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Heidnischer ReligionsstifterDie erste umfassende Studie zu Leben und Werk des Juristen und heidnischen Religionsstifters Friedrich Hielscher (1902-1990), einem der engsten Bekannten Ernst Jüngers in den 20er Jahren. Sie analysiert die Beziehung dieser beiden Männer sowie besonders Hielschers Positionen und die seiner Kreise bezüglich politischer wie wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und religiöser Fragen und auch hinsichtlich der Geschlechterbilder und -verhältnisse. Der erste Kreis um ihn (u.a. Franz Schauwecker, Ernst v. Salomon, Friedrich Wilhelm Heinz) beginnt mit nationalistischen…mehr

Produktbeschreibung
Heidnischer ReligionsstifterDie erste umfassende Studie zu Leben und Werk des Juristen und heidnischen Religionsstifters Friedrich Hielscher (1902-1990), einem der engsten Bekannten Ernst Jüngers in den 20er Jahren. Sie analysiert die Beziehung dieser beiden Männer sowie besonders Hielschers Positionen und die seiner Kreise bezüglich politischer wie wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und religiöser Fragen und auch hinsichtlich der Geschlechterbilder und -verhältnisse. Der erste Kreis um ihn (u.a. Franz Schauwecker, Ernst v. Salomon, Friedrich Wilhelm Heinz) beginnt mit nationalistischen Aktivitäten gegen die Weimarer Republik und einer antisemitischen Orientierung. Seit Ende der 20er Jahre läßt er eine vehemente Ablehnung des Nationalsozialismus erkennen, die dann mit einem neuen Kreis (Frauen und Männer) schließlich 1933 in den Widerstand gegen den NS übergeht, was verbunden ist mit einer Abkehr von nationalistischen und antisemitischen Einstellungen.
Autorenporträt
Ina Schmidt, geboren 1963, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Soziologie der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Sie promovierte mit einer Arbeit über Friedrich Hielscher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2005

