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Lessings Bucherwerbungen ergänzen heutige Vorstellungen von dem kundigen und erfahrenen Bücherkenner.Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) leitete die heutige Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel von 1770 bis zu seinem Tode 1781. Er war nicht nur Dichter, Schriftsteller, Kritiker, sondern auch ein gelehrter Bibliothekar, der unter den reichen Schätzen der berühmten Bibliothek bedeutende Entdeckungen machte und publizierte.In dem vorliegenden Werk werden erstmalig die fast 1000 Bücher, die Lessing während seiner Amtszeit angeschafft hat, anhand von detaillierten Quellenstudien ermittelt,…mehr

Produktbeschreibung
Lessings Bucherwerbungen ergänzen heutige Vorstellungen von dem kundigen und erfahrenen Bücherkenner.Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) leitete die heutige Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel von 1770 bis zu seinem Tode 1781. Er war nicht nur Dichter, Schriftsteller, Kritiker, sondern auch ein gelehrter Bibliothekar, der unter den reichen Schätzen der berühmten Bibliothek bedeutende Entdeckungen machte und publizierte.In dem vorliegenden Werk werden erstmalig die fast 1000 Bücher, die Lessing während seiner Amtszeit angeschafft hat, anhand von detaillierten Quellenstudien ermittelt, nach den Erwerbungsarten - Kauf, Tausch, Geschenk - ausführlich beschrieben und durch Übersichten und Register systematisch, chronologisch und alphabetisch erschlossen. Durch Lessings Bücheranschaffungen erhielt die Bibliothek einen beträchtlichen Zuwachs an grundlegenden Werken aus allen Wissensgebieten: Editionen, Lexika, Enzyklopädien, Zeitschriften, Darstellungen, Untersuchungen.Aus dem Quellenwerk geht deutlich hervor, daß Lessings Bucherwerbungen von einer souveränen Anschaffungspolitik trotz der geringen Erwerbungsmittel zeugen. Lessing bemühte sich, die wesentlichen Neuerscheinungen seines Jahrzehnts zu kaufen und Lücken durch antiquarische Käufe zu schließen.
Autorenporträt
Paul Raabe (21.2.1927-5.7.2013) war Literatur- und Buchhistoriker. Von 1958 bis 1968 leitete er die Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach, bevor er 1968-1992 Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel wurde. Danach war er bis 2000 Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale. 2006 wurde ihm die Karl-Preusker-Medaille, 2013 die Leibniz-Medaille verliehen, 2012 wurde er zum Ehrenmitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft ernannt. Er war Ehrenbürger der Stadt Wolfenbüttel und der Stadt Halle (Saale).

Barbara Strutz, (1928-2018), Diplombibliothekarin, war von 1953-1970 tätig bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bibliotheksreferat, Bonn-Bad Godesberg, und von 1970-1993 Leiterin der Erwerbungsabteilung in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2005

Versunkene Bücherwelt
Lessings Erwerbungen für die Wolfenbütteler Bibliothek
Als der fünfjährige Gotthold Ephraim Lessing mit einem Vogel gemalt werden sollte, weigerte er sich: „Mit einem großen, großen Haufen Bücher, sagte er, müssen Sie mich malen, oder ich mag lieber gar nicht gemalt seyn.” Ein Jahrzehnt später porträtierte ihn sein Rektor nicht mit einem Tier, sondern als ein solches: „Es ist ein Pferd, das doppeltes Futter haben muß.” Das ihm zugedachte Futter waren „Lectiones” aus „großen, großen Haufen Büchern”. Kein Wunder, dass das Büchersammeln im Laufe seines Lebens bei Lessing fast Suchtcharakter annahm. Als er vierzigjährig seine mehr als 6000 Bände umfassende Privatbibliothek in Hamburg versteigern musste, so geschah dies vornehmlich, weil ihn die mit J. J. Bode gegründete „Buchhandlung der Gelehrten” (samt Druckerei), in der sowohl seine „Briefe antiquarischen Inhalts” wie Klopstocks Oden erschienen, all seine schmalen Ersparnisse gekostet hatte.
