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Als die "Kommission moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" - bekannt als "Hartz-Kommission" - ihren Abschlußbericht vorlegte, versprach Bundeskanzler Schröder, die 13 Module des Berichts eins zu eins umzusetzen. Opposition und große Teile der Öffentlichkeit standen und stehen den Kommissionsvorschlägen allerdings sehr kritisch gegenüber. Während die einen beklagen, sie würden nur verwässert oder gar nicht umgesetzt, bestreiten andere ihren Sinn und Zweck. Dieser Band - herausgegeben von zwei Wissenschaftlern, die der Kommission selbst angehörten - liefert nun eine erste Zwischenbilanz zur…mehr

Produktbeschreibung
Als die "Kommission moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" - bekannt als "Hartz-Kommission" - ihren Abschlußbericht vorlegte, versprach Bundeskanzler Schröder, die 13 Module des Berichts eins zu eins umzusetzen. Opposition und große Teile der Öffentlichkeit standen und stehen den Kommissionsvorschlägen allerdings sehr kritisch gegenüber. Während die einen beklagen, sie würden nur verwässert oder gar nicht umgesetzt, bestreiten andere ihren Sinn und Zweck. Dieser Band - herausgegeben von zwei Wissenschaftlern, die der Kommission selbst angehörten - liefert nun eine erste Zwischenbilanz zur Debatte um die und zur Implementation der Reformen. Zwar ist es für Aussagen über mittel- und langfristige Wirkungen noch zu früh und bei einzelnen Modulen ist offenbar, daß die Erwartungen zu hoch gesteckt waren. Dennoch hat die Kommission nach Ansicht der Beiträger zum ersten Mal ein kohärentes Gesamtkonzept für einen modernen und flexiblen Arbeitsmarkt vorgelegt, eine klare Agenda für die Reformdiskussion vorgegeben und eine nachhaltige Reformbewegung in Gang gesetzt. Die Verfasser argumentieren, daß die Konzepte weiter zu entwickeln und laufend mit den Erfahrungen des Umsetzungsprozesses anzureichern oder zu korrigieren sind. Insofern ist ein Lernprozeß im Geiste des Gesamtkonzepts wichtiger als eine mechanistische Eins-zu-eins-Umsetzung.
Autorenporträt
Professor Dr. Werner Jann lehrt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Potsdam.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2004

Abgeschwächte Reform
Wie die Vorschläge der Hartz-Kommission umgesetzt werden

Werner Jann/ Günther Schmid (Herausgeber): Eins zu eins? Eine Zwischenbilanz der Hartz-Reformen am Arbeitsmarkt, Edition Sigma, Berlin 2004. 112 Seiten, 8,90 [Euro].

 Vom Gelingen oder Mißlingen der Arbeitsmarktreformen hängt für die rot-grüne Bundesregierung viel ab. Werden nur einige dieser Reformen als erfolgreich wahrgenommen, verbessert das die Chancen der Wiederwahl 2006. Stürzt die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe viele Sozialämter ins Chaos, wird die SPD ihr Ansehen bei den Traditionswählern noch stärker verlieren, als sie dies bei den Landtagswahlen in diesem Jahr schon getan hat.

Die Arbeitsmarktfachleute Werner Jann und Günther Schmid, die beide der Hartz-Kommission angehörten, haben in einer kleinen Studie schon einmal eine "Zwischenbilanz" der Arbeitsmarktreformen vorgelegt. Zu Recht mag gefragt werden, wie es möglich ist, die Wirkung von Gesetzen zu untersuchen, von denen noch nicht alle in Kraft getreten sind. Deshalb beziehen der in Potsdam lehrende Politikwissenschaftler Jann und der am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) forschende Arbeitsmarktfachmann Schmid ihre "Zwischenbilanz" auf die Frage: Was hat die Kommission unter dem VW-Personalvorstand Peter Hartz der Regierung vorgeschlagen, und was hat diese daraus gemacht?

Eine berechtigte Frage, zumal Bundeskanzler Schröder eine "Eins-zu-eins-Umsetzung" angekündigt hatte. Natürlich hat die Bundesregierung nicht alle Vorschläge übernommen, die die Kommissionsmitglieder dem Kanzler im Französischen Dom in Berlin im August 2002 auf einer CD überreichte. Das war auch nicht zu erwarten, denn Schröders Ankündigung sollte wohl eher seine rückhaltlose Unterstützung des Reformprojektes ausdrücken, jede andere Äußerung hätte wohl als vorschnelle Distanzierung von den vor allem im linken Flügel der SPD sehr umstrittenen Reformen gegolten. Jann und Schmid haben herausgefunden, daß "gut ein Drittel" der Reformen weitgehend und teilweise in veränderter Form auch in Gesetzen Niederschlag gefunden haben. Das halten sie für ein gutes Ergebnis. Ein weiteres Drittel sei intensiv vorbereitet worden und werde "in absehbarer Zeit zur Umsetzung und zur Wirkung" kommen. Sie erwähnen auch, welche Reformvorschläge wohl vorerst keine politische Zukunft haben: die Idee, Ausbildungs-Wertpapiere einzuführen und aus den Landesarbeitsämtern sogenannte "Kompetenzzentren" zu machen, die sogar Arbeitgeber bei der Bildung sogenannter "Cluster" beraten sollten. Welche Vorschläge der Hartz-Kommission dann tatsächlich in Gesetzen formuliert wurden, haben Jann und Schmid am Ende des Buches noch einmal in einer sehr hilfreichen Tabelle zusammengefaßt.