Ein Mann des Widerstands?
Neue Zeugnisse über den Religionsstifter Friedrich Hielscher
Die Urteile über den Religionsstifter Friedrich Hielscher (1902-1990) sind gespalten. Politisch wird er zur „Konservativen Revolution” gerechnet, einer Bewegung, die sich trotz radikaler Anschauungen dem Dritten Reich gegenüber eine gewisse Eigenständigkeit bewahrte. Hielschers 1931 erschienenes Buch „Das Reich” ist eine Mischung aus mystizistischem Traktat, Staatslehre und neuheidnischer Dogmatik. Er ernannte sich zum Oberhaupt einer „Unabhängigen Freikirche” (UFK), in der er als charismatischer Hohepriester fungierte, Trauungen, Taufen und Beerdigungen vollzog und nach Belieben wahre wie vermeintliche Abweichler exkommunizierte. Die Schar seiner Anhänger blieb daher klein.
Die Hamburger Soziologin und Geschlechterforscherin Ina Schmidt legt erstmals eine minutiös dokumentierte Studie zu Hielscher und seinen Jüngern vor. Sie kann zeigen, dass es zwei höchst unterschiedlich Anhängerkreise gab, von denen der erste bereits in der Weimarer Republik entstand und gleichermaßen nationalistisch wie antisemitisch orientiert war. Zu ihm gehörten etwa Ernst von Salomon und Franz Schauwecker. Hielscher lehnte jedoch den Nationalsozialismus ab und leistete Widerstand. Nachweislich hat er jüdische Mitbürger versteckt und ihnen bei der Flucht ins Ausland geholfen. Nicht belegt ist dagegen bis heute der Plan, seinen Freund und Schüler Wolfram Sievers zur Unterwanderung als Maulwurf in Heinrich Himmlers „Ahnenerbe der SS” einzuschleusen. Sievers wurde im Nürnberger Ärzteprozess als Kriegsverbrecher zum Tod durch den Strang verurteilt.
Hielscher selber hat 1954 eine Autobiografie veröffentlicht, in der sich Dichtung und Wahrheit mischen. Archiv-Belege fehlen; Schmidt hat stattdessen noch lebende Mitglieder der UFK oder ihre Angehörigen befragt. Besonders aufschlussreich sind ihre Gespräche mit Ernst Jünger und die Auswertung seiner lebenslangen Korrespondenz mit Hielscher. In einem Brief an K.-A. Wittfogel schrieb Hielscher: „Ja, wir verstehen einander besser als jemals, haben einander auch unter den Nazis im Kampfe gegen das Gesindel die Bälle nach Vermögen zugespielt, und ich bin im wesentlichen mit seiner Entwicklung recht einverstanden”. Jünger erwähnt ihn (Bogo oder Bodo genannt) mehrmals in „Strahlungen”. Wir erfahren, dass Hielscher an einer eigenartigen Liturgie für seine Freikirche arbeitete, dass er im Krieg in ganz Europa herumreisen durfte, vor allem aber, dass er Ernst Jünger über die schrecklichen Zustände und Massenmorde im Lodzer Ghetto informierte, das er besuchen konnte.
Fast alle von Schmidt ausgewerteten Zeugnisse haben den Nachteil der Parteilichkeit. Da Hielscher streitbar und nachtragend war, brach er den Kontakt zu den Exkommunizierten rigoros ab. Letztliche Klarheit können daher auch die neuen Materialien nicht bringen, obwohl sie Schmidts Aussagen erhärten. Die Verfasserin hat Hielschers Lebensweg, seine Ideologie, seine Vordenker, die Biografien seiner Adepten, ihrer aller Verhältnis zum Nationalsozialismus, seine Rettungsaktionen - hier ist vor allem Alfred Kantorowicz zu nennen - und seine Verbindungen zu aktiven Widerständlern rekonstruiert. Demzufolge unterhielten Hielscher und seine Anhänger intensiven Kontakt zu führenden Männern des 20. Juli wie Schulenburg, Haubach oder Reichwein. Die meisten wurden verhaftet, doch gelang es dem „trojanischen Pferd” Sievers, die Gestapo von der Version zu überzeugen, dass der versponnene Gelehrte Hielscher harmlos sei. Er kam Ende 1944 frei und wurde zur Frontbewährung abgeschoben.
Die Verfasserin ist nicht unkritisch und macht deutlich, dass Hielscher sich und seinen Aktivitäten nachträglich eine Planmäßigkeit zuschrieb, die sie nicht hatten. Dennoch dürfte nach ihren Untersuchungen feststehen, dass Hielschers Teilhabe am deutschen Widerstand gegen Hitler größer war als bisher angenommen. Sievers ist hingegen nicht rein zu waschen; zu eindeutig ist seine Mitverantwortung an todbringenden Menschenversuchen.
FRANK-RUTGER HAUSMANN
INA SCHMIDT, Der Herr des Feuers. Friedrich Hielscher und sein Kreis zwischen Heidentum, neuem Nationalismus und Widerstand gegen den Nationalsozialismus. SH-Verlag, Köln 2004. 335 Seiten, 29,80 Euro.
Friedrich Hielscher, hier als Zeuge bei den Nürnberger Prozessen
Foto: Corbis
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Geschichte von Friedrich Hielscher und seiner "Unabhängigen Freikirche" ist umstritten: Er wird der "Konservativen Revolution" zugerechnet und hatte in der Weimarer Republik eine nationalistische und antisemitische Anhängerschaft. Andererseits hat Hielscher nachweislich nach 1933 Juden versteckt und zur Flucht verholfen. "Die Verfasserin", schreibt Frank- Rutger Hausmann, "hat Hielschers Lebensweg, seine Ideologie, seine Vordenker, die Biografien seiner Adepten, ihrer aller Verhältnis zum Nationalsozialismus, seine Rettungsaktionen und seine Verbindungen zu aktiven Widerständlern rekonstruiert" und dabei reichlich neues Material erschlossen und ausgewertet. Ihr Ergebnis: die Widersprüchlichkeit bleibt erhalten, wobei die positive Rolle Hielschers bestärkt wird.

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