Dass er kurz darauf, Anfang Mai 1770, das Amt des Leiters der weltberühmten Wolfenbütteler Bibliothek übernahm, hatte für Lessing die willkommene Konsequenz: „Ich kann meine Bücher, die ich aus Noth verkaufen müßen, nun sehr wohl vergeßen”, (an den Vater, 27. Juli 1770). So wunderbar freilich die Wolfenbütteler Bücherbestände aus dem 16. und 17. Jahrhundert waren, so begrenzt waren die Mittel für Neuanschaffungen: 200 Taler jährlich, von denen - nach Abzug der Kosten für Schreibmaterialien, Porto, Abonnements, Buchhändlerlöhne etc. - „selten für 120 wirkliche Vermehrungen angeschaft werden” konnten (an den Herzog, 20. September 1780). Konnte sein Briefpartner Ch. G. Heyne als Leiter der Göttinger Universitätsbibliothek mit dem astronomischen Jahresetat von 3-4000 Talern die europäische Bücherproduktion nahezu vollständig sammeln, ja bei Auktionen sogar erfolgreich mit dem (vom selben König aus dem Haus Hannover finanzierten!) British Museum konkurrieren, so musste sich Lessing auf ganz gezielte Buchkäufe konzentrieren. Um so aufschlussreicher ist nun das vollständige Verzeichnis der 975 Neuerwerbungen während des Jahrzehnts seiner Bibliothekarstätigkeit in Wolfenbüttel.
Ein Drittel all dieser Bücher hatte Lessing für 270 Taler während seiner Italienreise 1775 mit dem 23-jährigen Prinzen Leopold von Braunschweig-Lüneburg, dem jüngsten Bruder der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar, gekauft: italienische Komödien und Opernlibretti, einige griechische und römische Klassiker, Ariosts „Rasenden Roland” und die Gleichnisse aus Dantes „Göttlicher Komödie” auf lateinisch, Tassos „Befreites Jerusalem” auf neapolitanisch, Äsops Fabeln auf venezianisch, Góngoras manieristische Dichtungen im spanischen Original, den ersten spanischen Schelmenroman „Lazarillo de Tormes” wie auch Werke Diderots, Gellerts, Gessners und Wielands auf Italienisch, vieles von Winckelmann auf Deutsch.
Doch das Gros der italienischen Titel dürfte mittlerweile selbst dem gebildetsten deutschen Leser unbekannt sein - falls er nicht ihre minuziöse Kommentierung in dem Ausstellungskatalog „Eine Reise der Aufklärung. Lessing in Italien 1775” (Hrsg. v. Lea Ritter-Santini, Wolfenbüttel 1993) kennt, an dem die Herausgeber dieses Buchs mitgearbeitet hatten. Dann - aber nur dann - kann er wissen, dass Diego Calao Agatas „Piano ovvero Ricerche filosofiche sulle lingue” (Nr. 423) wohl das lang gesuchte Zwischenglied zwischen Giambattista Vico und seinen deutschen Nachfahren Lessing, Herder und Goethe darstellt oder dass eine der zahlreichen Reisebeschreibungen, Alberto Fortis’ „Viaggio in Dalmazia” (Nr. 539), die zweisprachige Vorlage für Goethes Übersetzung der Asanaginica („Klaggesang von der edeln Frauen des Asan Aga, aus dem Morlackischen”) enthielt, mit der Goethe im 19. Jahrhundert zum Eideshelfer für die serbokroatische wie überhaupt für die slawischen Literaturen wurde.