Mithin handelt es sich bei dem Band eher um ein kleines Nachschlagewerk zu den Hartz-Reformen und dem Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in die Bundesagentur. Sachlich erläutern die Autoren die Begründung der Reformen, auch den Streit zwischen Union, Arbeitgebern und dem Landkreistag auf der einen Seite, der SPD, den Gewerkschaften und dem Deutschen Städtetag über das Optionsmodell auf der anderen Seite, fassen sie noch einmal sachlich zusammen. Dabei erinnern sie an die Gründe, weshalb eine völlige Kommunalisierung der neuen Arbeitslosenhilfe II auch Nachteile hätte: Nicht alle Kommunen haben Erfahrung mit der Vermittlung von Arbeitslosen; und eine Trennung der Zuständigkeiten für Empfänger des Arbeitslosengeldes I und des neuen Arbeitslosengeldes II sollte aus gutem Grund verhindert werden, abermals würde eine Zweiklassengesellschaft entstehen.

Jann und Schmid legen dar, welche Gravamina alle Parteien (mit Ausnahme der PDS) in dem Willen geeint haben, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzulegen. Nichteffiziente Verwaltungsstrukturen haben die Vermittlung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt seit Jahren verhindert. "Unnötiger Bürokratieaufwand (doppelte Leistungsprüfung, -berechnung und -auszahlung) entsteht dadurch, daß derzeit circa 180000 Arbeitslose neben Arbeitslosenhilfe zur Erreichung des Existenzminimums zusätzlich Sozialhilfe erhalten", heißt es im Buch. Weitere Gründe für die Reform waren die sogenannten "Verschiebebahnhöfe", weil entweder die Sozialämter oder die Arbeitsanstalt über viele Jahre versuchten, ihre Sozialhilfe- oder Arbeitslosenhilfestatistik auf Kosten der jeweils anderen Organisation zu bereinigen. Und - auch das ist in der oftmals populistischen Diskussion über Hartz IV vergessen worden - hat die Zunahme von Sozialhilfeempfängern zu einer "Kommunalisierung" der Kosten der Arbeitslosigkeit geführt. Besonders für die jeweiligen Bundesregierungen ließen sich diese Kosten somit verstecken und Verantwortlichkeiten verschleiern.

In dem Kapitel über den Umbau der Arbeitsanstalt finden sich zahlreiche Fakten, die deutlich machen, daß es sich bei den Strukturveränderungen der Nürnberger Anstalt nicht um eine Beschäftigungstherapie für von der Wirtschaftskrise gebeutelte Unternehmensberater handelt, sondern daß es in der Organisation der BA Strukturfehler gab und gibt, die schon vor zehn Jahren hätten beseitigt werden müssen. Neben einer Veränderung der Leitungsstruktur durch die Schaffung eines dreiköpfigen Vorstands und der Vorgabe klarer Leistungsziele für das Personal ist nach Auffassung der Autoren eines der wichtigsten Ziele des Umbaus, die Kostentransparenz der Bundesagentur herzustellen. So soll die Verwendung von Geldern des Bundes und solchen aus der Arbeitslosenversicherung nunmehr in "getrennten Rechnungskreisen" ausgewiesen werden. Nur so ließen sich Kosten und Nutzen zum Beispiel bei der Betreuung von benachteiligten Langzeitarbeitslosen klar ermitteln.

Die Autoren arbeiten gut heraus, an welchen Stellen die Bundesregierung die Reform abgeschwächt hat: So ist sie dem Vorschlag der Hartz-Kommission, die BA von den Fesseln der Bundeshaushaltsordnung zu befreien, nicht gefolgt. In dem Kapitel über den Umbau der  Arbeitsagentur wird deutlich, daß auch ein etwas vorschneller Vergleich von Reformanspruch und Reformergebnis durchaus sinnvoll sein kann. "Auch vom versprochenen Ende der Erlaßkultur aus Nürnberg kann noch nicht die Rede sein. Vor der Reform gab es im Jahr 2001 69 ,Runderlasse', im Jahr 2002 waren es 101, umbenannt in ,Geschäftsanweisungen', und weitere 89 allein im ersten Halbjahr 2003. Auch wenn für den Reformprozeß Anweisungen aus der Zentrale notwendig sind, ist ein Auseinanderdriften von Reformrhetorik und tatsächlichen Veränderungen unübersehbar."

RÜDIGER SOLDT 

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Aufschlussreich findet Rezensent Rüdiger Soldt diese Studie von Werner Jann und Günther Schmid, die der Frage nachgeht, wie die Vorschläge der Hartz-Kommission von der Bundesregierung umgesetzt werden. Die Autoren, selbst Mitglieder der Kommission, stellen fest, dass etwa ein Drittel der Reformen in Gesetzen Niederschlag gefunden habe, und dass ein weiteres Drittel intensiv vorbereitet worden sei und "in absehbarer Zeit zur Umsetzung und zur Wirkung" kommen werde, berichtet Soldt. "Sachlich" erläuterten die Autoren die Begründung der Reformen sowie den Streit zwischen Union, Arbeitgebern und dem Landkreistag auf der einen Seite, der SPD, den Gewerkschaften und dem Deutschen Städtetag. Soldt hebt hervor, dass der Band über die unmittelbaren Fragen nach der Umsetzung der Hartz-Vorschläge hinaus auch ein kleines Nachschlagewerk zu den Hartz-Reformen und dem Umbau der Bundesanstalt für Arbeit in die Bundesagentur bietet.

© Perlentaucher Medien GmbH