Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 9,99 €
  • Gebundenes Buch

In dieser Geschichte der Kriminalistik geht es um die gerichtlichen und polizeilichen Ermittlungstechniken von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Dabei dienen Fallgeschichten jeweils als Ausgangspunkt, um die kriminalistischen Verfahren vorzuführen und in ihren geschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Das Buch ist in drei Teile gegliedert; im ersten Teil geht es um die Vorgeschichte der Kriminalistik, um dabei um die Folter und ihre Abschaffung. Der zweite Teil widmet sich der Entwicklung zentraler Methoden der Fallaufklärung; so waren beispielsweise die Fotografie, der Fingerabdruck und…mehr

Produktbeschreibung
In dieser Geschichte der Kriminalistik geht es um die gerichtlichen und polizeilichen Ermittlungstechniken von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Dabei dienen Fallgeschichten jeweils als Ausgangspunkt, um die kriminalistischen Verfahren vorzuführen und in ihren geschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Das Buch ist in drei Teile gegliedert; im ersten Teil geht es um die Vorgeschichte der Kriminalistik, um dabei um die Folter und ihre Abschaffung. Der zweite Teil widmet sich der Entwicklung zentraler Methoden der Fallaufklärung; so waren beispielsweise die Fotografie, der Fingerabdruck und die wissenschaftliche Spurenanalyse Meilensteine auf dem Weg zur heutigen Kriminalistik. Im letzten Teil wendet sich Peter Becker schließlich kriminalistischen Methoden und neuen Ermittlungstechniken im 20. und 21. Jahrhundert zu, so der Nutzung von Fernsehsendungen wie "Aktenzeichen XY ungelöst", der Rasterfahndung oder dem genetischen Fingerabdruck.
Autorenporträt
Peter Becker ist Mitarbeiter im Produktionssystem der Heidelberger Druckmaschinen AG, Werk Wiesloch. Dort beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit der Analyse und ganzheitlichen Optimierung von Prozessen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2005

Es geschah am hellichten Tag
Vom Täter keine Spur: Peter Beckers Geschichte der Kriminalistik

Ein Strafrichter entscheidet nie über gegenwärtige, sondern immer über vergangene Wirklichkeiten. Damit er urteilen kann, muß der Fall vor ihm aufgerollt und für ihn rekonstruiert werden. Das ist die Aufgabe der Kriminalistik, die von der Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und den Untersuchungsrichtern getragen wird. Kriminologie dagegen ist die Wissenschaft von der Kriminalität überhaupt, von ihren Gründen, ihrer Bekämpfung und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung. In diesem Buch geht es nur um die Frage, wie Straftaten vor Gericht gebracht werden können.

Wir haben uns daran gewöhnt, von Straftaten mit Hilfe von Beweisen eine wirklichkeitsgetreue Rekonstruktion zu schaffen. Das ist eine unwahrscheinliche kulturelle Leistung. Natürlicher ist es, wenn ein Geschädigter die Bestrafung eines Schädigers verlangt und beide darstellen, was geschehen ist. Dann muß der Richter entscheiden, was wahr ist. Da aber die Relativität dieser "Wahrheit" offenkundig ist, gingen die Richter im Mittelalter dazu über, die Wahrheitssuche selbst in die Hand zu nehmen und die Beteiligten zu befragen. Um eine Willkür der Richter auszuschließen, sahen die "peinlichen Gesetze" strenge Beweisregeln vor. Dieser Inquisitionsprozeß ist nicht zu Unrecht in Verruf geraten. Er konnte dem einzelnen Fall nicht gerecht werden und sah die Folter vor. Aber mit der Vorstellung von einer objektiven Wahrheit hat er die modernen Beweismethoden erst ermöglicht. Dem Verfasser geht es weniger um solche mehr theoretischen Fragen. Ihn interessiert handfeste Empirie. Wie sich der Verzicht auf mögliche Informationen, der sich zum Beispiel im "informationellen Selbstbestimmungsrecht" ausspricht, zur Aufklärungsaufgabe der Kriminalistik verhält, blendet er aus. Mit Recht. Für Widersprüche der Gesellschaft mit sich selbst sind die Philosophen und Soziologen zuständig.

