanz. Sicherheitskonservatismus bestimmt viele politische Einstellungen: Sehnsucht nach etwas Festem, nach Berechenbarkeit, Übersichtlichkeit, Bindungen. Wer stoppt die Ungleichheitsdynamik? Wer sichert den Wert des Geleisteten?

Wer darauf Antworten abseits von Tageshektik und Wahlumfragen sucht, kann in den Büchern von Jürgen Rüttgers und Roman Herzog fündig werden. Beide Texte eignen sich für Krisen-Gewinner. Herzogs Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft überrascht nicht. Er arbeitet daran, diese Idee wieder freizulegen und auf den Kern zu reduzieren. Seine Gedankenfolge ist fast umgangssprachlich formuliert, weil er wohl auf große Außenwirkung hofft. Der Leser wird kapitelweise gedanklich an die Hand genommen. Herzog hält fest, dass es eine exakte Trennung der Zuständigkeiten zwischen Wirtschaft und Staat nie gegeben hat und dass sie auch gar nicht mehr möglich erscheint. Ein völlig staatsfreies Territorium der Unternehmen ist ebenso wenig vorstellbar wie die immerwährende Mitentscheidung der öffentlichen Verwaltung in unternehmerischen Kontexten. Er erinnert an die Gewaltenverschränkung, versteht darunter ein "System gegenseitiger Beratung, Warnung und Kontrolle". Klar wird, dass ein starker Staat keiner sein soll, der sich überall einmischt. Aber ohne einen starken Staat gibt es auch keinen Rechtsstaat, keine funktionierende Marktwirtschaft, keine Demokratie und auch keinen Sozialstaat, der wiederum für gesellschaftlichen und sozialen Frieden sorgen kann. Wer solche Kontexte in Form des hermeneutischen Sinnverstehens erfahren möchte, dem sei die Lektüre des ehemaligen Bundespräsidenten empfohlen.

Zeitlos wirkt auch das von Jürgen Rüttgers herausgegebene Buch, das Texte und Diskussionen eines Fachgesprächs über die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft in der Düsseldorfer Staatskanzlei vom April 2009 widerspiegelt. Die Substanz der Beiträge ergibt sich aus der interdisziplinären Zusammensetzung der zehn Teilnehmer der Runde. Denn so wird erfahrbar, dass mit der Finanzkrise auch eine neue Signatur der Zeit heraufbricht. Nicht die technischen Details interessieren die Runde, sondern die neue Balance von Staat, Gesellschaft, Wirtschaft. Vielleicht sind es zwei Eckpunkte, die sich durch die Texte leitmotivisch ziehen: Regeln und Moral. Muss nicht die Individualethik einer Institutionenethik entsprechen, wie der Erzbischof Marx argumentiert? Wie kann es unter den Bedingungen von wachsendem Nicht-Wissen und zunehmender Unsicherheit zu politisch legitimierten Entscheidungen kommen, fragt der Soziologe Wolfgang Streek? Was muss reguliert werden und wer darf regulieren - darum sorgt sich Ralf Dahrendorf. Für Rüttgers stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Problemanalyse und Entscheidungsbedarf. Offenbar sind die ökonomischen Probleme im Zuge der Finanzkrise mit den vorhandenem Entscheidungsregime nicht zu lösen. Welche neuen Aufsichtsbehörden sind notwendig, um Risiko und Haftung zusammenzubringen? Der Medienunternehmer Bodo Hombach problematisiert die Rolle der Medien. Sie haben im Krisenjahr viel an substantieller Aufklärung und Erklärung geleistet. Dennoch sind sie in den Jahren zuvor nicht gerade als Mahner gegen die Auflösung des Institutionellen oder einer Kommerzialisierung aller Lebensbereiche aufgetreten.

Da sich sowohl die transkribierte Diskussion als auch die ergänzenden Kurzbeiträge der Teilnehmer in diesem Buch mit grundsätzlichen Fragen auseinandersetzen, bleiben die Texte frisch. Denn ganz offensichtlich wird ein Epochenbruch neu vermessen, zu dem auch viele Wissenschaften ihren Beitrag leisten können. Gerade wenn es so ist, dass mit der Rezession auch individuelle Entwertungserfahrungen zunehmen, dann öffnet sich ein Raum für kulturelle Neudefinitionen. Was soll bewahrt werden? Was passiert, wenn nichts passiert? Was macht unser Leben im demokratischen Wohlfahrtsstaat so lebenswert? Was muss unternommen werden, um diese Substanz zu erhalten, ohne Freiheit in Verantwortung zu gefährden? Das sind grundsätzliche Fragen, die von den Autoren gewichtet, aber sicher nur ansatzweise beantwortet werden. Damit rücken letztlich ethische Kriterien zur Beurteilung und Gestaltung unserer Demokratie ins Zentrum. Die Krise hatte hierbei Katalysatorfunktion. Offenbar lieben wir das Messbare, aus Mangel an eigenen Maßstäben. Beide Bücher helfen, solche Maßstäbe zu entwickeln. Sie wappnen vor schnellen Lösungen, bleiben aber als sensibles Erwartungsmanagement für Kommendes nützlich.

KARL-RUDOLF KORTE

Jürgen Rüttgers (Hrsg.): Wer zahlt die Zeche? Wege aus der Krise. Klartext Verlag, Essen 2009. 160 S., 16,95 [Euro].

Roman Herzog: Marktwirtschaft in der Zwickmühle. Eine Antwort auf naheliegende Fragen. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2009. 160 S., 15,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wer sichert die Zukunft? Fragen wie diese interessieren den Rezensenten brennend. Das Buch des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog bietet Antworten jenseits von Wahlumfragen und Tagesgeschäft, meint Karl-Rudolf Korte und weist auf die umgangssprachliche Formulierung von Herzogs Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft und dem Versuch einer Entschlackung dieser Idee hin. Ein Buch für viele Leser also, mit hermeneutischem Verstand verfasst, so teilt uns Korte mit. Dass Herzog hilft, ethische Maßstäbe zur Gestaltung und Bewertung der Demokratie zu entwickeln, hält Korte für bedeutsam.

© Perlentaucher Medien GmbH