Über diese italienischen Ankäufe hinaus werden hier systematisch und chronologisch Lessings Bucherwerbungen in Wolfenbütteler, Braunschweiger, Mannheimer und Berliner Buchhandlungen, auf Auktionen und von Privatpersonen (etwa antike und arabische Klassiker aus der Bibliothek des Orientalisten Johann Jacob Reiske) sowie durch Tausch und als Geschenke (auch von ihm selbst) verzeichnet und durch verschiedene Übersichten (nach Sachgruppen, chronologisch, alphabetisch) erschlossen. Gewiss, theologische und philosophische Abhandlungen, geschichtliche Darstellungen, Reisebeschreibungen, Klassikereditionen, Enzyklopädien, Wörterbücher und Zeitschriften machten den Löwenanteil der Neuanschaffungen aus. Doch gerade die Begrenztheit der Erwerbungsmittel lässt besonders deutlich sowohl spezifische Tendenzen wie blinde Flecke von Lessings Anschaffungspolitik erkennen. So finden sich die meisten Texte, auf die sich Lessings späte theologiekritischen Schriften beziehen, darunter speziell die seines Hauptwidersachers, des Hauptpastors Goeze, aber nur sechs Bibel-Ausgaben (davon vier geschenkt!). Vielfältige Zeugnisse der Aufklärungsphilosophie (Locke, Leibniz, Euler, Sulzer, Mendelssohn, Platner, Engel, Campe u.a.), aber keine einzige der vorkritischen Schriften Kants. Nichts von Hamann, aber Herders Jugendschriften - wie übrigens auch Lavater - in beeindruckender Vollständigkeit. Viele italienische und wenige französische Dichter, große Shakespeare-, Milton- und Dryden-Ausgaben, doch keinerlei „Sturm und Drang” außer Maler Müllers „Niobe” und „Fausts Leben”.
Ich möchte nicht gelehrt seyn
Aus Lessings Ankaufspolitik erschließt sich mikrokosmisch ein Panorama der deutschen und europäischen Literatur, das alsbald durch den beherrschenden Einfluss Kants und Goethes völlig umstrukturiert wurde, wenn nicht gar in Vergessenheit geraten ist. Ehe man aber diesen Erinnerungsverlust allzu sehr beklagt, überhöre man nicht das unmutige Wort des Bibliothekars Lessing von seinem „ganzen Mistwagen voll Moos und Schwämme” (an J. A. Ebert, 12. Januar 1773). Denn so unablässig er sich mit „großen, großen Haufen Büchern” beschäftigt hatte, so notierte er doch gegen Ende seines Lebens mit einiger Heftigkeit: „Ich bin nicht gelehrt - ich habe nie die Absicht gehabt gelehrt zu werden - ich möchte nicht gelehrt seyn, und wenn ich es im Traume werden könnte. Alles, wonach ich ein wenig gestrebt habe, ist, im Fall der Noth ein gelehrtes Buch brauchen zu können.” Etwa das vorliegende.
HENDRIK BIRUS
PAUL RAABE, BARBARA STRUTZ: Lessings Bucherwerbungen. Verzeichnis der in der Herzoglichen Bibliothek Wolfenbüttel angeschafften Bücher und Zeitschriften 1770 - 1781. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 374 Seiten, 50,40 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Interesse hat Hendrik Birus dieses Verzeichnis von Gotthold Ephraim Lessings Bucherwerbungen für die Wolfenbüttler Bibliothek, der er zwischen 1770 und 1781 als Leiter vorstand, zur Kenntnis genommen. Der Rezensent weist auf Lessings begrenztes Budget hin und findet es unter diesem Aspekt nicht nur sehr "aufschlussreich", was Lessing für die Bibliothek erworben hat, sondern auch, was er alles nicht für anschaffenswert hielt. So habe Lessing zwar viele italienische Schriftsteller, aber nur wenig französische gesammelt, fast keine Literatur des "Sturm und Drang", dafür viele Shakespeare- und Milton-Ausgaben angeschafft, stellt Birus fest. Für ihn erschließt der Band "mikroskopisch ein Panorama der deutschen und europäischen Literatur", was insbesondere deshalb so faszinierend ist, weil es sich schon kurze Zeit später durch den Einfluss von Goethe und Kant "völlig umstrukturieren" würde, wie der Rezensent betont. Nicht zuletzt wegen dieser Momentaufnahme der Geistesgeschichte preist Birus den Band als "gelehrtes Buch".

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