Der Verfasser demonstriert am Beispiel eines Augsburger Hexenprozesses die strukturellen Schwierigkeiten des Inquisitionsprozesses, aus denen nur der Sachbeweis befreien konnte. Die "Sache" war allerdings zunächst der Angeklagte, dessen Angaben man protokollierte und der - nach dem Verbot der Folter - verfeinerten Verhörmethoden unterworfen wurde. Eine Frucht der Bemühungen, Aussagen zu kontrollieren, war der "Lügendetektor", dessen Ergebnisse heute nicht mehr als gerichtliches Beweismittel gelten.

Ähnlich wurde der Einsatz von Ärzten fortentwickelt. Schon im Inquisitionsverfahren mußten Ärzte Verletzungen, Mordopfer und Schwangerschaften untersuchen. Die Lungenschwimmprobe bei Verdacht auf Kindsmord war eine ärztliche Erfindung. Im neunzehnten Jahrhundert begannen die Mediziner, eine Straftat aus ihrer Sicht umfassend zu würdigen, von den Wunden und der Identität eines Opfers bis zur Zurechnungsfähigkeit des Täters. Heute ist die Rechtsmedizin ein Universitätsfach.

Ein Problem, das bis heute nicht gelöst ist, war stets die Feststellung der Identität des Täters. Vor der Erfindung der Fotografie konnten Täter leicht untertauchen und sich eine neue Biographie zulegen. Steckbriefe halfen wenig. Mit Hilfe der Fotografie konnte man das Aussehen eines Täters festhalten und sicher übertragen. Freilich ermöglichte erst die Entdeckung, daß die Papillarlinien an den Innenflächen von Händen und Füßen bei jedem Menschen verschieden und unveränderlich sind, mit Fingerabdrücken eine zuverlässige und immer weiter verfeinerte Identitätsfeststellung.

Die Wissenschaft erweiterte die Möglichkeiten, Spuren zu suchen und auszuwerten, von Blutpartikeln bei Gewalttaten bis zu Zündanlagen bei Brandstiftungen. Der Computer gestattete die Rasterfahndung, das heißt die Suche nach Verdächtigen ohne individuellen Tatverdacht, die Genetik den genetischen Fingerabdruck, die Fallanalyse eine relativ genaue Rekonstruktion der Tat, die Datenbank eine schnellere Ermittlung von Serientätern, und die modernen Medien erlauben es, die Öffentlichkeit wirksamer in die Fahndungsarbeit der Polizei einzubeziehen. Der Verfasser betont aber nachdrücklich, alle Fortschritte der Wissenschaft hätten den geschulten Blick des Kriminalisten nicht entbehrlich gemacht. Irgend jemand muß die Tatsachen zu einem sinnvollen Sachverhalt zusammenfügen. Sherlock Holmes wird noch gebraucht.

Der Verfasser ist nicht Kriminalist, sondern ein Historiker, der sich für die Geschichte der Polizei interessiert. Sein Buch wendet sich an "ein breites Publikum", also nicht nur an Kriminalisten. Neuere Entdeckungen will er nicht präsentieren. Und wer ist das breitere Publikum? Alle, die sich für Kriminalgeschichten interessieren, vor allem die, die selbst welche schreiben. Sie erhalten gut lesbare und - mit leichten Einschränkungen - wohlgeordnete Informationen darüber, was die Polizei bei der Verbrecherjagd tut und was sie getan hat. Für die Verfasser historischer Kriminalromane ist das Buch ein Muß. Man kann den Stand der Kriminalistik bis in das achtzehnte Jahrhundert ziemlich genau zurückverfolgen.

GERD ROELLECKE

Peter Becker: "Dem Täter auf der Spur". Eine Geschichte der Kriminalistik. Primus Verlag, Darmstadt 2005. 288 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.02.2006

Die Polizei wackelt nicht
Wer, was, wie, wo: Peter Beckers Geschichte der Kriminalistik
Alles wissen wollen. Alles wissen. Im goldenen Zeitalter des Wissens, dem Jahrhundert der Aufklärung, im September 1755, schrieb Rousseau an Voltaire: Das ist Wahnsinn. Der Wahnsinn des totalen Wissens. Vor 250 Jahren galt dieser Wahnsinn noch der allgemeinen Kenntnis von Natur, Kultur und Menschentum. Die fundamentale Skepsis, die totale Ironie und die schwärmerische Bescheidenheit der Aufklärer ließen das umfassende Wissensprojekt der lumières gerade nicht im Wahnsinn enden. Nur eine Enzyklopädie kam heraus. Ein Denk-mal-nach.
Das Wissen und das Wissen-Wollen sind also bereits zu deren Hochzeit in Frage gestellt worden. Inzwischen sind die prämodernen, modernen, postmodernen Zweifel am Wissensprojekt Allgemeingut. Wissen ist Konstruktion und Meinung, wie jeden Tag im Volksfernsehen zu sehen. Die Experten des Wissens, die Wissenschaftler, sind sich nie einig. Ob Klima, Gentechnik oder Islam, die Statements der Schaffer des Wissens werden ausgerufen wie Zahlen auf dem Markt. Den (ger)echten Preis gibt es nicht. Das Wissen ist marktgängig geworden. Das Wissen bewegt sich. Das Wissen ist volatil.
Doch eine Domäne ist von dieser Auflösung des Wahr-Wissens scheinbar unberührt geblieben. Wer, was, wie, wo - und warum? Da darf nicht gewackelt werden, das muss feststehen, das muss gewusst werden, bewiesen gar. Denn sonst hätte das Strafrecht, jedenfalls ein rechtsstaatliches, das nicht nach Gutdünken urteilt, nichts zu tun. In den Polizeibüros wird das wahre Wissen noch hochgehalten, ja die Verfahren zu dessen Gewinnung immer mehr verfeinert, damit bloß niemand entkomme, der eine Straftat begangen hat. Die Polizei ist eine ironiefreie Zone. Das wahre Wissen wird in den Laboren der Kriminalistik hergestellt.
Die Geschichte der Verfahren zur Aufklärung von Verbrechen hat nun der Historiker Peter Becker vorgelegt. So, wie es sich gehört: Vorgeschichte, Geschichte, Gegenwart und Ausblick. Die Vorgeschichte fällt, genregemäß, knapp aus. Die Abschaffung der Folter - und damit die Abkehr vom Erfordernis des Geständnisses zur Wahrheitsfindung - „erforderte die Entwicklung neuer Technologien”. Auch wenn man diesen nachgerade geschichtsphilosophischen Zwang nicht für ganz zwingend halten mag, klar ist: Die Kriminalistik war geboren, im 19. Jahrhundert. Nicht mehr Konzentration auf den Täter allein, sondern auf die Tat, nicht mehr starre Beweisregularien, sondern Sachbeweis und freie Beweiswürdigung durch den Richter, nicht mehr Hexen- und Zaubereidogmatik, sondern Spurenanalyse - also exakte wissenschaftliche Kriminalistik. Deren Methoden und Verfahren ist der Hauptteil des Buches gewidmet.
Ermittlungs-Spritzer
Eingebettet in teils berühmte Fallgeschichten schildert Becker Rechtsmedizin, Täter-/Tatortfotografie, Spurensicherung, Fingerabdrucktechnik, Labortechnik, aber auch die Kommunikation und Kooperation (und ihre Schwierigkeiten) zwischen den Polizeibehörden und internationalen Informationsaustausch, insgesamt also das ganze Panorama der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Das ist zuweilen kurzweilig und auch schön illustriert, wie etwa in den Abschnitten zur Standardisierung der Täterfotografie, zu dem Umgestalter nicht nur der Pariser Polizeiarbeit Alphonse Bertillon oder zur Identifikation von kleinsten Menschenblutspritzern auf dem total verschmutzten Kittel des Mörders.
Häufig stehen die Schilderungen der kriminalistischen Verfahren aber seltsam allein da. Im Umschlagstext wird zwar versprochen, die Beziehung der Kriminalistik zum „sozialen, kulturellen und politischen Kontext” herzustellen. Doch geschieht dies allzu selten und in einer Allgemeinheit, die bisweilen bestenfalls schmunzeln lässt: „In diesen fünfzig Jahren veränderten sich Wirtschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Polizei.” Wer hätte das gedacht!
Besser gelungen ist wieder die Beschreibung der unmittelbaren, in die Gegenwart und Zukunft reichenden Vergangenheit. Es geht um den gläsernen Menschen - Rasterfahndung, Biometrie und genetischer Fingerabdruck. Becker führt noch einmal die Allwissensmachtsphantasien des BKA-Präsidenten in den siebziger Jahren, Horst Herold, mit einem Zitat vor Augen: „Ich erstrebe einen Strafprozess, der (. . .) frei ist von Zeugen und Sachverständigen. Der sich ausschließlich gründet auf dem wissenschaftlich nachprüfbaren, messbaren Sachbeweis (. . .) auch der Richter (ist) entbehrlich”. Becker präsentiert Herold als Nachfolger des berühmten Grazer Kriminalisten Hans Gross. Hinzuzufügen wäre, dass ein anderer tatsächlich bei Gross gelernt hat: Franz Kafka.
Alles wissen wollen. Alles wissen. Die Geschichte der Registratur krimineller Menschentaten, die Jagd um das Wissen darum, ist eine teils zu einzelhafte, teils zu allgemeine, teils nicht zu spannende Lektüre. Alles weiß man am Ende nicht, schon deshalb, weil die Druckerei des Verlages es versäumt hat, die Seiten 225 bis 256 in das Rezensionsexemplar einbinden zu lassen. Das ist tröstlich bei einem Buch, in dem es ums Wissen-Schaffen geht. Denn: Will man wirklich alles wissen?
RAINER MARIA KIESOW
PETER BECKER: Dem Täter auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminalistik. Primus Verlag, Darmstadt 2005. 288 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nur mäßiges Lob erntet Peter Beckers Geschichte der Kriminalistik vom Rezensenten Rainer Maria Kiesow. Zwar veranschauliche Becker anhand von "teils berühmten Fallgeschichten", wie die Kriminalistik auf all ihren Feldern (beispielsweise der Rechtsmedizin, der Täter-/Tatortfotografie oder der Spurensicherung) ihre Techniken der Wahrheitsfindung weiterentwickelt habe, und erschließe somit seinem Leser "das ganze Panorama der polizeilichen Ermittlungsarbeit". Leider jedoch seien seine Ausführungen nur bisweilen kurzweilig, was auch daran liegen mag, so der Rezensent, dass die Beschreibungen der kriminalistischen Verfahren mitunter "seltsam alleine" dastehen und somit dem - wenn auch nur im Klappentext formulierten - Anspruch, "die Beziehung der Kriminalistik zum 'sozialen, kulturellen und politischen Kontext' herzustellen", nicht gerecht werden. Beckers Darstellung der "unmittelbaren Vergangenheit" erscheint dem Rezensent hingegen besser gelungen: Zum einen die Erinnerung an die "Allwissensmachtsphantasien" eines Horst Herold (in den Siebziger Jahren BKA-Präsident) und zum anderen die in Gegenwart und Zukunft reichende Problematik des "gläsernen Menschen".

© Perlentaucher Medien GmbH